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Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin des Innern und Heimat.

© Foto: dpa/Michael Kappeler

Kritik von FDP und Union: Scholz unterstützt Faesers Pläne zur Erleichterung der Einbürgerung

Nicht nur die Union ist dagegen, auch von den Liberalen kommt Widerstand: In Sachen Einbürgerungsrecht steht Innenministerin Faeser eine harte Debatte bevor – und die hat Historie.

Der Streit schickt das politische Berlin auf Zeitreise, zurück ins Jahr 1999. Damals sammelte die CDU unter Roland Koch im hessischen Landtagswahlkampf Unterschriften gegen die doppelte Staatsangehörigkeit. Heute plant Innenministerin Nancy Faeser (SPD), mit einem neuen Einbürgerungsgesetz den Weg zum deutschen Pass für viele Menschen abzukürzen.

Sofort ist der Tonfall so scharf wie eh und je - und Faeser hat nicht nur die Union gegen sich, sondern auch mindestens Teile der Koalitionspartnerin FDP.

Es sei der falsche Zeitpunkt für die Pläne, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der „Rheinischen Post“. „Es gibt bisher keinerlei Fortschritte bei der Rückführung und Bekämpfung der illegalen Migration.“

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Millionen Menschen leben seit zehn Jahren oder länger in Deutschland, haben aber keinen deutschen Pass.

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg unterstützt Djir-Sarai: „Unser Generalsekretär mahnt sehr zu Recht an, dass es bei der Umsetzung des Koalitionsvertrages nicht zu einer Unwucht kommen und die Rückführungsoffensive nicht auf die lange Bank geschoben werden darf. Nach spätestens zwei Generationen sollten sich Einwanderer in der Regel für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen.“

Andere wie der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae und Fraktionschef Christian Dürr äußerten sich grundsätzlich positiv zu Faesers Plänen, betonten aber, dass Migration in den Arbeitsmarkt gelenkt werden müsse. Es müsse klar geregelt werden, „wer bei uns bleiben kann und wer nicht“, sagte Thomae dem Tagesspiegel.

Im Koalitionsvertrag der Ampel ist genau das verankert, was Faeser vorhat. Unter anderem soll künftig die Einbürgerung nicht erst nach acht Jahren möglich sein, sondern nach fünf oder bei besonderer Integrationsleistung nach drei. Der Grundsatz, Mehrstaatigkeit zu vermeiden, soll aufgegeben werden.

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An diese Vereinbarung erinnert die Koalitionspartnerin SPD die Liberalen: „Es gilt der Koalitionsvertrag, den wir eins zu eins umsetzen und den auch die FDP mit verhandelt und unterschrieben hat. Im Übrigen würde es uns gut zu Gesicht stehen, Konflikte in der Koalition nicht in der Öffentlichkeit auszutragen, sondern miteinander zu sprechen“, sagt Lars Castellucci (SPD), stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag.

Im Koalitionsvertrag ist auch eine Kampagne verabredet, um für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu werben. Das zeigt, wie unterschiedlich die Herangehensweisen ans Thema sind. Wo Ministerin Faeser angesichts von demographischem Wandel und Fachkräftemangel Chancen sieht, greift die Union zu scharfen Worten.

So sagt Andrea Lindholz, stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, die Ampel setze „den zukünftigen gesellschaftlichen Zusammenhalt ein Stück weit aufs Spiel“. Voraussetzung für eine Einbürgerung müsse sein, „dass sich eine Person über längere Zeit in unsere Gesellschaft integriert hat“. Und der CSU-Politiker Alexander Dobrindt, ebenfalls Fraktionsvize, warnte via Bild-Zeitung davor, die Staatsbürgerschaft zu „verramschen“.

Das Echo bei SPD und Grünen ist entsprechend. „Die Union verramscht gerade ihr christliches Erbe, so wie sich ihre Vertreter in dieser Frage äußern“, sagt Innenpolitiker Castellucci.

Auch vom Kanzler kommt Unterstützung für die Pläne von Faeser. „Wer auf Dauer hier lebt und arbeitet, der solle auch wählen und gewählt werden können, der soll Teil unseres Landes sein, mit allen Rechten und Pflichten, die dazugehören“, sagte Olaf Scholz am Montag auf einer Veranstaltung in Berlin. Dies gelte völlig unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder religiösem Bekenntnis.

Ausdrücklich plädierte Scholz auch für die Möglichkeit mehrerer Staatsbürgerschaften. Bei der Einbürgerungsentscheidung haderten einige, weil sie ihre frühere Staatsangehörigkeit und damit ein starkes Band zu ihrem Herkunftsland nicht aufgeben wollten. „Ich habe nie verstanden, weshalb wir darauf bestanden haben. Zugehörigkeit und Identität sind kein Nullsummenspiel.“

Filiz Polat, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, empfiehlt der Union, „endlich den Realitäten in unserem Land Rechnung zu tragen“. Ein neues Einbürgerungsrecht sieht sie als „Beitrag zur Behebung eines wachsenden Demokratiedefizits“.

Demokratie legitimiert sich über Wahlen, da ist es falsch, sehr viele Menschen, die in einem Land leben, dauerhaft auszuschließen.

Petra Bendel, Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration

Das sieht auch die Politikwissenschaftlerin Petra Bendel so, Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration. „Demokratie legitimiert sich über Wahlen, da ist es falsch, sehr viele Menschen, die in einem Land leben, dauerhaft auszuschließen“, sagt Bendel.

Sie plädiert für eine Versachlichung der Debatte und den Blick auf Fakten: Mehr als fünf Millionen Menschen lebten schon seit zehn Jahren oder länger im Land, hätten aber keinen deutschen Pass. Deutschland liege bei der Einbürgerungsquote im europäischen Vergleich im hinteren Drittel und habe Aufholbedarf.

Bittere Erinnerung an Roland Koch und 1999

Und Irene Mihalic, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, erinnerte via Twitter selbst an 1999: „Von der Union darf nie wieder eine Kampagne ausgehen, in der dazu ermutigt wird, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte zu unterschreiben oder Vergleichbares zu tun. Dazu erwarte ich eine eindeutige Erklärung der Verantwortlichen, denn es riecht aktuell verdächtig nach Koch.“

Eine Blockade wie beim Bürgergeld muss die Ampel zumindest nicht befürchten: Ein neues Einbürgerungsrecht wäre im Bundesrat nach Auskunft des Bundesinnenministeriums nicht zustimmungspflichtig.

Und doch könnte die Debatte schwierig werden. Zumal parallel in dieser Woche die Pläne für ein neues Chancen-Aufenthaltsrecht fertiggestellt werden sollen. Dabei geht es nicht darum, Menschen einzubürgern. Sondern Thema ist es, Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus unter bestimmten Voraussetzungen ein dauerhaftes Bleiberecht zuzugestehen.

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