zum Hauptinhalt
Die beiden Vorstände Jan Holze und Katarina Peranic mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus, die in diesem Jahr den Stiftungsratsvorsitz inne hat.

© Bundesfoto

Bilanz nach drei Jahren: Was bietet die Bundesstiftung für Engagement und Ehrenamt?

Die Stiftung mit Sitz in Neustrelitz ist zu einem bundesweiten Partner für Engagierte gewachsen. Doch die Bürokratie sei zu aufwendig und es brauche eine bundesweite Engagementstrategie.

Als die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt vor drei Jahren startete, haben nur wenige den großen Wurf erwartet. Schon allein der Standort: Neustrelitz – im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern, fernab der wichtigen Akteure in der Bundes- und den Landeshauptstädten. Und dann eine rechtliche Konstruktion, bei der die drei Bundesministerien Inneres, Landwirtschaft und Familie gemeinsam – und durchaus konkurrierend – vertreten sind. Ein festes Stiftungskapital gibt es auch nicht – die DSEE ist vielmehr jedes Jahr von der Spendierwilligkeit der Bundesregierung abhängig.

Aber was da in den vergangenen drei Jahren gewachsen ist, kann sich sehen lassen und hat die DSEE bundesweit zu einem wichtigen Partner für die Engagierten und die Zivilgesellschaft gemacht. Und möglicherweise hat der Standort in Neustrelitz genau jenen Blick auf die Bedürfnisse der Basis gestärkt und mitgeholfen, jene Instrumente zu entwickeln, die gerade kleinere Organisationen und Vereine benötigen.

Wenn das Vertrauen des Bundestages in die Stiftung sinkt und wir im Bundeshaushalt nicht mehr auftauchen, dann können wir über das Ehrenamt reden, aber faktisch nichts machen.

Jan Holze, zweiter Vorstand der Stiftung für Engagement und Ehrenamt 

Dabei war der Zeitpunkt des Starts – im Sommer 2020 mitten in der Corona-Pandemie – alles andere als günstig. Aber auch hier zeigte sich, welch wichtige Rolle die Bundesstiftung übernehmen kann und wie wichtig ihre Arbeit ist. Gestartet mit einem Budget von bescheidenen 23 Millionen Euro, konnte die DSEE bereits „nach einem halben Jahr ein Antragsvolumen von 200 Millionen Euro vermelden“, berichtete DSEE-Vorständlerin Katarina Peranic Ende 2022 im Engagements-Ausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Inzwischen hat sich das Budget auf 30 Millionen Euro erhöht – das zu je einem Drittel von den drei Bundesministerien aufgebracht wird.

Jan Holze und Katarina Peranic vor dem zukünftigen Sitz der Stiftung, dem Carolinen Palais in Neustrelitz.

© Benjamin Jenak/DSEE

Die Stiftung hat kein festes Stiftungskapital, sondern ist „eine Stiftung öffentlichen Rechts, die durch jährliche Zuwendungen agieren darf und kann“, betonte auch der zweite Vorstand Jan Holze: „Das heißt, wenn das Vertrauen des Bundestages in die Stiftung sinkt und wir im Bundeshaushalt nicht mehr auftauchen, dann können wir uns bei einem Kaffee zusammensetzen und über das Ehrenamt reden, aber faktisch nichts machen, weil es kein Stiftungskapital gibt, mit dem wir umgehen, sondern wir leben aus den jährlichen Zuwendungen.“

Bislang aber ist die Mission DSEE gut gelaufen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass „Stärkung und Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamtes, insbesondere in strukturschwachen und ländlichen Räum“ der zentrale Auftrag der DSEE ist. Also genau dort, wo es keine vernetzte Engagements-Struktur gibt wie in Berlin oder anderen Großstädten. Die Stiftung hilft den Engagierten auf dem Land oder in Kleinstädten schon dadurch, dass sie Licht in das für kleine Organisationen und Initiativen vielfach unübersichtliche Dickicht der Förder-Möglichkeiten durch große Stiftungen oder Ministerien bringt und die Antragstellungen erleichtert.

Die Bilanz nach drei Jahren

Die heute 70 Mitarbeitenden in Neustrelitz haben in den bislang zehn seit 2020 aufgelegten Förderprogrammen mehr als 8.700 Einzelvorhaben finanziell gefördert, rechnet Jan Holze vor. Das Qualifizierungsprogramm „#DSEEerklärt“, bei dem es viele Angebote von Buchhaltung für Schatzmeister über Digitalisierung bis zur rechtlichen Expertise gibt, zählt außerdem jährlich mehr als 12.000 Teilnehmende. Mit eigenen, digitalen wie analogen Veranstaltungen vor Ort erreicht die Stiftung bundesweit jährlich mehr als 5.000 Engagierte.

Seit dem Start wurden Vereine und Organisationen der Zivilgesellschaft mit 93,6 Mio. Euro gefördert. Berlin hat davon durchaus einiges abbekommen. Bis Ende 2022 wurde 373 Projekte mit insgesamt 13,7 Millionen Euro gefördert. Allein vom Programm „Ehrenamt hilft gemeinsam“ im Kontext von Flucht aus der Ukraine konnten 60 Projekte aus Berlin profitieren. Berlin hat nach Nordrhein-Westfalen die höchste Förderquote unter den Bundesländern.

Teilnehmer der „100 x Digital Community Convention“ in Berlin.

© Bundesfoto

Jan Holze wünscht sich, die Stiftung noch schlagkräftiger zu machen, weil „der Bedarf an den Leistungen stetig gestiegen ist. Uns erreichen unzählige Anfragen und Anträge. Allein unser vor kurzem erstmals ausgeschriebenes Programm TransformD, das bei der Kristenfestigkeit unserer Vereins- und Verbandslandschaft helfen soll, war mit mehr als 1.500 Anträgen insgesamt etwa 21-fach überzeichnet. Um diesen vielfachen Anfragen kompetent entgegentreten zu wollen, müssen wir nicht nur effiziente und schlanke Strukturen aufbieten, sondern müssen mit mehr personeller Schlagkraft agieren können.“

Wir dürfen uns auf der Zahl von 30 Millionen Engagierten nicht ausruhen.

Jan Holze, Stiftung für Engagement und Ehrenamt 

Trotz der Erfolge sehen die DSEE-Verantwortlichen durchaus Problemfelder bei der Unterstützung des Ehrenamts und der Zivilgesellschaft. „Wir dürfen uns auf der Zahl von 30 Millionen Engagierten nicht ausruhen“, warnt Jan Holze. Trotz weiter wachsender Zahl von Vereinen konstatiert er „eine immer geringere Bereitschaft, sich in Führungs- und Leitungsfunktionen in diesen steigenden Vereinszahlen zu engagieren“.

Ein weiteres großes Problem sieht Holze in der Bürokratie. Deshalb reicht es für ihn nicht aus, den Engagierten mit Service- und Beratungsangeboten zu helfen, „diese bürokratischen Anforderungen meistern zu können“. Er sieht es vielmehr als Aufgabe der DSEE, „darauf hinzuwirken, dass die bürokratischen Anforderungen abgebaut werden können“. „Bei allen neuen Gesetzesvorhaben muss überprüft werden, welche Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft davon ausgehen“, wünscht sich Jan Holze: „Sollten diese zu mehr Bürokratie führen, muss zwingend begründet werden, warum es nicht zu Bereichsausnahmen kommt. Der kleine Verein darf nicht über denselben Kamm wie die große Aktiengesellschaft geschert werden.“

Bundesweite Engagementstrategie?

Die Notwendigkeit für eine bundesweite Engagementstrategie sehe auch die Stiftungsleitung. „Eine neue Engagementstrategie wird dabei helfen, die richtigen und politisch notwendigen Beschlüsse zu fassen“, sagt Jan Holze: „Die Welt um uns herum verändert sich immens. Das hat auch Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft. Hier den Rahmen ehrenamtlichen Handelns zu überprüfen und wo notwendig anzupassen, ist erforderlich. Die Engagementstrategie bietet hierfür einen guten Kompass.“

Auch das Thema Nachwuchsgewinnung treibt die DSEE-Vorstände Peranic und Holze um. „Es ist nicht so, dass junge Menschen sich nicht engagieren möchten“, sagt Katarina Peranic: „Die Engagementbereitschaft ist riesengroß.“ Die Frage sei allerdings, so Peranic: „wie schaffen wir es, diese jungen Menschen dabei zu unterstützen, länger dabei zu bleiben?“ Eine Antwort der DSEE ist das neue Programm „FutureE“, „wo wir auf diejenigen abzielen, die auf eine ehrenamtliche Leitungsfunktion abzielen“.

Als zweites Feld sieht die Bundesstiftung die „Förderung und Verbreitung von Innovationen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements und Ehrenamts“. Von der DSEE geförderte Studien haben durchaus Debatten angestoßen oder unterstützt. So zeigten die Daten der Studie “Demokratische Integration”, dass Engagement das Vertrauen in die Demokratie und deren Funktionieren stärkt. Bemerkenswert ist auch der von der DSEE ermöglichte ZiviZ-Survey, dass sich zwar viele Menschen in kleinen Initiativen, bei selbst organisierter Flüchtlingshilfe oder Kiezgruppen ohne Rechtsform einbringen, Engagement aber immer weniger in Vereinen und Organisationen stattfindet.

Auch darauf hat die DSEE mit dem Programm „jung & engagiert“ reagiert. Damit werden gemeinwohlorientierte Projekte junger Menschen in nicht rechtsfähigen Initiativen oder nicht gemeinnützigen Organisationen unterstützt – bislang allerdings nur bis 500 Euro für ein Projekt. Dennoch ist es ein Experiment. „Hiermit betreten wir als Bundesinstitution Neuland, das hoffentlich Nachahmer findet“, sagt Jan Holze.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false