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Unterstützer der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ bei einer Demonstration.

© Christophe Gateau/dpa

Expertenkommission zu Vergesellschaftungen: Berliner Wirtschaft reagiert kontrovers auf Abschlussbericht

Wichtige Akteure der Berliner Wirtschaft haben auf den Abschlussbericht der Expertenkommission reagiert. Neben Kritik wird vereinzelt auch Euphorie laut.

Maren Kern, die Vorsitzende des Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), ist nicht begeistert vom Ergebnis des Abschlussberichts der Expertenkommission zur Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände in Berlin. Die noch vom Vorgängersenat eingesetzte Expertenkommission habe ein erwartbares Ergebnis vorgestellt, sagt Kern: „Bereits seit dem Zwischenbericht vom Dezember letzten Jahres war klar, wohin die Reise gehen würde: dass die Kommission eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen für machbar hält.“

Wie berichtet, hält eine Mehrheit der 13 Kommissionsmitglieder eine Vergesellschaftung der Bestände großer Wohnungsunternehmen für rechtlich zulässig und unter Verkehrswert möglich. Außerdem sei sie verhältnismäßig, denn für das Anliegen der Vergesellschaftung – also die „Beendigung privatnütziger Verwertung zur Aufhebung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Macht“ – gebe es keine Alternative, „die bei gleichem Ertrag für die Zwecke des Allgemeinwohls offensichtlich milder ist.“

Der Bericht wurde am Mittwoch vorgestellt. Die Expertenkommission war noch vom rot-grün-roten Senat eingesetzt worden, nachdem 59,1 Prozent der Wählerinnen und Wähler bei einem Volksentscheid am 26. September 2021 für die Enteignung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin gestimmt hatten.

Eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen ist weder mit dem Grundgesetz noch der Berliner Landesverfassung vereinbar, noch wäre sie finanzierbar.

Maren Kern, Vorsitzende des Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU)

Der vorgelegte Abschlussbericht ändere nichts an den grundlegenden Zweifeln, die der BBU bezüglich der Zulässigkeit eines solchen Schritts habe, teilte Kern nun mit. Man bleibe bei der Position: „Eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen ist weder mit dem Grundgesetz noch der Berliner Landesverfassung vereinbar, noch wäre sie finanzierbar.“

Nach Auffassung des BBU würde eine Vergesellschaftung „mit der willkürlich gegriffenen Grenze von 3000 Wohnungen gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes“ verstoßen, genauso „wie gegen das verfassungsmäßige Verhältnismäßigkeitsgebot, weil außer einer Vergesellschaftung in Form beispielsweise von Neubauförderung mildere Mittel zum Erreichen des Ziels eines entspannten Wohnungsmarkts zur Verfügung stünden.“

Der BBU vertritt als Dachverband landeseigener, genossenschaftlicher und privater Wohnungsunternehmen die Vermieter von rund 40 Prozent des Berliner Mietwohnungsbestandes, unter anderem auch die großen Wohnungskonzerne Covivio und Vonovia.

Mieterverein reagiert euphorisch: „historischer Tag“

Der Mieterverein hingegen klingt in seiner Reaktion geradezu euphorisch. Man erlebe einen „historischen Tag“, sagte Ulrike Hamann, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins: „Wir haben von der Kommission ein Ergebnis mit zukunftsweisender Wirkung erhalten – ein klarer Auftrag an den Senat, ein Vergesellschaftungsgesetz und kein bloßes Rahmengesetz zu erarbeiten.“ Die neue schwarz-rote Regierungskoalition hatte angekündigt, ein Rahmengesetz für Vergesellschaftungen erarbeiten zu wollen, sofern die Expertenkommission grünes Licht für Vergesellschaftungen geben sollte.

Nach Auffassung des Mietervereins bescheinigt die Expertenkommission dem Land Berlin außerdem, dass es die ihm zur Verfügung stehenden Instrumente „beinahe restlos ausgeschöpft“ habe. Dennoch lasse sich die „gravierende Wohnungsmangellage“ ohne „wohnungsmarktinvasive Regulierung“ nicht lösen. Daher fordert Hamann: „Der Senat muss sich von der Hoffnung verabschieden, durch Zuschüsse und Verabredungen mit der privaten Wohnungswirtschaft den verfassungsmäßigen Auftrag der Wohnraumversorgung erfüllen zu können.“ Die Vergesellschaftung müsse jetzt umgesetzt werden.

Für Ute Weiland, Geschäftsführerin des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), sendet der Abschlussbericht allerdings ein falsches Signal: „Wer investiert schon in Wohnraum, wo Enteignung droht?“ Statt über Vergesellschaftung zu sprechen, müsse man Investoren Argumente liefern, nach Berlin zu kommen. „Wir müssen dem Markt wieder Leben einhauchen, statt ihn auszubremsen.“ Es brauche ein Klima, das Planungssicherheit schafft und Investoren als Möglichmacher willkommen heißt.

Warnung vor abschreckender Wirkung

Uwe Bottermann von der Immobilienrechtskanzlei Bottermann Khorrami kritisiert, dass die Möglichkeit von Enteignungen „wichtige Akteure im Immobilienmarkt“ abschrecken würde. Die Ankündigung der schwarz-roten Koalition, zunächst ein Vergesellschaftungsrahmengesetz erarbeiten zu wollen, das erst nach zwei Jahren und einer Prüfung durchs Verfassungsgericht in Kraft treten soll, begrüßt er hingegen: „Die dem Vernehmen auch in der Kommission umstrittenen Themen wie Sperrwirkung der Berliner Landesverfassung, Verhältnismäßigkeit oder Entschädigungshöhe werden nicht ohne Gerichtsentscheidung auskommen.“ 

Jacopo Mingazzini, Vorstand von The Grounds Real Estate Development, zeigt sich kampfeslustig: Der von der Kommission vorgelegte Abschlussbericht enthalte einen Frontalangriff auf die Eigentumsgarantie: „Stellenweise liest es sich eher wie Floskeln aus einem Marxismus-Leninismus-Seminar, wenn beispielsweise eine Mehrheit der Kommissionsmitglieder der Auffassung ist, die Vergesellschaftung könne auf sämtliche Bestände sogenannter kapitalmarktorientierter Unternehmen ausgerichtet werden, und gleichzeitig erklärt, die damit verbundene Ungleichbehandlung lasse sich durch die besondere Form der Wertschöpfung durch solche Unternehmen rechtfertigen.“

Dies bedeute einer Diskriminierung von Unternehmen aufgrund der Wahl ihrer Rechtsform und ihrer Finanzierungswege, auch wenn diese bewährt, legal und von den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich vorgesehen seien.

Auch von den Genossenschafter*innen, einem Zusammenschluss von Mitgliedern Berliner Wohnungsgenossenschaften, kommt eine Reaktion: Sie begrüßen den Bericht und die darin enthaltene „Klärung, dass Genossenschaften rechtssicher von der Vergesellschaftung ausgenommen werden können.“ Vor dem Volksentscheid hatte insbesondere der BBU davor gewarnt, auch Genossenschaften könnten von Vergesellschaftungen betroffen sein.

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