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Aktivisten der Gruppierung Letzte Generation blockieren eine Kreuzung an der Landsberger Allee.

© dpa/Paul Zinken

Aktivismus der Letzten Generation in Berlin: Es gibt keine Klimaschutzblockaden in den Parlamenten

Ziviler Ungehorsam, Straßenblockaden, Polizeieinsätze – die Aufregung ist verständlich. Maßnahmen für mehr Klimaschutz müssen demokratisch durchgesetzt werden.

Ein Gastbeitrag von Danny Freymark

Es ist unbestritten, dass wir in Berlin eine Verantwortung für besseren und schnelleren Klimaschutz haben. Nicht erst seitdem 440.000 Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt für das Klima-Volksbegehren „Berlin 2030 klimaneutral“ gestimmt haben, sondern schon seit Jahrzehnten. Besonders aussagekräftig ist die Entwicklung der CO₂-Emissionen pro Kopf: Von 8,5 Tonnen CO₂ im Jahr 1990 auf 4,0 Tonnen CO₂ im Jahr 2020, das entspricht einem Rückgang von mehr als 53 Prozent.

Wir sind also bereits mittendrin im Klimaschutz. Der Vergleich mit dem 1918 erkämpften Frauenwahlrecht hinkt, im Klimaschutz wird es nicht ohne schrittweise, graduelle Verbesserungen gehen – aus sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gründen. Auch die Grünen wollen Mehrheiten gewinnen, oder?

Bei der Erreichung der vollständigen Klimaneutralität Berlins, spätestens bis zum Jahr 2045, sind wir bisher nicht besonders ambitioniert. Tatsächlich müssen wir das ändern, um dramatische Konsequenzen für die Menschheit zu verhindern, aber auch um Vorbild zu sein für die Länder in der Welt, die weder unseren Wohlstand noch unsere technologischen Möglichkeiten haben, zum Beispiel Energie zu erzeugen oder CO₂ zu mindern.

Sondervermögen für schnelleren Klimaschutz

Sowohl Berlin als auch der Bund und Europa werden mehr finanzielle Mittel einsetzen müssen. Mutig und konsequent haben CDU und SPD miteinander verabredet, auch über neue Schulden, ein Sondervermögen von mindestens fünf, besser zehn Milliarden für schnelleren Klimaschutz nutzbar zu machen. Alle öffentlichen Gebäude müssen energetisch saniert, begrünt und mit Solardächern versehen werden. Busse und Bahnen müssen zuverlässiger, Gehwege und Radwege schnellstmöglich ausgebaut werden.

Es mag langweilig erscheinen, aber wir Politiker haben verstanden, was zu tun ist. Jetzt geht es um die konkrete Umsetzung.

Danny Freymark

All diese Maßnahmen werden im Parlament diskutiert und entschieden. Daher die Frage: Warum werden Berlinerinnen und Berliner auf der Straße durch Blockaden daran gehindert, zur Arbeit zu fahren? Die zurecht lautstark artikulierten Forderungen der Letzten Generation werden schon lange berücksichtigt. Es mag langweilig erscheinen, aber wir Politiker haben verstanden, was zu tun ist. Jetzt geht es um die konkrete Umsetzung.

Unsere Demokratie ermöglicht es, Wut und Ärger auf viele Weisen deutlich zu machen. Und auch der Protest gehört dazu. Mutwillig jedoch andere Menschen zu schädigen, stößt zu Recht auf wenig Akzeptanz. Oftmals wissen viele Menschen nicht, welche demokratischen und damit ganz sicher straffreien Möglichkeiten es gibt, sich für die Allgemeinheit einzusetzen und eigene Themen voranzubringen.

Kennen die Aktivisten ihre Ansprechpartner im Abgeordnetenhaus?

Die Bürger unserer Stadt haben 159 Vertreterinnen und Vertreter ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. Kennen die Aktivisten überhaupt ihre Ansprechpartner? Wussten sie, dass schon jetzt jedes Jahr über 37 Milliarden Euro zur Verfügung stehen und davon auch unter Rot-Grün-Rot nur ca. 2,5 Milliarden für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zuletzt ausgegeben wurden? Das kann man ändern, muss man sogar, aber im Parlament, nicht durch Blockaden auf den Berliner Straßen.

Im Petitionsausschuss werden jedes Jahr Tausende von Ideen, Themen und Kritik aus der Bevölkerung bearbeitet und die zuständigen öffentlichen Stellen eingebunden. Vorschläge oder gar konkrete Schriftsätze liegen seitens der Letzten Generation bis heute jedenfalls nicht vor, trotz mehrmaliger Einladung.

Dialog statt Blockade

Das Abgeordnetenhaus wäre ein angemessener Ort für die Diskussionen und auch der wirksamste, da bin ich mir sicher. Man kann über die Ausgestaltung unserer Demokratie streiten, über die Möglichkeiten, die sie jedem Einzelnen von uns bietet, jedoch nicht. Das zu nutzen, würde bedeuten, Verantwortung zu übernehmen und demokratische Teilhabe wertzuschätzen.

Für die Klimaneutralität Berlins deutlich vor 2045 zu werben, ja auch öffentlich zu streiten, ergibt Sinn, nur jedoch über die vermeintliche Untätigkeit der eigenen gewählten Politikerinnen und Politiker zu schimpfen oder Straßenzüge zu blockieren, hilft nicht. Daher appelliere ich an alle Skeptiker der eigenen Wirksamkeit, öffnen Sie sich für die Idee, dass unsere Demokratie die Kraft hat, auch große Herausforderungen gemeinsam zu meistern, nutzen Sie die Energie des Dialoges, der Begegnung und beenden Sie Ihre Proteste.

Wirksamer Klimaschutz lebt von der Akzeptanz der Bevölkerung, von einer Politik, die zugewandt und ideologiefrei versucht, Lösungen zu finden, um das Beste für unsere Gesellschaft zu ermöglichen. In dieser Frage brauchen wir keine Lager, sondern Dialog statt Blockade.

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