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Feuchte Grünland-Flächen wie nahe dem Fahrländer See gibt es im Potsdamer Norden viele. Sie befinden sich auf
Moorböden und binden viel CO2, sofern ihrWasserstand nicht für landwirtschaftliche Nutzung abgesenkt wird. Foto: Ottmar Winter

© Ottmar Winter PNN / Ottmar Winter PNN

Brandenburg will Acker-Moore wieder fluten: Woidke-Kabinett beschließt Schutzprogramm

Trockene Moore, entwässert für die Landwirtschaft, sind ein Klimakiller in der Mark. Nun sollen sie reaktiviert werden.

Brandenburg will ausgetrocknete Moore in großem Maßstab wieder wässern - als Wasserspeicher und für die angepeilte Klimaneutralität bis 2045. Das geht aus dem neuen Moorschutzprogramm von Umwelt- und Agrarminister Axel Vogel (Grüne) des Landes hervor, das dafür allein auf Anreize und Freiwilligkeit setzt. Das 50-Seiten-Papier passierte am Dienstag einstimmig das Kenia-Kabinett aus SPD, CDU und Grünen und wurde danach in der Staatskanzlei vorgestellt. „Wir brauchen eine angepasste Bewirtschaftung. Es geht nicht um Stilllegung“, erklärte Vogel. „Wir wollen keinen Zwang ausüben. Wir wollen überzeugen. Moor kann mehr als nur Fangopackungen für Kurkliniken.“

Moor kann mehr als nur Fangopackungen für Kurkliniken.

Axel Vogel, Grüne, Brandenburgs Umweltminister

Austrocknende Moore, vor allem für die Großlandwirtschaft entwässert, sind nach Braunkohleverstromung und Industrie aktuell drittstärkster Hauptverursacher von Treibhausgas-Emissionen in Brandenburg. Als Ziel wird formuliert, die Emissionen von derzeit 6,3 Millionen Tonnen bis 2030 um 750.000 Tonnen aus diesem Bereich zu verringern, bis 2045 dann auf null.

Äcker sollen zu Grünland werden

Es geht um eine Klimaschutz-Transformation der Landwirtschaft, mit Zündstoff. „Die Umwandlung von Ackernutzung auf Moorböden in Grünland wird angestrebt“, heißt es in dem 50-Seiten-Papier. Die Wiederverwässerung solle „stufenweise“ erfolgen. Weiden könnten dort Wasserbüffel. „Das Land setzt auf freiwillige Vereinbarungen mit Flächeneigentümern und Flächennutzern (insbesondere Duldung, Grunddienstbarkeiten).“ Das Land selbst will auf eigenen Flächen als Vorbild vorangehen. Angestrebt werden eine „nassere Landwirtschaft“, aber auch eine Nutzung für Fotovoltaik, für den Anbau von Torfersatz oder Faserpflanzen, um alternative Wertschöpfungsketten zu schaffen. „Wir werden den Landwirten auch nicht die Flächen unterm Hintern wegkaufen“, versicherte Vogel.

Auch Moor-Photovoltaik ist eine Option

Aktuell gibt es noch 165.000 Hektar Moorböden. Früher waren es mal 280.000 Hektar Moorböden, die vor allem zu DDR-Zeiten mit den Meliorationsprojekten zu landwirtschaftlichen Zwecken entwässert worden sind, was nun teils rückgängig gemacht werden müsste. Mit dem zunehmenden Wasserproblem im Land und sinkenden Grundwasserständen wird aus solchen torfhaltigen Böden zunehmend Kohlendioxid freigesetzt, was zur Gefahr für Brandenburgs Klimaziele wird.

Mehr Agrar-Treibhausgase als gesamter Verkehr der Mark

„Die etwa 120.000 Hektar großen entwässerten und intensiv landwirtschaftlich genutzten Niedermoorflächen in Brandenburg emittieren mehr Treibhausgase als der gesamte brandenburgische Verkehr“, heißt es im Programm. „Lediglich auf etwa 3,4 Prozent der Moorfläche des Landes finden sich noch Wasserstände, die ausreichend hoch sind, sodass eine Kohlenstofffestlegung durch aktive Torfbildung stattfinden kann.“ Für die Wässerungen soll ausschließlich Wasser genutzt und in der Landschaft gehalten werden, das bisher über die Flüsse in Richtung Nord- und Ostsee weggeführt wird.

Ehe das Programm in etwas entschärfter Form das Kabinett passierte, hatte es in der Kenia-Koalition ein heftiges Ringen gegeben. Auch Landnutzer und die Agrarlobby liefen Sturm dagegen, da sie ein Aus für Landwirtschaft auf diesen Flächen befürchten. Der Zielkonflikt ist unbestritten. „Um die Zwischen- und Sektorziele des Klimaplans Brandenburg zu erreichen, stehen jedoch nur zwei Jahrzehnte Zeit zur Verfügung. Entwässerte Moore müssen deutlich schneller und effizienter vernässt werden, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist“, heißt es. Welches Tempo eigentlich nötig wäre, lässt sich aus dem vom Umweltministerium letzte Woche dem Landtag vorgelegten Klimaschutzgutachten entnehmen.

Eine Milliarde Euro werden für Moorprogramm gebraucht

Danach müssen bis 2045 jährlich 7,87 Millionen Tonnen Kohlendioxidemissionen aus Niedermooren vermieden werden. „Betroffen sind knapp 45.000 Hektar Ackerland und knapp 145.000 Hektar bewirtschaftetes Grünland“, heißt es dort. „Auf den meisten Flächen ist eine Fortführung der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung nach Wiedervernässung nicht mehr möglich.“ Notwendig sei daher „die Entwicklung und Etablierung von Alternativen in Form nasser Landwirtschaft, gegebenenfalls auch nasser Forstwirtschaft.“

Mehr als nur Fango: verschiedene Moorprodukte.

© Thorsten Metzner

Es werde erforderlich sein, „die Wertschöpfungsverluste für die landwirtschaftlichen Betriebe und die Landbesitzenden zu kompensieren“, so das Gutachten. Um Brandenburg Klimaneutralitätsziele bis 2045 zu erreichen, wäre demnach „eine jährliche Wiedervernässung auf zirka 9000 Hektar ab dem Jahr 2024“ nötig. Und die Kosten für Wiedervernässung und Kompensationen für Landwirte werden demnach bis 2030 auf eine Milliarde Euro geschätzt. Bisher gibt es Pilotprojekte, für die rund zehn Millionen Euro bereitstehen .

„Die Zahlen zeigen“, so das Klimaschutzgutachten, „dass der Transformationsprozess der Landschaft und der Landschaftsnutzung in Brandenburg durchaus die Dimension des Kohleausstiegs erreicht.“

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