zum Hauptinhalt
Bernd Wölfel und Alexandra Koch in der SEV-Zentrale der Bahn. Hier werden die Ersatzbusse für den Nord-Süd-Tunnel koordiniert.

© David Heerde / David Heerde

Eine Firma nur für den Ersatzverkehr: Wenn die Bahn in Berlin Bus fahren muss

Schienenersatzverkehr wie zurzeit bei der S-Bahn ist für Kunden lästig – und für die Bahn aufwändig. Seit 2019 kümmert sich eine DB-Tochter nur darum.

Im gemütlichen Teil von Berlin-Wilmersdorf befindet sich die Zentrale, aus der der ungemütliche Teil des öffentlichen Nahverkehrs organisiert wird: Wo sich Einfamilienhäuser zwischen Altberliner Blockrandbebauung behaupten und der Betriebshof des alteingesessenen Busunternehmens BEX befindet, residiert die SEV GmbH.

Rund um die Uhr koordiniert die Mitte 2019 gegründete Tochter des DB-Konzerns sämtlichen Schienenersatzverkehr in Deutschland. Zurzeit ist für Berlin besonders viel zu tun: Die sechswöchige Sperrung des Nord-Süd-Tunnels der Berliner S-Bahn gehört im Wortsinn zu den größten Baustellen, die hier zu kompensieren sind: 250.000 Fahrgäste steigen sonst täglich an einem der gesperrten Bahnhöfe ein oder aus.

Die Dimension zeigt sich schon an den Zahlen, die Geschäftsführer Bernd Wölfel nennt: 23 Unternehmen mit etwa 50 Gelenkbussen sind auf den beiden Ersatzlinien zwischen Südkreuz/Schöneberg und Friedrichstraße sowie zwischen Friedrichstraße und Nordbahnhof unterwegs.

120 Fahrerinnen und Fahrer werden für die fast rund um die Uhr und teils im Dreiminutentakt fahrenden Busse gebraucht. Zwar hat die Bahn - beispielsweise durch das vor Jahrzehnten übernommene Unternehmen BEX – auch eigene Kapazitäten, aber nicht in solcher Größenordnung. Und die Marktlage bei Gelenkbussen und Fahrpersonal ist gleichermaßen schwierig.

Falls das Telefonnetz ausfällt, stehen Handys bereit.
Falls das Telefonnetz ausfällt, stehen Handys bereit.

© David Heerde / David Heerde

Entsprechend lang ist der Planungsvorlauf: Nach ersten Besprechungen mit der Berliner Verkehrsverwaltung seit Oktober 2020 begannen vor einem Jahr Planung und Abstimmungen mit dem Verkehrsverbund VBB sowie mit BVG und DB Regio, damit zumindest nicht gleichzeitig auf parallelen Strecken gebraut wird.

Es gibt Spitzentage, an denen sie keinen einzigen Bus oder Fahrer bekommen.

Bernd Wölfel, Geschäftsführer der SEV GmbH

Die Havarie auf der U2 war damals natürlich nicht absehbar. Sie kam erst im Oktober hinzu, als die SEV GmbH das finale Konzept fertigstellte, zu dem auch die Verstärkung des Rings gehört, damit Fahrgäste eine Alternative zu den naturgemäß langsameren Bussen haben.

Jetzt sitzt eine Kollegin in der Leitstelle vor zwei riesigen Bildschirmen und hat dezidiert den Nord-Süd-Tunnel-Ersatzverkehr im Blick. Auf einem Stadtplan bewegen sich die Busse in kleinen Sprüngen vorwärts. Es sind etwa gleich viele grün und rot markierte an diesem Mittwochvormittag. Grün bedeutet pünktlich, rot verspätet. Ein roter rollt gerade mit +15 zum Bahnhof Friedrichstraße, an Bord mutmaßlich schwer genervte Fahrgäste.

Die Berliner City ist eben stauträchtig; die Teilung des Ersatzverkehrs in einen nördlichen und südlichen Abschnitt soll übermäßigen Verspätungen vorbeugen. Vorzeitig umgekehrt, um wieder in den Takt zu kommen, werde aber auch bei übermäßigen Verspätungen nicht, versichern die Leute in der Leitstelle.

Zumindest dieses Ärgernis, das S-Bahn-Fahrgäste gelegentlich ereilt, bleibt der Kundschaft im Ersatzverkehr also erspart. Schwierigkeiten gibt es gerade in den ersten Tagen großer Ersatzverkehre auch so genug, wenn etwa Haltestellen zugeparkt sind. Mit dem Abschleppdienst der BVG kooperiert die SEV GmbH nach Auskunft von Wölfel bisher nicht.

Absehbar schwierige Strecken würden vorab probehalber abgefahren. Ansonsten seien die beauftragten Unternehmen verpflichtet, ihr Personal zur Route zu schulen. Notfalls zeigt eine App auf dem Diensthandy Fahrplan und Navi zugleich. Und nicht immer bedeuten auswärtige Nummernschilder am Bus auch auswärtiges Personal.

Am Nachbarplatz in der Leitstelle klappert eine Kollegin gerade Busunternehmen in Sachsen-Anhalt ab, um Zugausfälle wegen einer Weichenstörung zu ersetzen. Bus-Notverkehr heißt das; im Unterschied zum SEV wird der sofort gebraucht. Vier Körbe hat die Kollegin schon bekommen, drei Rückmeldungen stehen noch aus. Wenn die Krankenstände nicht allzu hoch seien, finde sich meist ad hoc eine Lösung, sagt sie.

Aber „es gibt Spitzentage, an denen sie keinen einzigen Bus oder Fahrer bekommen“, berichtet Wölfel, zu Ostern beispielsweise. Aber bis dahin soll zumindest der Nord-Süd-Tunnel in Berlin wieder frei sein: Am Abend des 17. Februar sollen die ersten Züge rollen. Und die Ersatzbuskarawane zieht weiter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false