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Hella Dunger-Löper, 61, ist Staatsekretärin und seit Ende 2011 die Berliner Beauftragte für das Bürgerschaftliche Engagement, Bevollmächtigte beim Bund und Europabeauftragte.

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Bürgerschaftlichen Engagement: Neuer Schwung für das Ehrenamt

Staatssekretärin Hella Dunger-Löper will Bürger, Unternehmen und Institutionen besser vernetzen. Und Ruheständler aus dem öffentlichen Dienst sollten ihre Fachkenntnisse freiwillig einbringen, sagt sie im Tagesspiegel-Interview.

Frau Dunger-Löper, Ehrenamt ist Senatssache. Welche Visionen haben Sie?
Zunächst einmal ist es mein Auftrag, das bürgerschaftliche Engagement weiter zu fördern. Ich sage bewusst „weiter“. Denn gerade in einer Stadt wie Berlin gibt es längst eine Vielzahl an guten Ideen, Initiativen, Vereinen, Netzwerken.

Deshalb geht es zu einem großen Teil darum, das sichtbar zu machen und zu vernetzen, was schon da ist, und die, die sich engagieren wollen, gut zu informieren. So dass am Ende, salopp gesprochen, möglichst viele Töpfe ihren Deckel finden. Damit meine ich auf der einen Seite Bürgerinnen und Bürger, die sich engagieren wollen und vielleicht noch nicht den richtigen Platz dafür gefunden haben. Und ich meine Unternehmen und Institutionen, die sich mit ihrer Belegschaft einbringen wollen und das richtige Thema, den richtigen Ort und die richtige Form suchen.

Wie setzen Sie politische Absichtserklärungen in die Praxis um?
Ich versuche zu informieren. Engagement findet an so vielen Stellen statt und wird auch an so vielen Stellen gefördert. Wie das am besten möglich ist, darüber sollten sich beispielsweise die Ressorts und Bezirke untereinander besser informieren. Denn vom Wunsch nach selbstbestimmtem Handeln und Teilhabe der Engagierten profitieren schließlich alle. Denken Sie an das von der Stadtentwicklungsverwaltung geförderte Quartiersmanagement oder die Arbeit der Lotsen im Integrationsbereich und Stadtteilmütter, deren Einsatz die Arbeits- und Integrationsverwaltung fördert. Viele andere Beispiele ließen sich nennen. All diese Aktivitäten stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt, fördern die Identifikation mit dem Kiez, die Macher entwickeln sich persönlich weiter. Und die Lebensqualität in Berlin steigt. Es freut mich natürlich auch, dass im Abgeordnetenhaus die Einrichtung eines Unterausschusses für bürgerschaftliches Engagement angestrebt wird.

Es gibt so viele Initiativen, da hat kaum jemand einen Überblick.
Deshalb wollen wir vonseiten der Senatskanzlei die Bezirke an einen Tisch bringen. Es gibt ja in Berlin mehr als 25 Freiwilligenagenturen. Auch die Plattform „bürgeraktiv“ bietet auf berlin.de die Möglichkeit, nach einem passenden Ehrenamt zu suchen und sich zu vernetzen.

Warum ist das bis jetzt nicht gelungen?
Es ist schon sehr viel gelungen. Aber auch wir in der Senatskanzlei sind auf gute Kooperationen angewiesen, denn im gesellschaftlichen Leben einer Stadt wie Berlin ändert sich ständig etwas – gerade auch im Bereich des freiwilligen Engagements. Und es findet vor allen Dingen dezentral, vor Ort statt. Da kann mein kleines Team nur bedingt hinterherkommen.

Bleibt also vieles unerledigt?
Ich setze hier auch auf gute Kooperationen, mit den Verbänden, mit den Freiwilligenagenturen, mit dem Treffpunkt Hilfsbereitschaft, der schon vieles bündelt, aber auch mit der Wissenschaft, die sich zunehmend für diesen interessanten Bereich interessiert. Und dann glaube ich auch, dass wir bessere Begriffe finden müssen. Vielleicht klingen „Ehrenamtlicher“, „Helfer“ oder „Freiwilliger“, „bürgerschaftliches Engagement“ oder „zivilgesellschaftliches Engagement“ nicht ansprechend und lebendig genug. Oft erkennen sich Engagierte, wie die Afrikanerin, die im Gemeinschaftshaus Morus in Neukölln für die Nachbarschaft lecker kocht, in diesen etwas bürokratisch klingenden Begriffen nicht wieder. Oder die vielen Berliner in der türkischen Community, die helfend zupacken , aber das nun nicht mit „Ehrenamt“ betiteln. Ich denke auch, dass sich viele junge Menschen bereits engagieren und dies andere Formen hat. Auch das müssen wir sichtbarer machen.

Wir haben auch lange diskutiert, wie die Tagesspiegel-Seite zu gesellschaftlichem Engagement heißen soll. „Wer hilft wem“ ist zweideutig, es profitieren doch beide Seiten, oder?
Ja, diese Erfahrung machen alle, die etwas geben, ohne dafür mit Euros vergütet zu werden. Der ideelle und menschliche Gewinn ist nicht mit Geld aufzuwiegen. Zivilgesellschaftliches Engagement hat eine enorme Aufwertung erfahren. Früher wurde das mitunter als Vereinsmeierei abgetan. Inzwischen steht es auch im Koalitionsvertrag: Anerkennungskultur soll ausgebaut, bürgerschaftliches Engagement im Senat als Querschnittsaufgabe betrachtet und besonders die Stiftungskultur gefördert werden.

Welche neuen unkonventionellen Ideen wollen Sie umsetzen?
Ich möchte da ganz behutsam vorgehen, aber denken Sie an unsere rund 100 000 bestens ausgebildeten Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Wir wissen, dass ein großer Teil demnächst aus dem Erwerbsleben ausscheidet, und ich möchte sie motivieren, mit ihrer Fachkenntnis beispielsweise beim Umgang mit Formularen zu helfen. Ich möchte auch die Arbeitsagenturen ansprechen und gemeinsam eine Initiative starten. Ein Ehrenamt bildet weiter, stärkt das Selbstbewusstsein, schafft wieder Verbindlichkeiten. Es kann ein Schritt ins Erwerbsleben sein. Die Freiwillige Feuerwehr hat Nachwuchssorgen, spezielle Lotsen könnten helfen, Freiwillige zu gewinnen. Wir wissen auch, dass die Mitglieder der Migrantencommunities zum Teil sehr engagiert sind. Auch darüber möchte ich mehr erfahren.

Und Action! Auch Events wie die „Berlin-Brandenburg Cheerleading Meisterschaft“ (nächste Show am 9. März) wäre ohne freiwillige Helfer undenkbar. Für einige Höhepunkte des Berliner Veranstaltungskalenders erhalten mit der Ehrenamtscard ausgezeichnete Menschen vergünstigte Tickets. Die Ehrenamtsbeauftragte hofft auf noch mehr Unterstützer.

© picture alliance / dpa

Womit motivieren Sie die Menschen?
Es gibt in der Regel eine Aufwandsentschädigung und schriftliche Nachweise wie den Freiwilligenpass, die bei der Jobsuche helfen können; das Engagement kann beispielsweise auch bei der Vergabe von Stipendien eine Rolle spielen. Außerdem sind in Berlin bereits 7837 Ehrenamtscards an langjährig Engagierte verliehen worden. Zur Zeit gewähren 23 Partner wie Museen, Theater, Zoo, der Berliner Dom oder Hertha BSC vergünstigten Eintritt. Gern würden wir weitere Partner gewinnen und die Anerkennung noch stärker an den Bedürfnissen der Engagierten ausrichten.

Wenn das Ehrenamt gestärkt wird, wird damit nicht der Arbeitsmarkt geschwächt?
Dieser alte Vorwurf trifft nicht zu: Ehrenamtliche bieten zusätzliche Angebote, die hauptberuflich Beschäftigte nicht leisten können – etwa die Besuchsdiensthelfer für alte Menschen im Pflegeheim. Sie bereichern unser gesellschaftliches Leben und ergänzen öffentliche Angebote.

-Das Gespräch führten Elisabeth Binder und Annette Kögel.

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