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Berlins Politik wünscht sich 20.000 neue Wohnungen im Jahr. Zu schaffen sei bestenfalls die Hälfte, meint Markus Voigt.

© dpa/Rolf Vennenbernd

Berlins größte soziale Frage: „Politik muss dem Wohnungsbau wieder Leben einhauchen“

Unser Gastautor Markus Voigt, Baufachmann und Präsident des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), skizziert, wie der Wohnungsbau wieder in Schwung kommen könnte.

Ein Gastbeitrag von Markus Voigt

Es ist ein Drama: In der vielleicht größten sozialen Frage unserer Zeit treten wir auf der Stelle. Der Wohnungsbau in Deutschland kommt nicht vom Fleck. Statt der von der Bundesregierung angestrebten 400.000 neuen Wohnungen werden wir im laufenden Jahr wohl weniger als die Hälfte schaffen.

Auch der Blick in die Zukunft verheißt wenig Gutes: Die Zahl der erteilten Baugenehmigungen ist im Mai bundesweit um mehr als ein Viertel im Vergleich zum Vorjahresmonat eingebrochen, bei uns in Berlin wurden im Mai 66 neue Wohngebäude genehmigt. Vor einem Jahr waren es noch mehr als doppelt so viele: 152.

Wir stehen vor einer Zäsur, es deutet sich eine tiefe Krise an, die auch auf die Bauwirtschaft durchschlägt. Die Zeiten, in denen Projektentwickler gute Geschäfte machten, sind jedenfalls vorbei. Der Giftcocktail aus steigenden Zinsen, weiterhin hohen Materialkosten, fehlenden Fachkräften und teuren Auflagen wird zu einem massiven Substanzverlust im Hochbau führen. Die Großen der Branche stöhnen, viele der kleineren Vertreter ihrer Zunft müssen um ihre Existenz fürchten.

Stillstand auf Baustellen

Die Konsequenzen dieser Entwicklung sind gerade bei uns in Berlin spürbar. Auf den Baustellen der Hauptstadt herrscht Stillstand. Gehämmert, gemauert und verputzt wird kaum noch. Private Investoren ziehen sich zurück, große Wohnungsunternehmen stellen ihre Neubauaktivitäten vollständig ein. In der Folge werden die Schlangen vor den wenigen zu vermietenden Wohnungen länger und länger, das Auseinanderdriften zwischen Wohnungsnachfrage und -angebot entwickelt sich zum Wahrzeichen der Stadt.

Im ersten Quartal 2023 sind die Angebotsmieten im Jahresvergleich um fast ein Viertel gestiegen – so rasch wie nirgendwo sonst in Deutschland. Die im Berliner Koalitionsvertrag angestrebten 20.000 Fertigstellungen pro Jahr dürften kaum zu halten sein.

5000
Euro pro Quadratmeter kostet der Bau einer Wohnung heute mindestens.

Es ist heute schlichtweg unmöglich, eine Wohnung für weniger als 5000 Euro pro Quadratmeter zu errichten. Im Gegenzug müssten Investoren Mieten in Höhe von mindestens 16 bis 17 Euro erzielen, um auf ihre Kosten zu kommen. Als sozial verträglich – und politisch gewollt – gilt aber ein Mietniveau von 6,50 bis 7,50 Euro. Was also tun?

Wenn wir nicht wollen, dass Wohnungsnot und Bauwirtschaftskrise eine auf Dauer angelegte Liaison fatale eingehen, müssen wir jetzt handeln. Wir müssen Bedingungen schaffen, die dem Markt wieder Leben einhauchen und es Bauherrn ermöglichen, auskömmlich zu wirtschaften. Alles, was die Kosten weiter steigen lässt, gehört auf den Prüfstand. Insbesondere brauchen wir einen politischen Rahmen, der sich am Primärziel – dem Schaffen von Wohnraum – orientiert.

Keine langen Wunschlisten

Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, den Wohnungsbau mit einer langen und teuren Wunschliste zu belasten. Ein Beispiel: Lieber ein Studentenwohnheim ohne Fahrstühle, das tatsächlich entsteht, als ein vollausgestattetes Wohnheim, das Luftschloss bleibt.

Genehmigungsfiktionen auf breiter Front bringen Tempo in die Prozesse, die Digitalisierung bietet ein enormes Potenzial, um Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Eine intelligente Förderkulisse muss die zur Verfügung stehenden Gelder dort einsetzen, wo sie maximale Wirkung entfalten. Insbesondere müssen wir einen Schlussstrich unter die Vergesellschaftungsdebatte ziehen und ein Klima erzeugen, das Planungssicherheit schafft und Investoren als Möglichmacher willkommen heißt.

Zeit ist ein entscheidender Faktor: Eine vorausschauende, mutige und alle vorhandenen Kräfte mobilisierende Wohnungspolitik ist ein zentraler Schlüssel für ein soziales und prosperierendes Berlin von morgen.

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