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 © Berlin Mondiale, “Urban Resilience Week”, 2022, Foto von Mohamad Badarneh

© Mohamad Badarneh

Nachbarschaftscampus in Neukölln: Bezirkspolitik streitet über die Zukunft des Geländes

Musste das Kulturnetzwerk „Berlin Mondiale“ seine Fläche abgeben, weil es dem Bezirksamt politisch zu grün war? Der Verdacht steht nach Bekanntwerden einer internen Mail im Raum. Die Stadträtin wiegelt ab.

Musste das Kulturnetzwerk „Berlin Mondiale“ den Nachbarschaftscampus am Dammweg räumen, weil es aus Sicht des Bezirksamtes zu viele Verbindungen zu den Grünen hatte? Dieser Vorwurf steht im Raum, seitdem eine interne Mail aus dem bezirklichen Kulturamt bei einer Ausschusssitzung öffentlich wurde.

Darin schrieb eine Mitarbeiterin, dass das Gelände für „politischen Lobbyismus“ genutzt werde. Das „wird sonst Karlgartenstraße 2.0 – jedoch mit viel mehr Verbindungen zu den Grünen“, heißt es weiter in der Mail. Gemeint war damit offenbar das Nachbarschaftshaus in der Karlsgartenstraße 6, über dessen Zukunft die dortigen Initiativen und das Bezirksamt zwei Jahre lang teils erbittert stritten und verhandelten.

Die Neuköllner Grünen sehen in der Mail einen möglichen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht und forderten eine umfassende Aufklärung – unter anderem auch der Frage, warum „Berlin Mondiale“ das Gelände abgeben musste.

„Berlin Mondiale“ übernahm die ehemalige Gartenschule 2021

Anfang 2021 übernahm „Berlin Mondiale“ das ehemalige Gelände der Gartenarbeitsschule Paul Legien. Die Idee damals: Einen Campus für die Nachbarschaft entwickeln, in dem auch das Zusammenleben in der Stadt neu gedacht werden kann. Im vergangenen Jahr verkündete das Bezirksamt dann, die Fläche künftig als „Zukunftskiez“ im Rahmen des gleichnamigen Projektes der Senatsverwaltung entwickeln zu wollen. Geplant seien insbesondere weitere Bildungsprojekte, etwa der Musik- und Volkshochschule, hieß es.

Der bisherige Träger der „Berlin Mondiale“, das Kulturnetzwerk Neukölln, hatte nach Angaben des Bezirksamtes den Vertrag nicht verlängert. Mondiale-Leiterin Sabine Kroner fürchtete vor allem um die mangelnde Kontinuität: Gerade in einer Siedlung, in der es schwer sei, Vertrauen aufzubauen, würden diese mühsam aufgebauten Kontakte nun abgebrochen.

Die Bezirksverordneten stellten sich hinter das Kulturnetzwerk

Zum Jahresende musste Mondiale dann tatsächlich die Schlüssel übergeben – auch wenn die Bezirksverordnetenversammlung das per Mehrheitsbeschluss noch kurzfristig verhindern wollte. Allerdings sind die Beschlüsse der Bezirksverordneten nicht bindend, sondern haben einen Empfehlungscharakter. Dann wurde Anfang Januar besagte Mail im Kulturausschuss der BVV öffentlich – und die Debatte um die Zukunft des Geländes entbrannte erneut. Der implizite Vorwurf von Grünen und Linken: Wollte die SPD-geführte Kulturverwaltung hier etwa einen Träger loswerden, der politisch zu grün war?

Bei der vergangenen BVV war der Nachbarschaftscampus erneut Thema. Die zuständige Stadträtin Karin Korte (SPD) wies die Vorwürfe, dass ihr Amt gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen habe, zurück. Die Mail bedauere sie außerordentlich, sagte Korte. „Ich übernehme die politische Verantwortung“, kündigte sie an. Sie habe das Gespräch mit der Absenderin gesucht und gehe davon aus, dass sich entsprechende Formulierungen nicht wiederholen würden. Allerdings habe Mondiale das Gelände aus Sicht des Bezirksamtes tatsächlich für die politische Netzwerkarbeit genutzt und das Bezirksamt darüber nicht informiert.

Ich übernehme die politische Verantwortung.

Stadträtin Karin Korte bedauerte die Mail ihrer Mitarbeiterin

Zentral sei vor allem, dass das Netzwerk gegen den Nutzungsvertrag mit dem Bezirksamt verstoßen habe, stellte Korte nun noch einmal auf Tagesspiegel-Nachfrage klar. So seien das Gelände ohne Absprache anderen Gruppen überlassen und teils auch Geflüchtete in einem Matratzenlager auf dem Gelände untergebracht worden, sagte Korte bei der BVV und sprach von „Fehlentwicklungen auf dem Gelände“.

Darin bestehe auch die Parallele zum in der Mail angesprochenen Nachbarschaftshaus in der Karlsgartenstraße: Auch dort seien Räumlichkeiten weitergegeben und Strukturen kreiert worden, die für das Bezirksamt „nur schwer zu entwirren“ gewesen seien, als der ursprüngliche Träger seinen Vertrag nicht verlängerte. Parallel dankte Korte allerdings Berlin Mondiale erneut für die bisherige Arbeit auf dem Gelände.

„Die Zukunft des Geländes am Dammweg ist von dieser Diskussion nicht betroffen“, sagte Korte weiter dem Tagesspiegel. „Im Gegenteil: Hier entsteht in den nächsten Jahren ein Zukunftskiez, ein Ort der Begegnung, der Kultur und der Bildung vor allem für Kinder und Jugendliche“, so Korte weiter. Es werde nun ein Konzept für die weitere Nutzung ausgearbeitet, an der verschiedene Initiativen beteiligt sind. „Ich freue mich darauf, was hier in den kommenden Jahren entstehen wird und wie die Menschen aus der Weißen Siedlung und der Dammwegsiedlung von den neuen Angeboten profitieren werden“, so Korte.

Klar ist aktuell, dass Mondiale nicht auf den Campus zurückkehren wird. Im Rahmen der Neuausrichtung haben sich viele der anderen Organisationen, die das Gelände bislang genutzt haben, erneut beworben. Dazu zählen laut Korte etwa der Kulturverein „Mince“ und das Freilaumlabor. Auch weitere Akteure, wie etwa die „Yeşil Çember – ökologisch interkulturell gGmbH“, sollen das Gelände künftig nutzen. Die Mondiale habe sich wegen „vieler offener Fragen und inhaltlicher Zweifel bezüglich der Ausgestaltung einer konstruktiven Zusammenarbeit“ nicht erneut beworben, sagte deren Leiterin Kroner dem Tagesspiegel.

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