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© dpa/Julian Stratenschulte

Berliner Gericht urteilt: Zweckentfremdungsverbot schützt auch Bauruinen

Eine Baugesellschaft will ein verfallenes Wohngebäude nach jahrelangem Leerstand abreißen. Das Verwaltungsgericht erklärt nun, die Wiederherstellung des Hauses sei zumutbar.

Das sogenannte Zweckentfremdungsverbot kann auch für Bauruinen gelten. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden. „Ein ursprünglich zu Wohnzwecken errichtetes Gebäude kann allein durch bewussten jahrelangen Leerstand und dadurch bedingten baulichen Verfall nicht der Geltung des Zweckentfremdungsverbots entzogen werden“, teilte das Gericht am Montag mit.

Das Zweckentfremdungsverbot soll Wohnraum vor einer Zweckentfremdung durch Leerstand, Abriss oder Umwandlungen in Gewerbe oder Ferienwohnungen schützen. Geklagt hatte in diesem Fall eine Bauentwicklungsgesellschaft. Sie wollte ein leer stehendes und baufälliges Mehrfamilienhaus in Mitte abreißen, hatte dafür aber ein Veto vom Bezirksamt kassiert. Das Gericht erklärte nun, die Wiederherstellung des Gebäudes zu Wohnzwecken sei für die Klägerin zumutbar (VG 6 K 264/21).

Nach Angaben des Gerichts hatte die klagende Gesellschaft das Haus 1998 gekauft, um ein Investitionsvorhaben durchzuführen mit dem Ziel, 23 Wohnungen zu sanieren und wiederherzustellen. Das Haus habe spätestens seit 1998 leer gestanden. Von einer Baugenehmigung zur Instandsetzung und Modernisierung habe die Klägerin keinen Gebrauch gemacht.

Keine Heizung, Bäder und Toiletten im Haus

2015 habe sie dem Bezirksamt mitgeteilt, dass das Gebäude zur dauernden Wohnnutzung nicht mehr geeignet sei, da es keine Heizung, Bäder und Toiletten habe und die Böden einsturzgefährdet seien, hieß es vom Gericht. 2019 habe das Unternehmen ein sogenanntes Negativattest beantragt: Dieses beinhaltete, dass es sich bei den Räumen nicht um schützenswerten Wohnraum handle, der dem Zweckentfremdungsverbot unterfalle, und kündigte den Abriss an.

Das Bezirksamt hatte die Erteilung des Attests abgelehnt, wogegen die Wohnungsbaugesellschaft schließlich klagte. Das Verwaltungsgericht wies die Klage nun mit der Begründung ab, dass das Gebäude weiterhin zur dauernden Wohnnutzung geeignet sei.

Zwar sei es stark sanierungsbedürftig und baufällig und somit aktuell nicht bewohnbar. Allerdings unterfielen zu Wohnzwecken errichtete Gebäude auch dann dem Zweckentfremdungsverbot, „wenn sie sich noch mit objektiv zumutbarem Aufwand in einen bewohnbaren Zustand versetzen ließen“, hieß es in der Mitteilung des Gerichts.

Davon sei in diesem Fall auszugehen: Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass es ihr unzumutbar sei, die Bewohnbarkeit wiederherzustellen. Dies sei nur dann der Fall, wenn die ansetzbaren Kosten dafür höher seien als die in zehn Jahren erzielbare Rendite.

Nicht berücksichtigt werden könnten Wiederherstellungskosten, die auf unterlassene Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen in der Vergangenheit zurückzuführen seien, hieß es vom Gericht. „Denn anderenfalls wäre es möglich, durch gezielten Leerstand Wohnraum zu vernichten und das Zweckentfremdungsverbot zu umgehen.“

Es sei in einem solchen Fall zu vermuten, dass die Kosten, um die Räume wieder bewohnbar zu machen, vermeidbar gewesen wären. Deshalb müssten sie nicht berücksichtigt werden. Nämlich dann, wenn die Räume über einen erheblichen Zeitraum leer standen, aber nichts für die Instandhaltung getan wurde.

Die Klägerin kann vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Berufung einlegen.

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