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Auch in der Kritik. Das geplante „Digitale Medienhaus“ des rbb, dessen Kosten sich in der Planungsphase schon mehr als verdoppelt haben sollen.

© Baumschlager Eberle Architekten

Turbulenzen um den RBB: „Das Aus für das digitale Medienhaus ist ein Fehler“

Das Architektenbüro Baumschlager Eberle hatte das neue Sendezentrum des RBB konzipiert. Dessen Geschäftsführer argumentiert hier, warum man den Plan nicht beerdigen sollte.

Ein Gastbeitrag von Gerd Jäger

Mit dem Ende der Turbulenzen an der Spitze des rbb wurde auch die Planung des Neubaus eines einzigartigen, modernen und hochinnovativen Digitalen Medienhauses (DMH) eingestellt. In zahllosen Wiederholungen wurde nahezu ein halbes Jahr lang über die Intendantin, über mögliche mangelhafte Kontrollmechanismen, über die Tätigkeit von Aufsichtsgremien, über die Verantwortung und Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Allgemeinen und des rbb im Besonderen vorgetragen.

Das geplante DMH, mit ein Auslöser der Medienaffäre, wurde dabei sehr wenig auf seine grundsätzliche Programmierung, seine Funktionen und ihre Umsetzung besprochen. Vielmehr wurde die hohe Komplexität der Aufgabe und deren Umsetzung in einem Neu- und Erweiterungsbau reduziert auf das Momentum vermeintlich exorbitant steigender Baukosten.

Nahezu jede neue Veröffentlichung schien davon motiviert zu sein, die zuvor genannten Summen in den Schatten zu stellen. Substantiierte Kostenermittlungen und -diskussionen sehen anders aus. Nicht davon gesprochen wurde, dass dem im Jahre 2020 durchgeführten internationalen Ideen- und Realisierungswettbewerb ein über mehrere Jahre von unterschiedlichen rbb-internen und -externen Gremien erarbeitetes und beschlossenes Werk, das Fragen zum grundsätzlichen Bedarf, zum Standort, zur Größe des Projektes und dessen Machbarkeit, ebenso wie zum konkreten Raum- und Funktionsprogramm gestellt und geklärt hatte, vorlag.

Der Newsroom wurde im Entwurf von Baumschlager Eberle Berlin im Erdgeschoss vorgesehen.

© Baumschlager Eberle Architekten Berlin, Berlin©bloomimages Berlin

Um dies zu realisieren wurde ein Gebäude gesucht, das den schnell wachsenden hohen Anforderungen an eine moderne Medienwelt gewachsen ist, das den Mitarbeitern und dem Sender Perspektive und Zukunftsfähigkeit ermöglicht. Dabei sollten, mit Stadtplanung und Denkmalpflege detailliert abgestimmt, die Bestandsbauten, wo immer möglich, erhalten bzw. in den Neubau integriert werden.

Der Versuch eines Neuaufbruchs ist in weite Ferne gerückt.

Gerd Jäger, Architekt (Baumschlager Eberle Berlin)
Das Haus des Rundfunks an der Masurenallee wurde 1932 nach den Entwürfen des Architekten Hans Poelzig fertiggestellt.

© imago/Jürgen Heinrich

Natürlich schreiben sich Aufgabenstellung und Programmierung im Laufe eines mehrjährigen Planungsprozesses fort. Das ist sinnvoll und kann nicht zuletzt aus ökonomischer Sicht geboten sein. Beim Medienhaus kam zwischendurch die Frage auf über eine mögliche Einbeziehung der Rundfunkorchester (Deutsches Symphonie-Orchester Berlin und Rundfunk Sinfonieorchester Berlin) und der Chöre (Rundfunkchor Berlin und RIAS Kammerchor Berlin), alle zusammen: „ROC“ genannt. Und zwar an den Stellen, an denen einst Werkstätten und Studios betrieben wurden, die bereits heute, vermehrt aber in Zukunft nur noch bedingt benötigt werden.

Zudem sind diese Überlegungen energetisch sinnvoll da die Umnutzung in leerstehenden Räumen möglich gewesen wäre und somit ein Neubau an anderer Stelle hätte vermieden werden können.

Der Versuch eines Neuaufbruchs ist in weite Ferne gerückt

Auch wurde in die Neubauplanung des DMH die dringend gebotene Ertüchtigung des Brandschutzes in einem anderen Gebäudetrakt, die Herstellung der Barrierefreiheit insgesamt, die Umplanung nicht mehr genutzter Arbeits-, Werk- und Studioräume sowie die Auswechselung schadstoffbelasteter Bauteile einer innen wie außen in die Jahre gekommenen, jedoch unbedingt erhaltenswerten Bausubstanz, mit aufgenommen. Und natürlich sollte in diesem Zuge die Teilerneuerung der energetisch kostentreibenden Bestandsfassaden aus den 1960er-Jahren sinnhafterweise mit in die Planung aufgenommen werden.

Diese einmalige und besondere Arbeit ist mit dem schlagartigen Aus des Projektes nunmehr vollkommen umsonst gewesen. Das über Jahre gemeinsam entwickelte geistige Gut ist für den Sender ebenso verloren wie sämtliche damit verbundenen Kosten der Vorbereitung und der Durchführung der Planung. Die vorgenannten Probleme, Mängel und Defizite bestehen nun weiter. Und sie werden von Tag zu Tag größer.

Die breite Diskussion wurde ohne nachvollziehbaren konkreten Bezug zu den Baukosten geführt. Mögliche Optimierungspotentiale wurden nicht weiter diskutiert.

Mit dem Ausscheiden der ehemaligen Intendantin Patricia Schlesinger war der Prüfauftrag, die Kosten betreffend, beendet. Als Architekt weiß ich, dass sehr gute Gebäude und damit verbunden sehr gute Arbeitswelten eine der Voraussetzungen für beste Arbeitsergebnisse sind.

In der Bewerbung des vor zwei Jahren eröffneten Axel-Springer-Neubaus in Berlin-Mitte, der das geplante Digitale Medienhaus des rbb um ein Vielfaches in Größe und Programmatik übertrifft, heißt es u. a.: „Um in einer Zeit dynamischer, sich permanent verändernder Nachrichtenlagen dem Publikum überzeugende Live-Berichterstattung mit bestmöglichem Journalismus zu bieten, ist maximale Flexibilität wichtig.“ Diesem Anspruch an moderne crossmediale Berichterstattung werden die vor 100 bzw. vor 60 Jahren errichteten Bauten an der Masurenallee bei weitem nicht mehr gerecht. Der Versuch eines Neuaufbruchs ist in weite Ferne gerückt.

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