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Creator:innen machen mehr, als Produkte in die Kamera zu halten. In diesem Jahr ist die Industrie schätzungsweise über 100 Milliarden US-Dollar wert.

© Getty Images

Die Creator-Economy boomt: Wie Berliner Unternehmen Internetstars zu mehr Reichweite verhelfen

Content-Creator:innen erstellen Inhalte und verkaufen Produkte im Netz, Agenturen unterstützen sie im Hintergrund. Auch Berliner Unternehmen mischen in dem Geschäft mit.

Hinter kurzen Clips im Internet, in denen Menschen singen, tanzen, spielen, über Politik reden oder Comedy machen, stehen häufig professionelle, reichweitenstarke Unternehmer:innen. Dieser Industriezweig wird Creator-Economy genannt. Der Name leitet sich vom englischen Wort creator ab, übersetzt heißt das Schöpfer:in. Creator:innen produzieren Inhalte auf verschiedenen Internetplattformen wie Tiktok, Twitch und YouTube. Sie verdienen Geld mit Werbung, verkaufen Produkte oder Abos.

Das Finanzmagazin „Forbes“ schätzt, dass die Creator-Economy insgesamt über 100 Milliarden US-Dollar wert sei. 50 Millionen Menschen gelten weltweit als Creator:innen, schätzungsweise zwei Millionen davon tun dies hauptberuflich.

Obwohl es meist nach Ein-Personen-Shows aussieht, gibt es Unternehmen, die die Internetstars hinter den Kulissen unterstützen. Etwa Agenturen, die Werbedeals einfädeln oder sich darum kümmern, die Reichweite im Netz zu vergrößern. Auch in Berlin mischen Unternehmen in dem Geschäft mit.

Viele Unternehmen profitieren von dieser Industrie.

Barbara Engels, Ökonomin am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) 

„Wir helfen beim Aufbau der Persönlichkeitsmarke. Wenn jemand auf Instagram wachsen möchte, wissen wir, was zu tun ist, weil wir die Mechanismen sehr gut kennen. Das gilt auch für die anderen Plattformen. Wir sind der kürzeste Weg zu jeder Community in Europa“, sagt Nancy Julius. Sie steht an der Spitze des Berliner Medienunternehmens We Are Era, einer Firma, die mit Inhalten im Netz ihr Geld verdient. Zum einen ist We Are Era eine Produktionsfirma, zum anderen managt die Agentur Creator:innen.

Barbara Engels arbeitet am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und beobachtet die Creator-Economy als Ökonomin. „Da hängt ein langer Rattenschwanz dran: Software zum Beispiel, um Inhalte bereitzustellen. Die Abwicklung von Produktionen benötigt auch Dienstleister. Viele Unternehmen profitieren von dieser Industrie“, sagt sie. Allein in den USA hingen vergangenes Jahr 425.000 Vollzeitjobs an Youtube, so das Ergebnis einer Studie von Oxford Economics.

Auch in Deutschland ist die Content-Economy auf dem Vormarsch. We Are Era verfügt über acht Niederlassungen in Europa, in Berlin sitzt die Zentrale. Die Agentur arbeitet mit 1.500 Creator:innen europaweit zusammen. Nach eigenen Aussagen ist sie damit das führende Unternehmen für digitale Content-Produktion in Europa. Umsatzzahlen nennt die Firma nicht.

Fugen schließen in einer fragmentierten Medienwelt

We Are Era ist ein Tochterunternehmen der RTL Group und Teil des Bertelsmann-Konzerns. Seit 2021 trägt die Marke diesen Namen, nachdem der Vorgänger Divimove erst drei Firmen geschluckt und sich dann mit einer skandinavischen Firma zusammenschlossen hat.

Das Netzwerk aus Sendern, Rundfunkanstalten, Werbepartnern und Influencer:innen sei das Kapital der Firma, sagt Nancy Julius. We Are Era beschäftigt rund 250 Mitarbeiter:innen, in Berlin arbeiten etwa 130 Personen. Diese produzieren TV-Spots, Social-Media-Clips, aber auch Reportagen oder Videoformate für die Öffentlich-Rechtlichen.

Nancy Julius ist Chefin von We Are Era. Das Büro befindet sich in der Nähe vom Nollendorfplatz in Berlin-Schöneberg.

© We Are Era/Lewis Jones

Ein ähnliches Geschäft betreibt das Konkurrenzunternehmen Studio71, das zum Pro7-Sat1-Konzern gehört und sowohl in Los Angeles als auch in Berlin einen Hauptsitz hat. Studio71 fokussiert sich auf YouTube und ist auf dem Videoportal in Deutschland mit über 250 Kanälen und etwa 600 Millionen Videoaufrufen pro Monat nach eigenen Angaben Marktführer.

Wenn ein Künstler sagt, er möchte noch in einem Podcast oder im TV stattfinden, dann machen wir das möglich.

Nancy Julius, COO und Managing Director bei We Are Era

Die Möglichkeiten, die eine fragmentierte Medienwelt für Creator:innen bereithält, hat nicht nur ihre Unabhängigkeit sondern auch die Komplexität gesteigert. Die Algorithmen der Plattformen unterscheiden sich ebenso wie die Erlösquellen. Ein Video, das viral auf Tiktok geht, floppt vielleicht auf Facebook.

Eine große Agentur kann dieses Wissen besser bündeln als einzelne Creator:innen. „Wenn ein Künstler sagt, er möchte noch in einem Podcast oder im TV stattfinden, dann machen wir das möglich“, erzählt Julius, die Chefin von We Are Era.

Vom Influencer-Marketing zur Creator-Economy

Dass normale Personen zu eigenen Marken reifen, ist eine relativ neue Entwicklung. Beim Influencer-Marketing filmen Personen ihren Alltag und vermarkten Produkte. Content-Creator:innen erstellen und verkaufen originäre Inhalte. Scharf voneinander trennen lassen sich die Berufe aber nicht, der Übergang ist fließend.

„Creators erstellen eigene Inhalte und vermarkten diese, sie geben im Internet zum Beispiel Gitarrenunterricht. Das ist nicht bloß eine Werbeshow“, sagt Expertin Engels.

Fabian Grischkat zum Beispiel ist kein typischer Influencer. Der 22-jährige Wahlberliner erstellt Videos zu den Themen LBTGIQ*, Generation Z und Tierrechte. Er moderiert und hatte auch schon einen Podcast mit dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Telekom-Vorstand Thomas Sattelberger.

Fabian Grischkat erstellt in den Sozialen Medien kurze Clips zu gesellschaftspolitischen Themen.

© We Are Era/Lewis Jones

„Produktplatzierung funktioniert zwar noch auf Social Media, aber in meiner Sparte nimmt das immer weiter ab“, sagt er. Grischkat sieht sich nicht als Werbekörper, sondern als „Brückenbauer zwischen dem klassischen Journalismus und einer jungen Generation“. Er gießt Nachrichten in Kurzvideos und informiert so die jüngere Generation.

Einnahmen per Revenue-Sharing-Modell

Mit We Are Era arbeitet er seit 2021 zusammen. „Ich brauche Menschen, die mir unter die Arme greifen, etwa bei Vertragsabschlüssen. Und ich will vor komischen Angeboten geschützt werden“, erzählt er.

Geld verdient We Are Era unter anderem durch ein Revenue-Sharing-Modell. Bei dem teilt der Creator einen Teil des Umsatzes mit der Agentur. Darunter fallen etwa Markenkooperationen, Werbeerlöse und verkaufte Produkte. Den Satz vereinbaren die Vertragsparteien individuell.

Laut dem Nachrichtenmagazin „Business Insider“ kann ein mit Werbung bestücktes Video auf Youtube pro einer Million Aufrufe zwischen 3400 und 40.000 Dollar einbringen.

Diese Summen feuern den Starkult im Netz an. Statistiken zeigen, dass Kinder heute lieber Social-Media-Star als Astronaut:in werden möchten. Und die Creator-Economy dürfte nicht nur deshalb wachsen: Laut einer Umfrage von vergangenem Jahr sind immer mehr Nutzer:innen bereit, ein Abo für exklusive Inhalte auf Social Media abzuschließen. Ob lächerlich, grotesk oder lehrreich, hinter Inhalten im Internet steht mittlerweile ein Big-Business. Dieses finanziert nicht nur einzelne Creator:innen, sondern auch eine Vielzahl von Firmen, Agenturen und Dienstleistungsunternehmen.

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