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Erlebniscircus Mondeo, Britz; NeuköllnCredit: Erlebniscircus e.V.
PR, promo

© Erlebniscircus e.V./Roggemann

Mitmach-Erlebniscircus Mondeo in Berlin-Neukölln: „Die Kinder haben plötzlich das Gefühl, sie können ja doch was“

Seit 17 Jahren betreibt Gerhard Richter ein Zirkusprojekt im Neuköllner Ortsteil Britz. Viele Kinder würden dort erstmals Anerkennung erfahren, erzählt er.

Das schönste Kompliment für ihn sei, wenn Neuköllner Kinder und Nachbar:innen von „unserem Zirkus“ sprechen, sagt Gerhard Richter. Seit 2006 betreibt er mit seiner Familie in Britz den Mitmach-Erlebniscircus Mondeo.

Mehrere zehntausend Neuköllner Kinder und Jugendliche sind bei ihm, zumindest für eine kurze Zeit, zu Artist:innen, Clowns und Dompteur:innen geworden. „Ich würde sagen: Das ist mein Lebenswerk“, sagt der 64-Jährige. Dabei war das Zirkusprojekt ursprünglich nur für ein paar Wochen geplant. Daraus sind mittlerweile 17 Jahre geworden, der Zirkus ist längst wichtiger Bestandteil des Kiezes.

Ursprünglich war der Circus Mondeo ein ganz normaler Wanderzirkus. Gerhard Richter stammt aus einer Zirkusfamilie. Die Richters reisten durch ganz Deutschland und landeten irgendwann in Neukölln. „Früher ging es uns darum, allen Menschen zwei nette Stunden zu schenken“, erzählt Gerhard Richter.

1998 arbeitete er erstmals mit Heinz Buschkowsky, damals Jugendstadtrat (SPD), zum Tag des Kindes zusammen. Buschkowsky, später langjähriger Neuköllner Bezirksbürgermeister, habe ihn dann gefragt, ob sie nicht gemeinsam ein mehrwöchiges Projekt starten wollten, erzählt Richter. So fand 2006 nahe dem Schloss Britz ein Zirkusprojekt für 900 Schüler:innen statt. „Dann hat Herr Buschkowsky zu mir gesagt: Herr Richter, Sie müssen bleiben“, sagt Gerhard Richter. Und er blieb.

In dem einwöchigen Zirkusprojekt können Kinder zum Beispiel lernen, was einen guten Clown ausmacht.

© Erlebniscircus e.V./Roggemann

Seit 17 Jahren stehen die Zirkuszelte auf einem Bahngelände der BVG in der Gutschmidtstraße. Neben den rot-gelb-gestreiften Zirkuszelten gibt es Unterstände für die Pferde, Alpakas, Esel und Kamele. Im hinteren Bereich gibt es einen Fußballplatz. „Der ist sehr wichtig, damit sich die Kinder zwischendurch austoben können“, sagt Richter.

Seit 2015 gibt es auch eine Zirkusschule

Direkt am Eingang ist in einem weißen Container außerdem seit 2015 eine Zirkusschule untergebracht, die Richter als sein „Herzensprojekt“ bezeichnet. Hier lernen vor allem Kinder und Jugendliche, die als schwer beschulbar gelten, einen Tag pro Woche während der Schulzeit zum Beispiel die deutsche Sprache. Anschließend dürfen sie am Zirkustraining teilnehmen.

Zirkusdirektor Gerhard Richter denkt noch lange nicht ans Aufhören.

© Tagesspiegel/Madlen Haarbach

„Das ist eine ganz andere Motivation als der normale Unterricht“, erzählt Richter. An dem Projekt nehmen auch geflüchtete Kinder und Jugendliche teil. Zwischen den Zelten und Containern wuselt der riesige schwarz-braun-weiße Berner Sennenhund Tiago herum und nutzt jede Gelegenheit, sich Streicheleinheiten abzuholen.

Wenn jemand einen Lebenswunsch hat und der wird dann erfüllt – das ist wie der Schlüssel, um einen Menschen aufzuschließen.

Gerhard Richter, Zirkusdirektor vom Circus Mondeo

Wenn Gerhard Richter von den vergangenen 17 Jahren erzählt, merkt man, wie sehr ihm die Kinder am Herzen liegen. Er berichtet von dem jungen Stotterer, der kaum einen Satz gerade sagen konnte – aber unbedingt Clown werden wollte.

Nach einer Woche Zirkustraining habe er dann bei der Abschlussveranstaltung einen ganzen Dialog fehlerfrei aufgesagt. „Die Oma, die Mutter, der Vater, die Lehrerin haben alle geweint und gefragt: Herr Richter, wie haben Sie das geschafft?“, erzählt er. Er habe dann geantwortet: „Ich habe das nicht geschafft, er hat das selber geschafft.“

80.000
Kinder und Jugendliche haben bislang am Zirkusprojekt teilgenommen

Wenn jemand einen Lebenswunsch habe und der werde dann erfüllt, sei das wie ein Schlüssel, um den Menschen aufzuschließen, sagt Richter. Er erlebe das immer wieder: Jugendliche, die in der Schule nur Probleme hätten, seien beim Zirkusprojekt plötzlich hoch konzentriert, motiviert und könnten ihre Talente zeigen.

Bei der Abschlussaufführung zeigen die Kinder und Jugendlichen, was sie eine Woche lang gelernt haben.

© Erlebniscircus e.V./Roggemann

Viele würden zum ersten Mal nicht nur getadelt, sondern auch gelobt. Das gebe den jungen Menschen ganz neues Selbstvertrauen. „Die haben dann das Gefühl: Ich kann ja doch was“, sagt Gerhard Richter. Gleichzeitig bemängelt er aber auch, dass es an sozialen Projekten und Anlaufstellen mangele, in die er die Kinder und Jugendlichen weitervermitteln könnte.

Im kommenden Jahr muss der ganze Erlebniscircus umziehen, dann geht es auf eine etwas kleinere Fläche ein Stück die Straße hinunter. „Wir hätten auch woanders ein größeres Grundstück beziehen können, aber wir wollten unbedingt hier in der Nachbarschaft bleiben“, erzählt Gerhard Richter.

Dafür nimmt er auch in Kauf, dass sich der Zirkus verkleinert. Für einige der besonders alten Tiere bedeutet das etwa einen Umzug nach Brandenburg, wo sie dann auf einem Hof ihre Rente genießen können. Richter selbst denkt noch lange nicht ans Aufhören. „Wir haben das Gefühl, wir werden hier gebraucht“, sagt er. Und das sei eigentlich ein sehr schönes Gefühl.

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