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Lokalparlamente vor der Berlin-Wahl : In vielen Bezirken kippeln die Mehrheiten
Die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen werden spannend. Denn die Mehrheitsverhältnisse in einigen dieser kommunalen Vertretungen sind wacklig.
Stand:
Am Sonntag wurde nicht nur das Abgeordnetenhaus (AGH) neu gewählt, sondern auch die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen (BVVen). Sie entscheiden über vieles, was die Berlinerinnen und Berliner in ihrem direkten Lebensumfeld betrifft. Es wird spannend, wie sich die kommunalen Vertretungen künftig zusammensetzen. Denn die derzeitigen Mehrheitsverhältnisse in einigen Bezirken sind ziemlich wacklig.
Eine Besonderheit im Vergleich zur Landesebene gibt es: Die Bezirksbürgermeister und Stadträte bleiben trotz der Wiederholungswahl auf ihren Posten, weil sie sogenannte Wahlbeamte sind. Sie können nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit durch die BVVen abgewählt werden - was in den meisten Fällen sehr unwahrscheinlich ist.
Nachfolgend schildern unsere Kollegen und Kolleginnen, die die wöchentlich erscheinenden Bezirksnewsletter des Tagesspiegels schreiben, die Ausgangssituation in allen zwölf Berliner Bezirken.
Mitte

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Die Grünen bleiben stärkste Kraft in Mitte. Die Partei der Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger kommt nach ersten Auszählungen auf 28,7 Prozent der Stimmen. Das sind kaum weniger als 2021 und ein deutlicher Vorsprung. Im Bezirk wohnen viele ihrer Stammwähler, deshalb hatten die Grünen nicht viel zu befürchten. Bemerkenswert ist das Abschneiden der CDU, die sich von 13 auf knapp 20 Prozent verbessern konnte.
Die SPD ist nicht mehr zweitstärkste Partei und landet bei 16 Prozent. Ein historisch schlechtes Ergebnis für die Sozialdemokraten, die vor allem in Arbeitervierteln wie Wedding jahrzehntelang erfolgreich waren. Momentan stellt die Partei zwei Stadträtinnen im Bezirksamt, die CDU nur einen. Linke (15,9) und FDP (4,6) verlieren leicht. Die AfD legt etwas zu (5,4). (Julia Weiss)
Friedrichshain-Kreuzberg

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Die Grünen sichern sich ihren Stammbezirk. Die Fraktions-Sprecher:innen sehen darin ein klares Votum für einen „offenen, bunten und toleranten“ Bezirk, der „Klimaschutz und Verkehrswende ernst nimmt“. Die Linken bleiben auf dem zweiten Platz mit gewohntem Abstand (13 Prozent). Die SPD, Bündnispartner der Grünen, lieferte sich mit der CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Nur knapp landete die CDU auf dem vierten Platz. Eine große Überraschung, denn die CDU hatte bei den vorherigen Wahlen stets stagniert.
Ob der berlinweite Trend oder der Einsatz der Christdemokrat:innen gegen das Verkehrsexperiment Graefekiez ohne private Parkplätze ein Grund für den Stimmenzuwachs ist, ist noch unklar. Die FDP schaffte es nur noch knapp über die 3-Prozent-Hürde. Auch die „Partei“ verliert leicht, die AfD legt minimal zu. (Corinna von Bodisco)
Pankow

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Auch in Pankow schlug sich der Gesamtberliner Trend nieder: Die CDU gewann massiv – Rot, Rot und Grün verloren teils deutlich. So lag die CDU nach etwa zwei Drittel der ausgezählten Stimmen bei 20,5 Prozent – bei der Pannen-Wahl 2021 waren es nur 12,3. Das wäre Platz zwei hinter den Grünen, die zwar 1,1 Prozentpunkte verloren, aber mit 23,6 Prozent weiterhin die stärkste Kraft bilden.
Die AfD kletterte nach zuletzt 7,8 wieder auf 9,3 Prozent. Weiter geht dagegen der Abstieg der Sozialdemokratie in Berlins einwohnerstärkstem Bezirk. Nach 20 Prozent bei der letzten regulären Wahl und 17,1 Prozent 2021 kam die SPD nur auf 14,8 Prozent. Die Linke fiel etwas weniger deutlich auf 17,9 Prozent (-1,5 im Vergleich zu 2021)
Charlottenburg-Wilmersdorf

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Erstmals seit der Entstehung des gemeinsamen Bezirks aus Charlottenburg und Wilmersdorf im Jahr 2001 ist die CDU die stärkste Kraft. Nach der Auszählung in allen 361 Wahlgebieten erhält sie 32,5 Prozent der Stimmen. Es folgen die Grünen (23 Prozent), die SPD (22,3 Prozent), die Linken (6,5 Prozent), die FDP (5,9 Prozent) und die AfD (5,1 Prozent).
Der Erfolg der CDU muss nicht bedeuten, dass ihre Spitzenkandidatin Judith Stückler zur Bezirksbürgermeisterin wird. Soweit bisher bekannt, will Amtsinhaberin Kirstin Bauch (Grüne) nicht zurücktreten. Für ihre Abwahl wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Die langjährige Zählgemeinschaft der Grünen und der SPD dürfte fortbestehen. Beide haben keine Mehrheit, können aber hoffen, wie schon im Jahr 2021 von den Linken „toleriert“ zu werden. Zusammen kommen die drei Fraktionen auf die meisten Sitze in der BVV. (Cay Dobberke)
Spandau

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Im Rathaus Spandau hat die CDU auf Bezirksebene weiter zugelegt, wie schon 2021. Bürgermeisterkandidat Frank Bewig kam kurz nach 23 Uhr sogar auf knapp 40 Prozentpunkte. Fast alle anderen haben im Rathaus gegenüber 2021 verloren: die SPD (-4,4), Grüne (-1,9), Linke (-1,2), FDP (-3,4), selbst die Sonstigen (-2,1).
FDP und Linke mussten am Abend sogar um den Einzug in die BVV bangen und wurden von der Tierschutzpartei überholt. Drittstärkste Kraft noch vor den Grünen bleibt die AfD. Der große Gewinner bleibt Rathaus-Vize Frank Bewig von der CDU (+13).
Unaufgeregter Typ mit klarer Wortwahl, zuletzt Stadtrat für Schule, Sport und Kultur – und damit dauernd in Kontakt mit CDU-Klientel. Die SPD mit der eher unauffälligen und stillen Bürgermeisterin Carola Brückner kommt auf gerade mal knapp die Hälfte (23 Prozent). Wird die Bürgermeisterin im März in der nächsten BVV mit Zweidrittelmehrheit abgewählt – oder macht sie vorher den Weg frei? (André Görke)
Steglitz-Zehlendorf

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„Die CDU hat die Wahl klar gewonnen”, sagt CDU-Kreischef Stephan Standfuß: „Ich hoffe, dass die anderen Parteien das auch so akzeptieren”. 36,7 Prozent (+9,4) hat die Bezirks-CDU erreicht, die zweitplatzierten Grünen sind mit 21,6 (-0,8) deutlich abgeschlagen.
Fast drei Prozent verliert die SPD und kommt nur noch auf 18,8 Prozent. Ähnlich groß ist auch der Verlust der FDP: Die Liberalen bringen noch 6,6 Prozent auf die politische Bezirks-Waage.
Die AfD liegt bei 5,4 Prozent, die Linken bei 4,6 Prozent. Durch die Verluste der SPD und FDP wackelt die Mehrheit der seit 14 Monaten regierenden ersten Ampel-Zählgemeinschaft des Bezirks: Statt auf 53,6 Prozent (2021) kommt das Dreierbündnis nun nur noch auf 47 Prozent. Im Bezirksamt könnte es bei je zwei Posten für CDU, Grüne und SPD bleiben. (Boris Buchholz)
Tempelhof-Schöneberg

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Siegerin bei der BVV-Wahl ist die CDU – mit deutlichem Vorsprung. CDU-Mann Matthias Steuckardt war explizit als Bürgermeisterkandidat angetreten, obwohl vor der Wahl davon ausgegangen wurde, dass die Posten im Bezirksamt nicht neu verteilt würden, da für die Abwahl eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig ist.
Die Frage ist nun, welche Konsequenzen die Parteien ziehen, ob sie sich entsprechend verständigen. Der bisherige Grünen-Bürgermeister Jörn Oltmann konnte sein Ergebnis halten, aber durch die starken Verluste der SPD ist die Mehrheit der grün-roten Zählgemeinschaft verloren. Der Wahltag zeigt deutlich, der Bezirk ist politisch gespalten. Der Altbezirk Tempelhof ist schwarz, Schöneberg grün, ebenso wie Friedenau, obwohl dort der SPD-Kandidat das Direktmandat für das Abgeordnetenhaus holte. (Sigrid Kneist)
Neukölln

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In Neukölln verzeichnet das stärkste Wachstum im Vergleich zur Wahl 2021 die CDU. Sie erhielt 27,2 Prozent der Stimmen. Mit einem Zuwachs von 10,4 Prozentpunkten löst die Partei die SPD als stärkste Fraktion in der BVV ab. Zweitstärkste Fraktion wird die SPD, welche große Verluste einfuhr: Auf sie entfielen 24 Prozent der Stimmen, 4,7 Prozent weniger als bei der ersten Wahl.
Das Ergebnis der Grünen hat sich mit 17,2 Prozent um 0,4 Prozentpunkte verschlechtert. Eine leichte Verschlechterung um 0,7 Prozent gab es zudem bei der Linken. Sie erzielte 14,3 Prozent. Die AfD verzeichnet mit 7,5 Prozent ein leichtes Plus von 0,4 Prozentpunkten. Die FDP verpasst mit 2,6 Prozent den Einzug in die BVV. (Masha Slawinski)
Treptow-Köpenick

© SPD Berlin
Das Ergebnis auf Landesebene spiegelt sich in Treptow-Köpenick wider. Die CDU hat ihre Stimmen um etwa zehn Prozent steigern können. Die SPD hingegen verzeichnet Verluste um etwa drei Prozent. Im Ergebnis liegen beide Parteien fast gleichauf mit derzeit 22,4 bzw. 23,2 Prozent. Leicht gewonnen um etwa zwei Punkte hat die AfD auf 14,1 Prozent. Linke (15,5 Prozent), Grüne (12,3 Prozent) und FDP (3,4 Prozent) verzeichnen hingegen leichte Verluste.
Dennoch wird Bezirksbürgermeister Oliver Igel vermutlich auch weiterhin auf die bestehende Zählgemeinschaft aus SPD, Grünen und Linken setzen können. Wenn es zu knapp wird, müssten gegebenenfalls noch weitere Verordnete kleinerer Parteien ins Boot geholt werden. Denn auch die Tierschutzpartei zieht trotz minimaler Verluste wieder in die BVV ein (3,5 Prozent). (Simone Jacobius)
Marzahn-Hellersdorf

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Auch in Marzahn-Hellersdorf hat die CDU die Mehrheit der Stimmen geholt. Mit über zehn Prozent mehr Stimmen als 2021 kommt sie nach aktuellen Hochrechnungen auf 31,5 Prozent. Der Abstand zur SPD, die bisher mit Gordon Lemm den Bezirksbürgermeister stellt, beträgt über 14 Prozent. (Stand: 23.16 Uhr). CDU-Spitzenkandidatin Nadja Zivkovic strebt nun das Amt der Bezirksbürgermeisterin an, sagte sie dem Tagesspiegel. "Bei einem Abstand von über zehn Prozent sehe ich keinen Diskussionsbedarf."
Allerdings haben SPD, Linke und Grüne zusammen mehr Stimmen. Es dürfte der CDU schwerfallen, ohne FDP – die vermutlich den Einzug verpasst – und AfD eine Mehrheit hinter sich zu bringen. Zuletzt hieß es zudem, der Bezirksbürgermeister könne nur mit Zweidrittelmehrheit abgewählt werden. (Johanna Treblin)
Lichtenberg

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Die Linken-Hochburg Lichtenberg geht an die CDU – ein historisches Wahlergebnis, denn die Linke war hier seit 1995 dominierend. Doch seit Jahren verlieren die Genoss:innen Stimmen, schon 2021. Nun wurden sie von der CDU überholt.
Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe gab es kein klares Ergebnis: 23,9 Prozent für CDU, 23,1 für die Linken, gefolgt von 15,3 für SPD. Die AFD kam auf 13,9, die Grünen auf 11,7 Prozent und drei Prozent für die FDP.
Linke, SPD und Grüne bilden in der BVV eine Zählgemeinschaft. Die CDU wird nun mehr Ansprüche stellen. Mit der AfD hat bisher keine Fraktion zusammengearbeitet.
Die CDU holt sich die Wahlbezirke am Stadtrand: Warten- und Falkenberg, Malchow, Neu-Hohenschönhausen. Auch im Wahlkreis 3, Alt-Hohenschönhausen, kommt die CDU dichter an die Linke heran. Großer Verlierer ist die SPD. (Robert Klages)
Reinickendorf

© SPD
Zurück zu den Wurzeln heißt es im traditionell schwarzen Bezirk Reinickendorf seit Sonntagabend. Dort geht die CDU mit 40,5 Prozentpunkten als klare Gewinnerin hervor.
Im Vergleich zu 2021 haben die Christdemokraten mit Spitzenkandidatin Emine Demirbüken-Wegner ganze 11,5 Prozent Stimmenzuwachs zu verzeichnen.
Die SPD sichert sich mit 21,5 Prozent Platz Zwei - im Vergleich zu 2021 verloren die Sozialdemokraten 2,3 Prozent.
Bei 12,6 Prozent stehen die Grünen, während die FDP mit 4,3 Prozent der ausgezählten Stimmen schwächelt (-3 Prozent gegenüber 2021). Dank der Drei-Prozent-Hürde ist der Einzug der Zählgemeinschaftspartner in die BVV damit sichergestellt.
Die Linke hat es auf 4,3, die AfD auf 10 Prozentpunkte geschafft. Nun stellt sich die Frage: Könnte Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen (SPD) mit einer Zweidrittelmehrheit abgewählt werden? (Lisa Erzsa Weil)
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