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Die Tiertafel in Berlin-Lichtenberg stellt sicher, dass alle Haustiere angemessen versorgt werden, auch wenn ihren Besitzern die finanziellen Mittel fehlen.

© Sophia Lukasch Photography

Unterwegs im Kosmos der Freiwilligen: Neuer Kalender wirbt fürs Berliner Ehrenamt

Im Anzug eines Astronauten könnte jeder stecken. Gerade deswegen zieht der Kalender die Betrachtenden direkt hinein in die Ehrenamtslandschaft. Was steckt dahinter?

Eine Kunstfigur im Raumanzug führt in zwölf Fotos durch die bundesweite Ehrenamtslandschaft. Der Astronaut sitzt auf dem Helikopter des Bergwacht-Trainings, ficht im Rollstuhl, lässt sich vom Rettungshund der Johanniter beschnuppern oder reicht einem Ehrenamtlichen des Technischen Hilfswerks (THW) einen Bohrer.

Der Astronaut heißt „Protestonaut“ und ist ein journalistisches Kunstprojekt der Fotografin Sophia Hauk und dem Diplom-Politologen Alexander Hauk. Bereits zum zehnten Mal ist ein Protestonaut-Fotokalender erschienen – und 2024 dreht sich alles um das Thema Ehrenamt.

Das November-Kalenderblatt zeigt das Gelände des THW Ortsverbands Friedrichshain-Kreuzberg nahe dem Südkreuz mit den blauen Einsatzwagen, die an Feuerwehrautos erinnern. Die Ehrenamtlichen sind dafür ausgebildet, technische Hilfe in Notfällen zu leisten: für Gebäudesicherung, Wasserrettung, Beleuchtung und Energieversorgung und Katastrophenschutz.

Das Technische Hilfswerk Berlin hat sich auf die technische Hilfeleistung in Not- und Katstrophenfällen spezialisiert. Der Ortsverband Friedrichshain-Kreuzberg befindet sich in der General-Pape-Straße.
Das Technische Hilfswerk Berlin hat sich auf die technische Hilfeleistung in Not- und Katstrophenfällen spezialisiert. Der Ortsverband Friedrichshain-Kreuzberg befindet sich in der General-Pape-Straße.

© Sophia Lukasch Photography

„Der Protestonaut ist aus der Idee entstanden, mittels einer neutralen Figur Denkanstöße zu geben und zur Diskussion anzuregen“, sagt Sophia Hauk. Der Astronaut habe einen besonderen Blick auf die Erde: von oben schwebend und neutral. Außerdem könne jeder in den Raumanzug schlüpfen, „egal welcher Stand, welche Herkunft“, sagt die Fotografin, die ihr Büro in Friedrichshain hat.

Für einen Kalender zum Thema „Kürzungspolitik“ ist das Paar bis nach Griechenland gereist. Dort haben sie verschiedene Menschen interviewt: vom Bauern über den Politiker bis zum Geschäftsführer des Hafens in Thessaloniki. Diese Begegnungen landen dann in Form von Fotos und kurzen Texten im Kalender. So vereint das Projekt um den „Protestonauten“ Fotografie, Journalismus und Kunst.

Themen-Wunsch „Ehrenamt“ kam aus der Community

Weitere Themen waren bislang etwa Kinderschutz und Kinderrechte, Wiedervereinigung, Nachhaltigkeit oder Fachkräftemangel. Das Kalenderthema 2024 kam laut Sophia Hauk auf Wunsch der Community, die den Protestonauten schon jahrelang begleitet.

Die Inspiration kam zunächst von der Webseite der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. „Da findet man eine große Auflistung der Ehrenämter in Deutschland“, sagt Sophia Hauk. Wichtig für die Fotografin sei dann gewesen, dass die Aktionen fotografisch darstellbar seien, sich also nicht nur am Schreibtisch abspielen.

Gemeinsam reparieren Freiwillige von überall her gespendete Räder in der Werkstatt des Vereins Rückenwind. Mehr als 200 Menschen warten gerade darauf, eines zu bekommen.
Gemeinsam reparieren Freiwillige von überall her gespendete Räder in der Werkstatt des Vereins Rückenwind. Mehr als 200 Menschen warten gerade darauf, eines zu bekommen.

© Sophia Lukasch Photography

Über den Kalender gibt es einiges über Ehrenamt zu lernen. Wer weiß schließlich, dass es in Berlin-Neukölln den Verein „Rückenwind“ gibt, wo engagierte Leute Fahrräder für Menschen mit Fluchterfahrung reparieren? Sophia Hauk zeigt sich auch von der Tiertafel in Lichtenberg beeindruckt, die Futter für Haustiere bereitstellt: „Es ist bemerkenswert, wie viele Leute da für ihre Tiere Futter holen oder eine tierärztliche Behandlung, weil sie das Geld nicht haben.“

Ob Tiertafel oder Fahrradreparatur – ohne Ehrenamtliche läuft vielfach nichts. Überall werden sie gesucht. „Wir hoffen, dass wir über Kalender Menschen animieren, da mitzumachen“, sagt die Fotografin. Für die Vereine und Anlaufstellen dagegen soll das Projekt auch ein Anstoß sein, Angebote zu verändern.

"Viele Organisationen stellen ein Nachlassen des Engagements fest und verzeichnen einen Rückgang von ehrenamtlichen Mitarbeitenden“, ist im Vorwort des Kalenders zu lesen. Die Gründe seien vielfältig: mehr Mobilität, weniger Zeit, veränderte Lebensstile. „Viele Menschen wollen sich nicht so fest binden und engagieren sich eher für zeitlich befristetere, flexiblere Projekte“, sagt Hauk.

Trotzdem: „Unsere Gesellschaft funktioniert nicht ohne Ehrenamt. Das hat einen wahnsinnig wichtigen Stellenwert in der Gesellschaft“, findet Sophia Hauk. Vielleicht inspiriert der Kalender einige, sich ehrenamtlich zu engagieren.

Ob es nach dem zehnten Kalender weitergeht? Sophia Hauk bejaht und verrät noch ein großes Ziel: ein Buch. Natürlich mit dem Protestonauten als neutrale Hauptfigur.

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