zum Hauptinhalt
Das Berliner Landeskriminalamt ist unter anderem für Ermittlungen in rechten Straftaten zuständig.

© Kitty Kleist-Heinrich TSP

Update

Ermittlungsverfahren wegen rechter Straftaten : Staatsschützer ließen 300 Fälle jahrelang unbearbeitet

Die Polizei ermittelt gegen einen früheren Kommissariatsleiter und einen weiteren Beamten wegen Strafvereitelung. Sie sollen Hunderte Fälle jahrelang liegen gelassen haben.

| Update:

Beim Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamtes sind 300 Fälle rechter Straftaten in den vergangenen Jahren nicht bearbeitet worden. Nun ermittelt die Behörde unter anderem gegen den früheren Kommissariatsleiter wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Einen entsprechenden Bericht der „B.Z.“ bestätigte Polizeisprecherin Anja Dierschke dem Tagesspiegel auf Anfrage.

Bei einem Führungswechsel im Kommissariat 533, das für die Ermittlungsverfahren bei rechtsextrem motivierten Straftaten zuständig ist, sollen die Fälle aufgefallen sein: Die neuen Chefs entdeckten dabei, dass in den vergangenen Jahren 300 Vorgänge nicht bearbeitet worden waren. Laut Dierschke stammen die Fälle aus den Jahren 2020 und 2021. Um welche Straftaten es genau ging, ist unklar.

In Betracht kommen etwa auch Ermittlungen gegen die Querdenker-Szene aus diesen Jahren. Vorfälle in Zusammenhang mit der rechten Straftatenserie in Neukölln sollen nicht betroffen sein. Im Neukölln-Komplex untersucht aktuell ein Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus bisherige Ermittlungspannen und Versäumnisse bei der Polizei.

Grüne und Linke wollen Vorfall im Abgeordnetenhaus thematisieren

Gegen den früheren Kommissariatsleiter und den zuständigen Sachbearbeiter wird nun ermittelt. Unklar sei bislang, welcher der beiden Beamten oder ob beide zusammen die Schuld tragen. Auch die Hintergründe sind bislang unklar, etwa ob der Sachbearbeiter überlastet war. Dierschke kündigte an, dass die 300 Fälle nun schnellstmöglich geprüft, bearbeitet und an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergegeben werden sollen.

Grünen- und Linken-Abgeordnete zeigten sich entsetzt über den Vorfall und forderten eine lückenlose Aufklärung, auch von Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Sprecher beider Fraktionen kündigten an, den Vorfall auf die Tagesordnung des Innenausschusses am kommenden Montag setzen zu wollen.

Dass 300 Fälle rechter Straftaten beim Staatsschutz nicht bearbeitet wurden, ist ein Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen von rechter Gewalt in Berlin.

Die Linken-Abgeordneten Ferat Kocak und Niklas Schrader in einem gemeinsamen Statement.

„Leider reiht sich dieser Fall ein in eine Serie von Vorfällen, die insbesondere bei Betroffenen rechter Straftaten Misstrauen in den Staat und seine Strukturen schüren“, kommentierte Ario Mirzaie, Sprecher der Grünen-Fraktion für Strategien gegen rechts.

Er erwarte „belastbare Antworten zu einer möglichen politischen Motivation der Beschuldigten und notwendige Konsequenzen, die künftig vermeiden, dass sich dieses staatliche Versagen bei der Verfolgung rechter Straftaten wiederholt“, teilte Mirzaie weiter mit.

Ähnlich äußerten sich die Linken-Abgeordneten Ferat Kocak und Niklas Schrader, die in ihrer Fraktion für antifaschistische und Innenpolitik zuständig sind. In einem gemeinsamen Statement sprachen Kocak und Schrader von einem „Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen von rechter Gewalt in Berlin“.

Nach den Missständen im Neukölln-Komplex sei „dies ein weiterer Baustein, der das ohnehin schon beschädigte Vertrauen in die Sicherheitsbehörden zerstört“, so Schrader und Kocak. Dass die Abgeordneten aus der Presse von dem Vorgang erfahren hätten, sei ein „Armutszeugnis für die Innensenatorin“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false