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Severin ist seit 20 Jahren Rammstein-Fan. „Wenn es um fehlenden Konsens geht, muss man auch als Fan die rosarote Brille ablegen“, sagt er.

© privat

„Es ist wie Liebeskummer“: Berliner Rammstein-Fans über die Vorwürfe gegen Till Lindemann

Im Juli spielt Rammstein drei ausverkaufte Konzerte in Berlin. Hier erklären Fans, warum sie trotz allem hingehen – oder ihre Karten verkaufen.

Von Priska Wörl

Am 15., 16. und 18. Juli tritt Rammstein im Berliner Olympiastadion auf. Die Konzerte in der Heimatstadt der Band sind ausverkauft, viele Fans hoffen noch auf Restkarten. Seit immer mehr Anschuldigungen gegen Frontmann Till Lindemann laut werden, ist die Stimmung unter den Berliner Fans allerdings getrübt.

„Es hätte genauso gut mich treffen können“, sagt die Potsdamerin Elena. Sie ist mit der Musik von Rammstein aufgewachsen, war schon auf etlichen Konzerten. „Mein Herz bricht für die Opfer“, schreibt sie. Elena kann nicht nachvollziehen, dass so viele Fans angesichts der Situation mit den Schultern zucken. Aber es tue ihr auch weh, dass alle Rammstein-Anhänger gerade über einen Kamm geschoren würden. Elena meint, Fans sollten objektiv bleiben oder nicht an der Diskussion teilnehmen. Sie hofft auf eine Auflösung des Konflikts und Gerechtigkeit auf beiden Seiten. „Ich stehe auf der Seite der Opfer“, schreibt sie.

Die 29-Jährige hat Tickets für eines der Berlin-Konzerte der Band. Sie habe sich unheimlich gefreut, die Karten ergattert zu haben. Doch nun werde sie wahrscheinlich nicht zum Konzert gehen. „Wie soll ich so ein Verhalten unterstützen?“, schreibt sie.

„Ungutes Gefühl“

Alex hat sich das Logo der Band auf den Unterarm tätowieren lassen: „Rammstein begleitet mich, seitdem ich zwölf bin. Seit vier Jahren trage ich die Band auch auf meiner Haut.“ Der 24-Jährige will in einigen Wochen auf sein drittes Rammstein-Konzert gehen.

Dennoch sagt er: „Es ist moralisch absolut nicht in Ordnung, was Till getan haben soll.“ Als die Vorwürfe publik wurden, habe er zunächst ein „ungutes Gefühl“ gehabt. Es sei ihm aber auch nicht neu gewesen – man habe immer wieder von derartigen Vorfällen gehört, sie aber nicht für wahr gehalten. Dennoch schmälere die Situation nicht seine Treue und Liebe zur Musik. Die Konzerte seien jedes Mal „der Wahnsinn“.

„Ich freue mich auf die atemberaubende Stimmung“

Melissa hat sich Till Lindemanns Unterschrift, zwei Liedzitate der Band und das Gesicht des Sängers tätowieren lassen.

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Für Melissa sind das Miteinander und die Stimmung auf Rammstein-Konzerten jedes Mal atemberaubend, berichtet sie. „Das ist wie eine große Familie, die einem hilft, unterstützt und aufmuntert.“ Die 21-Jährige hört Rammstein seit einigen Jahren. Sie hat sich Songzitate, Lindemanns Unterschrift sowie sein Gesicht tätowieren lassen. „Zu den Vorwürfen kann ich nichts sagen, da ich ja nicht dabei war“, sagt Melissa. Trotzdem findet sie, dass die Vorwürfe ernst genommen werden sollten.

Ihr erstes Rammstein-Konzert habe sie vergangenes Jahr besucht. In diesem Jahr sollen es direkt vier sein: zwei in München, eins in Berlin und eins in Brüssel. Melissa kommt eigentlich aus Hessen, für das Rammstein-Konzert im Juli fährt sie nach Berlin.

„Ich wünsche mir, dass es nicht stimmt“

Severin ist seit etwa 20 Jahren Rammstein-Fan mit Leib und Seele. Die Vorwürfe haben ihn sehr schockiert: „In mir herrscht gerade ein ziemliches Gefühlschaos.“ Es sei kein Geheimnis, dass es Sex mit Groupies gibt. „Wenn es um das Verabreichen von Drogen und fehlenden Konsens geht, muss man auch als Fan die rosarote Brille ablegen“, sagt er jedoch.

Wenn es um fehlenden Konsens geht, muss man auch als Fan die rosarote Brille ablegen.

Severin (29), Rammstein-Fan seit 20 Jahren

Der 29-Jährige wünscht sich eine Aufklärung der Vorwürfe und würde Konsequenzen ziehen, sollten sich diese bewahrheiten. Dennoch besucht er die aktuelle Tour: Er war bereits auf zwei Konzerten in München und will auch die Auftritte in Berlin sehen. Dafür reist er extra aus Bamberg an.

„Ich habe meine Karten verkauft“

„Ich bin schockiert“, sagt Katarina. Die Berlinerin ist seit 26 Jahren Rammstein-Fan und hat sich das ganze Jahr über auf das Konzert in Berlin gefreut. Letztes Jahr war sie sogar bei einem Meet and Greet mit den Bandmitgliedern. „Ich glaube, die Vorwürfe stimmen“, sagt die 40-Jährige. Sie findet aber, dass die Band nicht unter Till Lindemann leiden solle.

„Von der Row Zero und den After-Partys weiß ich seit Jahren“, berichtet Katarina. Auch sie selbst habe über Instagram Kontakt mit Lindemanns selbst ernannter „Casting-Direktorin“ Alena Makeeva gehabt, sei aber nie auf den After-Partys gewesen. Makeeva soll die Frauen rekrutiert haben, die Lindemann nach Angaben mehrerer mutmaßlicher Betroffener für sexuelle Handlungen zugeführt wurden. Dass K.-o.-Tropfen und Drogen zur Betäubung verwendet worden sein könnten, bestürzt Katarina. Ihre Konzertkarten hat die Berlinerin verkauft, nachdem sie von den Vorwürfen gehört hat. „Die Tickets waren innerhalb von ein paar Minuten weg.“

„Ich kann es nicht glauben, nach 25 Jahren“, schreibt Katarina auf Instagram unter dieses Foto von einem Meet and Greet mit der Band. Ihre Konzerttickets für dieses Jahr hat sie verkauft.

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„Ich stehe weiter hinter ihm und der Band“

Dana ist seit 18 Jahren Fan von Rammstein, kennt die Musik und Lindemanns literarische Arbeit gut. „Ich freue mich riesig auf das Konzert in Berlin“, sagt sie. Für sie ist die aktuelle Situation eine „moderne Hexenjagd“. Dana findet, Till Lindemann und die Band hätten das nicht verdient. „Wenn es tatsächlich zu Übergriffen kam, muss das Ganze natürlich zur Anzeige gebracht werden“, sagt sie jedoch.

Die 32-Jährige war bereits beim Auftakt der Tour im litauischen Vilnius und hat dort nach eigenen Angaben auch Till Lindemann getroffen. „Er war unglaublich freundlich, aufmerksam und sympathisch“, berichtet Dana. Für sie sei mit dem Treffen ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Dana sagt: „Ich stehe weiterhin hinter ihm und der Band.“

„Wie Liebeskummer“

Kristin ist Rammstein-Fan seit 1998. „Das ist gerade wie Liebeskummer“, sagt sie. Auf ihrem ersten Konzert der Band war sie in der Berliner Wuhlheide, seitdem hat die 42-Jährige mehr als zehn Rammstein-Konzerte besucht. Es sei schon immer klar gewesen, dass es After-Partys gibt und „sexy Mädels“ dafür ausgewählt worden seien. „Es muss aber freiwillig sein“, stellt Kristin klar.

Die Berlinerin glaubt, dass an den Vorwürfen gegen den Frontmann etwas dran ist. Aber für sie ist Rammstein mehr als Till Lindemann. Deshalb will sie auch zu den Konzerten in Berlin gehen. Kristin hat auch Tickets für Lindemanns Solo-Konzert im November, auf das sie wahrscheinlich nicht gehen wird.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Rammstein spiele zwei Konzerte in Berlin. Tatsächlich sind es drei Konzerte. Der Fehler wurde inzwischen korrigiert.

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