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Schwerbehindertenvertreter Uwe Queck, Fachassistent Tony Völcker, Personalleiterin Anja Ullrich und Lutz Neumann, Geschäftsführer des Jobcenters Lichternberg (von links)

© Alena Schmick

Gemeinsam verschieden sein: Das Jobcenter Lichtenberg gewinnt den Berliner Inklusionspreis

Das Jobcenter Lichtenberg hat eine hohe Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung - und will sie diese sogar noch ausbauen. Ein Firmenporträt.

Von Andreas Monning

Seit das Jobcenter Lichtenberg 2005 eröffnet wurde, stehen dort die Zeichen auf Inklusion. Das Miteinander aller zu fördern ist hier Chefsache. „Der wertschätzende Umgang und die gegenseitige Akzeptanz gilt bei uns als Grundsatz und gehört zum Selbstverständnis in unserem Haus“, betont Geschäftsführer Lutz Neumann. „Inklusion heißt für mich vor allem: Gemeinsam verschieden sein.“ Inklusion sei der etwas sperrige Begriff für eine ganz einfache Idee: Menschen mit Behinderungen sind selbstverständlicher Teil der Gemeinschaft, ohne auf ihre Behinderung reduziert zu werden und können gleichberechtigt am Arbeitsleben teilhaben.

Gegenseitige Akzeptanz gehört zum Selbstverständnis in unserem Haus.

Lutz Neumann, Geschäftsführer

Da das bereits für Berufseinsteiger gilt, wurde auch Tony Völker Teil des Teams. Der Berliner ist gehbehindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. Um seine berufliche Zukunft hat er sich Sorgen gemacht, doch beim Jobcenter Berlin Lichtenberg kam seine Bewerbung gut an. „Damals bin ich hier in der internen Verwaltung als Teamassistent eingestiegen“, berichtet der 39-Jährige. Als sein Engagement auffiel und er sich als Kommunikationstalent entpuppte, schlug ihm sein Teamleiter im Sinne der Personalentwicklung einen Wechsel in die Eingangszone vor.

Nach einer halbjährigen Weiterentwicklung wechselte er als Fachassistent in den Empfangsbereich. „Der erste Anlaufpunkt im Jobcenter zu sein ist anspruchsvoll und höher vergütet“, erzählt Völker nicht ohne Stolz. Zu seinen Aufgaben gehöre, Anliegen der Besucher aufzunehmen, sie wenn möglich zu klären oder an die zuständigen Mitarbeiter weiter zu leiten.

Der Altbau musste barrierefrei umgebaut werden

Der Empfangsbereich musste dafür umgestaltet, eine rollstuhlgerechte Rampe installiert werden. „Wenn eine Maßnahme hilft, einen Mitarbeiter mit Behinderung in seiner Entwicklung zu fördern, wird sie bei uns ganz selbstverständlich umgesetzt“, betont Schwerbehindertenvertreter Uwe Queck. Das Jobcenter Lichtenberg, das rund 20.000 Bedarfsgemeinschaften mit knapp 40.000 Personen betreut, ist Mieter eines Altbaus. Um diesen barrierefrei zu machen, waren umfangreiche Umbaumaßnahmen unumgänglich.

„Doch der Vermieter zog mit. Heute sind sämtliche Eingänge barrierefrei, die Sanitäranlagen rollstuhlgerecht“, schildert Queck. Wo hilfreich, gebe es Podeste und Rampen, Türrahmen wurden verbreitert, Fahrstühle eingebaut. Zu den Maßnahmen, von denen auch die Besucher profitieren, gehört außerdem die Brailleschrift an Treppenaufgängen. Die Texte des Internetauftritts werden derzeit in leichte Sprache übersetzt, für Blinde hörbar gemacht, für Gehörlose die Videos mit Gebärdensprache untertitelt.

„Und selbstverständlich wurde umfassend in die Arbeitsplätze der Mitarbeitenden investiert“, führt Personalleiterin Anja Ullrich fort, die auch Inklusionsbeauftragte ist. Zur standardmäßigen Ausstattung gehören mittlerweile elektrisch höhenverstellbare Schreibtische, um orthopädischen Beschwerden vorzubeugen mit ergonomischen Tastaturen, Mäusen und Mousepads ausgestattet.

Dazu kommen zur Seh-Erleichterung größere Monitore nebst Lupen, außerdem ergonomische Bürodrehstühle. Außerdem wurden möglichst nahe am Gebäude mehrere Behindertenparkplätze eingerichtet. Werden weitere Hilfsmittel gebraucht, informieren Mitarbeiter ihre Teamleitung, alles Notwendige könne ohne Probleme besorgt werden.

Wie konsequent Inklusion im Jobcenter Lichtenberg umgesetzt wird, illustrieren zahlreiche Fallbeispiele. Nach langer Krankheit wurde etwa der Arbeitsplatz einer Mitarbeiterin so angepasst, dass sie trotz erheblicher körperlicher Einschränkungen wieder selbstständig ihrer Arbeit nachgehen konnte. Geholfen hat dabei das Arbeitsplatzanalyseprotokoll eines technischen Beraters, nach dessen Vorschlägen eine Sehhilfe für den PC angeschafft wurde, ein Luftbefeuchter sowie eine Vergrößerungs-Software.

Tony Völcker mit Schwerbehindertenvertreter Uwe Queck an seinem Arbeitsplatz.

© Alena Schmick

Dazu wurde ein direkter Parkplatz vor dem Haus organisiert und ihre Arbeitszeit auf Teilzeit verkürzt. „Unser Jobcenter lebt Inklusion“, freut sich die Personalleiterin. „Für die Zukunft wünsche ich mir, dass sich noch mehr Beschäftigte gerade mit nicht sichtbaren Behinderungen, wie zum Beispiel psychischen Beeinträchtigungen, trauen, sich zu öffnen.“

Und auch Zahlen und Fakten bestätigen die konsequenten Inklusionsbemühungen. Von 521 Beschäftigten im Jobcenter Lichtenberg sind aktuell 54 schwerbehindert oder gleichgestellt, die Schwerbehindertenquote von über zehn Prozent (gefordert sind mindestens fünf) wird seit Jahren gehalten. Inzwischen gibt es eine Inklusionsvereinbarung, ein Inklusionsfachdienst ist unterstützend an Bord, ein Betriebliches Gesundheitsmanagement sorgt für umfassende Gesundheitsförderung und ein Betriebliches Eingliederungsmanagement begleitet nach langer Krankheit den Weg zurück in den Beruf.

Der Inklusionspreis für das Jobcenter würdigt auch das Bemühen, den Inklusionsgedanken in seiner ganzen Weite zu leben. Das heißt auch, Menschen mit verschiedensten kulturellen Hintergründen und Persönlichkeiten einzubeziehen. „Wir haben 47 Beschäftigte, die teils muttersprachliche Kenntnisse in zehn verschiedenen Sprachen haben und diese auch für Übersetzungen einsetzen“, sagt Anja Ullrich.

Um diese Vielfalt in der Behörde zu fördern und sichtbar zu machen, sei man auch der Charta der Vielfalt beigetreten, einer bundesweiten Unternehmensinitiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutionen. In diesem Zuge ist auch der Arbeitskreis „Die Vielfältigen“ entstanden, der regelmäßig Kommunikationsmaßnahmen entwickelt und umsetzt. Als Willkommenssignal für neue und potentielle Mitarbeiter entstand zuletzt eine einladende Begrüßungskarte. „Unser Ziel ist, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, an dem jeder Mensch so teilhaben kann, wie er ist“, bringt es Uwe Queck auf den Punkt.

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