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Lassen sich verbrauchte Brennstäbe, wie hier im Abklingbecken des Atomkraftwerks Emsland in Lingen, so weiterverarbeiten, dass weniger Atommüll entsteht, der in Endlager verfrachtet werden müsste? Ideen gibt es.

© Ingo Wagner/dpa

Was tun mit dem Müll aus Kernkraftwerken?: Alten Brennstoff entschärfen

Ein Endlager für stark Wärme entwickelnden Atommüll ist eine Generationenaufgabe. Gibt es andere Optionen, um die Menge des strahlenden Mülls zu verringern?

Ein Endlager für Atommüll soll stark strahlende Substanzen für eine Million Jahre sicher einschließen. Naheliegend ist daher die Frage, ob es Verfahren gibt, die den Abfall entschärfen oder gar unschädlich machen. Tatsächlich gibt es solche Überlegungen: Transmutation sowie Reaktoren, die den alten Brennstoff mit verwerten.

Bei der Transmutation werden diejenigen Elemente, die lange Halbwertszeiten und damit langfristiges Gefährdungspotenzial haben in andere Elemente verwandelt, die kürzere Halbwertszeiten haben.

Konkret geht es um sogenannte Actinide: Sie entstehen, wenn der Kern eines Uran-238-Atoms vorbeifliegende Neutronen einfängt und dadurch an Masse gewinnt. Diese Reaktion findet in den Reaktoren der Kernkraftwerke relativ häufig statt, rund ein Prozent des Atommülls sind Actinide, vor allem Plutonium, Neptunium, Americium und Curium.

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Die Idee der Transmutation: Actinide werden mit Neutronen beschossen. Stößt nämlich ein schnell fliegendes Neutron mit einem Atomkern zusammen, kann dieser zerfallen, so dass zwei leichte Kerne entstehen. Auf diese Weise kann man Actinide in leichtere Elemente umwandeln, die entweder nicht mehr strahlen oder deren Radioaktivität in wenigen Jahrhunderten auf ein weitgehend unschädliches Maß abklingt.

Forschung zur Transmutation in Deutschland nicht erwünscht

Ob die Transmutation im großen Stil möglich ist, lässt sich derzeit nicht sicher sagen. Noch fehlt es an einer Demonstrationsanlage. Belgien plant einen Forschungsreaktor namens Myrrha, der ab 2030 laufen soll und die Umwandlung in leichte Elemente zeigen könnte. Auch Deutschland war zunächst an Forschungen zur Transmutation maßgeblich beteiligt, unter anderem im Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Doch die Aktivitäten wurden heruntergefahren, Fachleute gehen in den Ruhestand oder ins Ausland, berichtet Andrei Rineiski vom KIT. Für die Transmutation benötigt man einen Reaktor, um schnelle Neutronen zu erzeugen. Ein heikles Thema, wie Rineiski deutlich macht: „Die Meinung über den Bau und Betrieb von Reaktoren ist in Deutschland nicht günstig, dies hilft nicht bei Transmutationsprojekten.“

Ein weiteres Problem besteht darin, die Actiniden aus dem Atommüll zu lösen. Dies ist aufwändig und aufgrund der Strahlung sind umfassende Sicherheitsvorkehrungen nötig. Hierbei ist weitere Forschung erforderlich.

Eine andere Option wären Kernkraftwerke, die alte Brennelemente gleich mit verwerten. Hierbei handelt es sich um „Schnelle Brüter“, benannt nach den schnellen Neutronen. Vorteil: Sie nutzen die im Abfall enthaltene Energie, um daraus zusätzlich Strom zu erzeugen, und transmutieren die gefährlichen Actiniden zu leichteren Elementen. Nachteil: Als Kühlmittel wird flüssiges Natrium verwendet. Dies zu beherrschen ist viel komplexer als die Wasser-Kühlung in herkömmlichen Reaktoren. Mehrfach hat es Unfälle gegeben, bei denen das Natrium in Brand geriet. Aktuell gibt es in der EU keinen schnellen Brüter, aber beispielsweise in Russland.

Ein Reaktor, der Atommüll verwertet

Ein neuerer Ansatz ist der „Dual Fluid Reaktor“, den Forscher am Institut für Festkörper-Kernphysik in Berlin entworfen haben. Der Brennstoff liegt als flüssiges Salz oder Metall vor, dieses strömt in Rohrleitungen im Kühlmittel aus flüssigem Blei – daher der Name Dual Fluid. Nach Angaben der Entwickler ist der Reaktor inhärent sicher, ein Super-Gau ausgeschlossen.

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Er könne auch Atommüll verwerten: Dazu müssen die alten Brennstäbe gemahlen und chemisch aufbereitet werden, um die Elemente dann in den Brennstoffkreislauf zu geben. Actinide werden transmutiert.

Frühere Forschungen an Flüssigsalzreaktoren in den USA hatten jedoch gezeigt, dass die Lösung erhebliche Korrosionsprobleme nach sich zog. Durch andere Materialien soll der Dual Fluid Reaktor diese Schwäche überwinden.

KIT-Forscher Andrei Rineiski ist dennoch skeptisch: „Das Verfahren ist noch weit am Anfang“, sagt er. „Es müssen noch viele Versuche gemacht werden, um zu zeigen, dass das Konzept wirklich zuverlässig funktioniert.“ Andere Reaktortypen der nächsten Generation mit soliden Brennstoffen und Flüssigmetallkühlung, oder Flüssigsalzreaktoren mit Flüssigsalzkühlung, seien weiter, darauf sollte sich die Forschung vordringlich konzentrieren.

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