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© AFP/TOBIAS SCHWARZ

Update

„Eine Wohnung ist kein Aktienpaket“: Räumungsklage gegen Mieter in der Berliner Habersaathstraße abgewiesen

Die Eigentümerfirma will den Komplex in Berlin-Mitte für einen Neubau abreißen. Doch die Bewohner weigern sich, auszuziehen. Nun bekommt ein Gericht den Fall auf den Tisch - und findet deutliche Worte.

| Update:

Im jahrelangen Streit um einen weitgehend leerstehenden Wohnblock in Berlin-Mitte ist die Eigentümerfirma zunächst mit einer Räumungsklage gescheitert. Das Amtsgericht Mitte hat am Donnerstag einem Mieter recht gegeben, der sich nach der Kündigung geweigert hat, die Wohnung zu räumen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Eigentümerfirma kann dagegen Berufung beim Landgericht Berlin einlegen – was sie nach Angaben des Geschäftsführers auch tun wird.

Das Unternehmen will den Komplex in der Habersaathstraße mit etwa 100 Wohnungen für einen Neubau abreißen und hat Bewohnern gekündigt. Die Begründung dafür reichte aus Sicht der zuständigen Richterin jedoch nicht, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Die Firma habe nicht dargestellt, dass es keine andere wirtschaftliche Möglichkeit gebe als einen Abriss.

„Eine Wohnung ist kein Aktienpaket“, sagte Richterin Paula Oberndorfer. Das Unternehmen habe beim Kauf des Gebäudes von den bestehenden Mietverträgen gewusst und den Zustand des Hauses gekannt. Das Wohnen sei ebenso vom Grundgesetz geschützt, wie der Schutz des Eigentums an einer Wohnung. Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht der Richterin nicht nachvollziehbar, welcher schwerwiegende Nachteil der Eigentümerin drohe, wenn das Haus nicht abgerissen werde.

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Der Berliner Mieterverein freute sich über die klaren Worte der Juristin und wertete das Urteil als ein „wichtiges Signal an alle renditegetriebenen Grundstücksverwerterinnen und -verwerter“. Er erhoffe sich von der schriftlichen Begründung des Urteils „eine Blaupause für die weiteren anhängigen Räumungsverfahren in der Habersaathstraße sowie darüber hinaus in der gesamten Stadt“, erklärte Geschäftsführer Sebastian Bartels.

Nach Angaben der Gerichtssprecherin gibt es etwa ein halbes Dutzend ähnlicher Verfahren. Der Mieterverein sieht auch für diese Klagen gute Chancen für die Mieterschaft. Das Landgericht schütze ein „immobilienwirtschaftliches Verwertungsinteresse nur in äußerst engen Grenzen“, hieß es.

Die Berliner Linken-Politiker Niklas Schenker und Martha Kleehöfer sprachen ebenfalls von einem großen Erfolg. Sie sehen jedoch Bezirk und Senat in der Pflicht. Aus dem Urteil ergebe sich die Chance, die Wohnungen zu kaufen, um die Mieter dauerhaft vor Verdrängung zu schützen, erklärte Schenker. Das müsse von Senat und Bezirken mit Hochdruck vorangetrieben werden, forderte der Sprecher für Mieten und Wohnen der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Nach Angaben von Kleehöfer, Sprecherin für Wohnen in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte, ist die Abrissgenehmigung für die Häuser in der Habersaathstraße zum 31. Juli ausgelaufen. „Der Bezirk darf sie auf keinen Fall verlängern“, betonte sie nun. „Das Haus sollte schnellstmöglich per Ersatzvornahme wieder bewohnbar gemacht werden.“

Erst vor rund einer Woche hatte die Eigentümerfirma die verbliebenen Bewohner angewiesen, das Haus zu verlassen. Private Wachleute erschienen am 9. August in dem Gebäude. Etwa zwei Dutzend Demonstranten protestierten vor dem Haus gegen die Maßnahmen. Die „Initiative Leerstand-Hab-Ich-Saath“ teilte damals mit, Wachleute hätten sich im Auftrag des Hauseigentümers Zugang zu Wohnungen verschafft und Stromzähler abmontiert.

Nach Angaben der Initiative leben in dem Gebäude 8 alte Mietparteien und mehr als 60 früher obdachlose Menschen sowie Flüchtlinge aus der Ukraine. Vom Bezirksamt Mitte hieß es, der Eigentümer werde unverzüglich zu einem Erörterungstermin eingeladen und sei zur Aufklärung aufgefordert. (dpa)

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