zum Hauptinhalt
In der Fertigung in Hennigsdorf arbeiteten zuletzt immer weniger Beschäftigte.

© Tsp/Jörn Hasselmann

Zukunft für Hennigsdorf: Kein Stellenabbau bei Alstom

Der französische Bahnhersteller verständigt sich mit den Arbeitnehmern auf ein Zukunftskonzept ohne massiven Stellenabbau.

Geld für Arbeitsplätze: Der französische Bahnhersteller Alstom gibt seine Pläne zum Abbau von bis zu 1300 Arbeitsplätze in den deutschen Werken auf. Dafür verzichten die gut 9000 Beschäftigten, davon etwa 2000 im brandenburgischen Hennigsdorf, auf 34 Millionen Euro im Jahr. Wie es am Montag in Konzernkreisen hieß, kommt das Geld ausschließlich über den Verzicht auf Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld und Pensionszuschüsse zustande. Das monatliche Einkommen der Beschäftigten werde nicht angetastet. Und falls bestimmte betriebswirtschaftliche Kennziffern im Laufe der Zeit erreicht werden, bekommen die Beschäftigten die zuvor einbehaltenen Sonderzahlungen nachträglich doch noch ausgezahlt.

Alstom hatte den kanadischen Bahnhersteller Bombardier Anfang 2021 für fünf Milliarden Euro gekauft. Dazu gehörten rund 6000 Beschäftigte, die sich auf mehr oder weniger moderne Standorte in Ost und West verteilen. Hennigsdorf im Norden Berlins ist mit rund 2000 Mitarbeitenden das Entwicklungszentrum und spezialisiert auf den Bau von Prototypen und Testfahrzeugen; Kassel fungiert als Produktionsleitwerk für Loks, in Braunschweig ist die Signal- und Steuerungstechnik ansässig und Drehgestelle werden in Siegen gebaut. Görlitz, ein Standort mit 170-jähriger Tradition, hat sich auf den Rohbau von Wagenkästen spezialisiert, und das moderne Werk in Bautzen auf den Innenausbau. Bautzen gilt als Ausnahme, da die Kanadier dort investierten. Görlitz dagegen hat den Ruf eines Industriemuseums.

34
Millionen Euro zahlen die Beschäftigten für sichere Arbeitsplätze

Vom avisierten Stellenabbau wären die ostdeutschen Werke am stärksten betroffen gewesen. In Hennigsdorf wollte Alstom 400 Arbeitsplätze abbauen, in Görlitz 300 bis 400, in Bautzen 100 bis 150 und im Berliner Headquarter 50 bis 100. „In den vergangenen Jahren wurde nicht auf Marktveränderungen mit Anpassungen der Kapazitäten reagiert“, hatte Müslüm Yakisan argumentiert, der bei Alstom die deutschsprachige Region führt. „Das müssen wir jetzt machen.“ Vor allem die Produktionen in Hennigsdorf und Görlitz seien entbehrlich, hieß es im Konzern. Die Arbeitnehmervertretern setzten ein eigenes Konzept dagegen.

Müslüm Yakisan führt die Alstom-Geschäfte im deutschsprachigen Raum.

© Alstom/Arnaud Février

Vor allem mit Investitionen könnte binnen drei Jahren die Produktivität aller Standort um ein Fünftel erhöht werden, hat die IG Metall von einer Beratungsfirma ermitteln lassen. Für jedes Werk wurden dazu konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, allein für Görlitz waren das 100. Darauf hat sich Yakisan schließlich eingelassen. „Die Einigung auf einen Zukunftstarifvertrag ist ein echter Meilenstein für Alstom in Deutschland“, ließ der Alstom-Manager in einer Mitteilung zitieren. „Damit sind die Weichen für mehr Wettbewerbsfähigkeit erfolgreich gestellt.“

Seit mehr als einem Jahr bewegten sich die Gespräche zwischen dem Ziel des Managements, bis zu 1300 der gut 9000 Arbeitsplätze zu streichen, und einem Alternativkonzept von IG Metall und Betriebsrat. Danach würde die Produktivität binnen drei Jahre um 20 Prozent erhöht. Wird das Ziel verfehlt, verzichten die Beschäftigten auf Einkommen. Mit diesem „Versicherungsmodell“, das ein Gesamtvolumen von bis zu 140 Millionen Euro angelegt war, versuchten die Arbeitnehmervertreter die Bedenken und das Misstrauen der französischen Konzernmutter aufzulösen. Das Alstom-Management möchte rund zwei Drittel der Wertschöpfung an kostengünstigeren Standorten in Polen und Tschechien sehen; mit entsprechenden Folgen für die traditionsreichen Werke in Görlitz, Bautzen und Hennigsdorf. 

In der letzten Verhandlungsnacht, die sich bis Sonnabend um fünf Uhr hinzog, hat sich die IG Metall dann offenbar mit ihrem Produktivitätsmodell durchgesetzt. Mit dem neuen Zukunftstarifvertrag werden nun Zielbilder und Investitionen für jeden Standort festgeschrieben. Zudem sagte der Konzern zu, mindestens zwei Prozent des Umsatzes in Deutschland auch in die deutschen Werke zu investieren. Was das genau für Hennigsdorf bedeutet, blieb am Montag offen. Die gesamte Vereinbarung steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die IG-Mitglieder in den Alstom-Werken.

Alstom ist nach der Bombardier-Übernahme der größte Schienenfahrzeughersteller nach der chinesischen CRRC und vor Siemens Mobility. Ursprünglich wollten Alstom und Siemens Mobility fusionieren, doch die EU-Kommission untersagte das Vorhaben. Daraufhin orientierten sich die Franzosen neu und übernahm die seit vielen Jahren kriselnde Schienenfahrzeugsparte von Bombardier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false