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60 Prozent der Fläche des Bezirks Mitte sind versiegelt. Das soll sich ändern.

© dpa/Britta Pedersen

Entsiegelungspläne in Mitte: Berliner Bezirk will seine Gullys umbauen – 14.000 Parkplätze könnten wegfallen

60 Prozent der Fläche des Bezirks Mitte sind versiegelt. „Grüne Gullys“ sollen das ändern. Durch Sickergruben soll kostbares Regenwasser aufgefangen werden.

Es ist im Wortsinn ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Berliner Bezirk Mitte will in diesem Jahr 5000 Quadratmeter Fläche entsiegeln, also Beton, Stein oder Asphalt entfernen. Ziel sind 150.000 Quadratmeter, sagte Bezirksstadträtin Almut Neumann (Grüne) am Donnerstag.

Dieses Ziel zu erreichen, würde also 35 Jahre dauern. Zu lange, sagt die Stadträtin. Also muss ein Trick her, und der heißt „grüner Gully“. Im gesamten Nebenstraßennetz des Bezirks soll um alle geeigneten Gullys eine Art Sickergrube gebaut werden. In diesen Gruben würde sich das kostbare Wasser erst einmal sammeln und nur bei Starkregen in der Kanalisation verschwinden.

Oberstes Ziel sei, Wasser in den Boden zu leiten. „Jeder Regentropfen zählt“, sagte Neumann. Berliner Hauptstraßen seien ungeeignet, da dort zu viele Schadstoffe, zum Beispiel vom Autoreifenabrieb, in den Boden gelangen würden.

14.000 Parkplätze würden im Bezirk wegfallen

Geeignet sind 7200 der geschätzt 9000 „Straßenabläufe“, hat das Bezirksamt ausgerechnet, nur die Abläufe an Kreuzungen oder Einfahrten sollen nicht umgebaut werden. Da pro Gully etwa 25 Quadratmeter rundherum entsiegelt werden, kostet das pro Gully etwa 10.000 Euro sowie zwei Parkplätze, sagte die Grüne-Stadträtin. Durch das Programm würden also bezirksweit 14.000 Parkplätze wegfallen.

Der Nutzen wäre aber groß, weil so in der Summe vier Millionen Quadratmeter Fahrbahn von der Kanalisation „abgekoppelt“ werden könnten, wie Neumann vorrechnete. Diese einzelnen Sickergruben wären einfacher zu schaffen als ein Komplettumbau einer Straße. Und mit klassischer Entsiegelung wäre eine solch große Fläche nicht zu erreichen.

150.000
Quadratmeter Fläche will der Bezirk Mitte entsiegeln

Das hat der Bezirk in diesem Jahr gemerkt. 5000 Quadratmeter wurden entsiegelt. 3000 davon auf einer einzelnen Fläche, dem ehemaligen Kiesumschlagplatz am Hohenzollernkanal im Ortsteil Wedding. Solche großen Flächen gebe es aber keine weiteren, hieß es.

Die anderen Projekte sind deutlich kleiner: 30 Quadratmeter wurden entsiegelt durch größere Baumscheiben in der Thomasiusstraße in Moabit, das ist nur die Fläche eines Wohnzimmers. Doch in die Bordsteine um die Baumscheiben wurden Lücken gefräst, nun kann Wasser von der Fahrbahn in die Baumscheibe laufen und dort versickern – noch ein Trick.

1200 Quadratmeter sollen in der Pohlstraße und Kluckstraße bald hinzukommen, 400 in der Triftstraße und 250 in der Gerichtstraße (beide Wedding). Zur Einordnung: Der Bezirk hat fast 40 Quadratkilometer Fläche, also 40 Millionen Quadratmeter. Sechs Quadratkilometer sind Parks, acht Quadratkilometer gehören Straßen- und Bahnverkehr, der überwiegende Rest ist Siedlungsfläche. Zu dieser gehören auch Parkplätze auf Privatgelände.

Wenn Neumann aus ihrem Rathaus blickt, sieht sie fast nur Asphalt. Die Flächen gehörten leider nicht dem Bezirk, bedauerte die Stadträtin.

Mehr Arbeit für die Stadtreinigung

Nicht nur Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) wird sich das Programm interessiert ansehen, auch die Berliner Stadtreinigung (BSR). Die Pflege dieser grünen Flächen ist eine Herausforderung, gestand Neumann ein: „Wir machen der BSR mehr Arbeit.“ Letztlich gehe es aber darum, das große Ziel, den Klimawandel anzugehen. Mehr Grün in den Straßen würde die Stadt kühlen, die Kanalisation würde entlastet und mehr Grundwasser gebildet.

Mitte sei wohl der erste Berliner Bezirk mit einer solchen Entsiegelungsstrategie. Eine mögliche Entsiegelung soll künftig immer mitgedacht werden, zum Beispiel beim Bau von Fahrradstraßen, sagte Neumann. In Schöneberg hat der Bezirk gerade einige Hundert Quadratmeter ehemalige Autoparkplätze entsiegelt. Protest gab es nicht, da die Flächen nach dem Bau eines abgetrennten Radweges während der Corona-Pandemie ohnehin nicht mehr von Autos zu erreichen waren.

Schreiners Verkehrsverwaltung hatte gerade ein deutlich größeres Entsiegelungsprojekt gestoppt: Das Hallesche Ufer wird nicht für Autos gesperrt. Der benachbarte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wollte dort eine grüne „Parkpromenade“ schaffen.

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