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Zebrafische im Aquarium des Tübinger Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie.

© dpa/Norbert Försterling

„Anträge erfüllen oft Anforderungen nicht“: Berlins Tierschutzbeauftragte verteidigt Genehmigungsverfahren für Laborversuche

Das Land muss Tierversuche genehmigen. Die Verfahren dauern oft Monate – was aber auch mit den lückenhaften Anträgen der Forscher zu tun habe, kritisiert die Tierschutzbeauftragte.

In der Debatte um Tierversuche in Berlin reagiert die Landestierschutzbeauftragte Kathrin Herrmann auf die Forderung nach beschleunigten Genehmigungen. Das EU-Recht lasse das von Pharmakologen und Politikern geforderte Verkürzen der Verfahren kaum zu, sagte Herrmann. Sie dauerten zudem auch deshalb so lange, weil die Anträge aus den Laboren oft lückenhaft seien.

Der CDU-Wissenschaftsexperte im Abgeordnetenhaus, Adrian Grasse, hatte eine „Genehmigungsfiktion“ gefordert – also eine Regelung, die nach einer vom Amt versäumten Frist automatisch einen positiven Bescheid annimmt. Zuvor hatten Forscher darüber geklagt, dass das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) oft Monate brauche, bevor es Anträge auf Tierversuche genehmigt.

Kathrin Herrmann ist seit 2020 die Berliner Tierschutzbeauftragte.

© dpa/Jörg Carstensen

„Der Vorschlag des Abgeordneten Grasse, automatisch all jene Anträge zu genehmigen, über die nicht in der gesetzlichen Frist entschiedenen werden konnte, verstößt gegen EU-Recht“, sagte Herrmann dem Tagesspiegel. „Zwar weisen Laborforscher zu Recht auf die geltende Maximalfrist von 55 Tagen für die Bearbeitung ihrer Anträge hin, aber sie erwähnen dabei oft nicht, dass diese Frist erst mit Eingang eines vollständigen, korrekt ausgefüllten Antrags beginnt. Dass Anträge diese Anforderungen häufig nicht erfüllen, räumen die Beteiligten letztlich selbst ein, indem sie die vielen Nachfragen aus der zuständigen Genehmigungsbehörde beklagen.“

Verbände dürfen stellvertretend für Tiere klagen

Herrmann, die als Veterinärmedizinerin selbst fast zehn Jahre im Lageso tätig war, sagte: „200-seitige Anträge einzureichen, die dann trotzdem unvollständig sind, ist für die Lageso-Beschäftigten eine Zumutung – und macht es ihnen schwerer, innerhalb der Frist zu entscheiden. Wenn wegen Unklarheiten dann umfangreiche Nachfragen gestellt werden müssen, ist das ein klarer Hinweis, dass die Antragsteller eben keine abschließend prüfbaren Anträge eingereicht haben.“

Die anerkannten Tierschutzverbände sollen die Behörden dabei unterstützen, tierschutzkonformes Verwaltungshandeln sicherzustellen.

Kathrin Herrmann, Berlins Tierschutzbeauftragte

Das Lageso berichtete vor einigen Tagen auf Anfrage von hohem Druck auf die eigenen Mitarbeiter. So fragten Forscher an, die sich eine schnelle Genehmigung wünschten. Als zuständige Behörde stehe man aber auch im Fokus von Tierschutzorganisationen, die solche Laborversuche gern verhindern würden. Diese Organisationen nutzten dem Lageso zufolge zunehmend das Tierschutzverbandsklagegesetz, um Akteneinsicht in die Verfahren zu erzwingen. Dem Gesetz zufolge können sieben Verbände stellvertretend für Tiere klagen und umfangreiche Informationen aus Laboren anfordern.

In Berlin wurden letztes Jahr 127 Anträge genehmigt

„Auch das Akteneinsichtsrecht für Tierschutzverbände ist gesetzlich vorgesehen“, sagte Landestierschutzbeauftragte Herrmann. „Die vom Gesetzgeber anerkannten Verbände sollen die Behörden dabei unterstützen, tierschutzkonformes Verwaltungshandeln sicherzustellen. Es ist unbestritten, dass dies viel Arbeit macht, die es oft unter Zeitdruck zu erledigen gilt. Aber sowohl das Informationsfreiheitsgesetz als auch das Verbandsklagegesetz sind bedeutende Instrumente für Transparenz, die Vertrauen schaffen sollen – das ist insbesondere mit Blick auf Tierversuche wichtig, die öffentlich umstritten sind.“

Zu jedem Antrag auf ein Laborexperiment muss das Lageso eine der zwei Berliner Tierversuchskommissionen anhören. Diese beratenden Expertengremien sind gesetzlich vorgeschrieben, ihnen gehören sowohl Tierschützer als auch Forscher an. Im Jahr 2022 wurden 135 Anträge für Experimente mit insgesamt 332.382 Tieren gestellt. Davon wurden 127 Anträge mit 208.154 Tieren genehmigt, sieben Anträge wurden abgelehnt oder vom Antragsteller zurückgezogen, eine Entscheidung steht noch aus.

Forscher wiesen darauf hin, dass mit diesen circa 208.000 Tieren nicht in jedem Fall geforscht wurde: Es handele sich um die für alle Berliner Labore insgesamt genehmigte Maximalzahl für das vergangene Jahr, die in der Praxis nicht ausgeschöpft worden sei.

In deutschen Laboren, in denen an Tieren geforscht wird, werden meist Mäuse eingesetzt. Auch in Berlin stellen Hausmäuse – Fachterm: Mus musculus fast 90 Prozent aller Versuchstiere. Dazu kommen vor allem Ratten, Kaninchen, Meerschweinchen, Krallenfrösche und Zebrafische. Forschung an größeren Säugetieren wie Schafen, Schweinen, Affen oder Katzen sind selten.

Tierversuche werden in kleineren Pharma- und Biotech-Firmen durchgeführt, zudem unter anderem von Konzernen wie Bayer, der landeseigenen Universitätsklinik Charité und dem Robert-Koch-Institut. Mit alternativen Methoden, um weniger an Tieren forschen zu müssen, befasst sich an der Charité ein eigenes Institut.

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