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Polizeibeamte tragen während einer Durchsuchungsaktion Kartons aus einem Mietshaus.

© dpa/Paul Zinken

Update

Durchsuchungen an acht Orten: Razzia bei linker Frauenorganisation in Berlin

Die feministische Berliner Gruppierung ZORA kooperiert mit israelfeindlichen Organisationen aus der linken Szene. Nun standen Ermittler wegen eines terrorverherrlichenden Flyers vor der Tür.

| Update:

Meist mischen die Aktivistinnen und Aktivisten von ZORA mit, stehen aber nicht selber im Fokus. Andere linke Gruppierungen agieren im Berliner Milieu offensiver und sind präsenter, während sich die Frauenorganisation in der Regel etwas im Hintergrund hält. An diesem Mittwoch ist es anders.

Ermittler des Staatsschutzes durchsuchten am frühen Mittwochmorgen nach Informationen des Tagesspiegels acht verschiedene Objekte in Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Neukölln, Prenzlauer Berg und Wedding. Darunter sechs Wohnungen, ein Café und ein Büro. Hintergrund ist ein pro-palästinensischer Flyer, der auf die Kappe der Gruppierung gehen soll.

Die sechs Beschuldigten, von denen vier Frauen und ein Mann im Alter zwischen 18 und 23 Jahren der Gruppe ZORA angehören sollen, sollen den entsprechenden Flyer verbreitet haben. Die Sicherheitsbehörden stufen den Handzettel als terrorverherrlichend ein. Grund dafür ist die positive Bezugnahme auf die terroristische „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP).

Ein 67-Jähriger soll außerdem ein Bild mit dem Schriftzug „Der Märtyreranführer Hassan Mahmoud Saleh Al-Mahmoud“ unter dem PFLP-Symbol auf Facebook veröffentlicht haben. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwochnachmittag mitteilten, laufen gegen die Beschuldigten zwei Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.

Ein Bild des betreffenden Flyers ist in einem Beitrag auf dem Instagram-Kanal der Organisation zu finden. Veröffentlicht wurde der Post am 12. Oktober unter dem Titel „Keine Befreiung der Frau ohne die Befreiung Palästinas“. Besonders ein Absatz in dem Statement dürfte die heutige Razzia ausgelöst haben.

ZORA schreibt, man wisse, die Hamas habe kein Interesse daran, „das Patriarchat zu zerschlagen“, gerade deswegen sei es so wichtig, „fortschrittliche Kräfte“ wie die PFLP als „Teil des palästinensischen Widerstands zu stärken“. Doch ebendiese angeblich „fortschrittliche Kraft“ gilt in der Europäischen Union als Terrororganisation.

Eine der Durchsuchungen fand in Neukölln statt. Hier war ein linkes Kultur-Café von der Razzia betroffen.

© AFP/ODD ANDERSEN

An dem Einsatz am Mittwochmorgen waren nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft rund 170 Kräfte beteiligt. Neben Flugblättern seien Kommunikationsgeräte und Datenträger beschlagnahmt worden, hieß es. Außerdem wurde Pyrotechnik im zweistelligen Kilogrammbereich gefunden, die nicht vorschriftsgemäß gelagert wurde und für die der Betroffene nicht die nötigen Erlaubnisse hatte. Auch eine Schreckschusswaffe und Hunderte Schuss der dazugehörigen Munition wurden beschlagnahmt.

Ziemlich gute Freunde: „Young Struggle“ und ZORA

Auf der eigenen Website beschreibt sich ZORA als eine „unabhängige, antikapitalistische Organisation für junge Frauen“. Die Befreiung der Frau gehe nicht nur einher mit dem Kampf gegen das Patriarchat, sondern auch mit der Überwindung des Kapitalismus und der Klassengesellschaft, heißt es in der Selbstauskunft. Die Aktivistinnen der Gruppierung seien gegen „jede Form der Unterdrückung“.

Im Zentrum dieser „Unterdrückung“ steht für die ZORA-Anhängerinnen seit dem 7. Oktober offenbar vor allem der israelische Staat. Die Feministinnen, die nicht nur in Berlin aktiv sind, nahmen an zahlreichen pro-palästinensischen Demonstrationen aus dem linken Milieu teil und bewarben Ankündigungen intensiv auf ihrem Instagram-Profil.

Insbesondere die enge Vernetzung mit den israelfeindlichen Linken von „Young Struggle“ sticht dabei ins Auge. Die marxistisch-leninistische international operierende Jugendorganisation hatte wenige Tage nach dem terroristischen Hamas-Überfall auf Israel die Gräueltaten der Islamisten als „legitimem Befreiungskampf“ bezeichnet. Zuletzt traten sowohl Young Struggle als auch ZORA vergangene Woche bei der Besetzung eines Hörsaals der Freien Universität durch pro-palästinensische Studierende in Erscheinung.

Während keine Verurteilung des Hamas-Terrorismus durch Young Struggle bekannt ist, schien man die Verbrechen des 7. Oktober bei ZORA zumindest noch zur Kenntnis zu nehmen. Den männlichen islamistischen Terroristen fielen auch zahlreiche israelische Frauen zum Opfer, die teilweise sexuelle Gewalt erfuhren.

„Patriarchal geprägte Kriegspraktiken“ nennt ZORA den sexuellen Missbrauch weiblicher Opfer durch Hamas-Angehörige wenige Tage später in einem Beitrag auf Instagram, um zugleich zu relativieren: Der „Angriff auf die Besatzungsmacht“ verliere deswegen nicht an „Legitimität“.

Seitdem sind zumindest öffentlich keine Trauer- oder Solidaritätsbekundungen von Aktivistinnen der Feministinnen-Gruppierung für israelische Opfer bekannt. Auch nicht für eine Berliner Studentin, die gemeinsam mit ihrem Freund von der Hamas ermordet wurde.

Das ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil die Anhängerinnen von ZORA gerade in Berlin sehr aktiv sind, sobald es um Gewalt gegen Frauen und Femizide geht. So organisierte die Gruppe mehrere Gedenk- und Protestaktionen für die getötete Afghanin Zohra G., die 2022 in Pankow von ihrem Ehemann auf offener Straße ermordet wurde.

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