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Pickelhaube der preußischen Armee.

© IMAGO/Shotshop/IMAGO/moveproduction

Kühler Kopf 1878: Ein Belüftungssystem für die preußische Pickelhaube

In Folge 22 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte geht es um ein sehr spezielles Patent für Preußens Militär.

An dem heißesten Tag im Jahr 2022 stöhnten viele Berliner. Mehr als 37,5° Celsius zeigte das Thermometer. Dieses Jahr werden wir diese Werte möglicherweise übertreffen. Was man bei der Hitze vor allem braucht, sind Wasser und eine Kopfbedeckung. Eine aus leichtem Stoff oder Stroh bietet sich an. Ein Helm aus dicht gepresstem Leder, wie die Pickelhaube, eher nicht.

Die war im wilhelminischen Kaiserreich der 1870er Jahre aber eine recht alltägliche Kopfbedeckung. Im Hochsommer müssen Zollbeamte, Polizisten und Soldaten gelitten haben.

Windrad in der Haube

Laut „Berliner Adress-Buch von 1879“ wohnte ein potenzieller Retter, Gustav Niemann, in der Admiralstraße 15. In der Nähe gab es mehrere Kasernen – es ist also nicht unwahrscheinlich, dass der gelernte Ingenieur hier eine Gelegenheit sah, seine Erfindung, eine Ventilationseinrichtung an Kopfbedeckungen, an das Militär zu verkaufen.

Es ist aber auch gut möglich, dass Herr Niemann der sich mit Lüftungen gut auskannte. Über sein Leben ist leider nichts weiter bekannt. Vielleicht wollte er einfach nur allen verschwitzten Hutträgern zur Seite stehen.

Seine Erfindung sollte ihr Leiden mildern, indem die Luftzirkulation zwischen dem inneren Raum der Kopfbedeckung und der Umgebung ermöglicht werden sollte. Ein kleines, zehn-flügeliges Windrad „aus einer festen und leichten Masse“ sei im höchsten Punkt der Kopfbedeckung einzubringen, schlug er vor. Das Lederschweißband – das die Pickelhaube fest auf dem Kopf sitzen ließ – sollte an regelmäßigen Abständen Öffnungen bekommen. Danach wurden die verbliebenen Lederteile mithilfe eines Drahts wieder miteinander verbunden.

Diesmal jedoch konnte die Luft durch die Öffnungen ein- und aus strömen und im Inneren der Pickelhaube zirkulieren. Das rotierende Windrad oben auf der Kopfbedeckung sollte helfen, die „Ausdünstung“ nach draußen zu befördern.

Die verhinderte Zugluft im Helm „conservierte“ die Haare und wirke gegen Rheumatismus, Ohnmacht und Sonnenstich, behauptete Niemann. In der Presse wurde leider nicht von einem Durchbruch berichtet.

Alkohol hilft vielleicht auch

Sechs Monate später aber meldeten die Herren Block und Günther ihr eigenes Patent zum Thema an: Patent Nr. 6073 für einen „Kranz von Schwämmen – beim Soldaten genügen einige Tropfen Branntwein, der verdunstet und Kälte erzeugt“, behaupteten sie. Ob die Schwämme halfen? Ungewiss.

Beim Branntwein könnte man bestimmt eine leichte, wenn vorübergehende, Milderung feststellen. Und heute? Wie die Datenbank des Europäischen Patentamtes zeigt, ist das Rennen um das Ziel, die Häupter vom Haubenträgern optimal zu ventilieren, noch nicht entschieden. Wenn die Hitze kommt, helfen am besten ‘n kühles Blondes und ‘ne gute alte Zeitung als Handfächer. Komplett patentfrei.

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