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Ist auch mit virtueller Bildgestaltung aus Berlin entstanden: die Serie Babylon Berlin.

© imago/Prod.DB

Geld fürs Tricksen: Berlin startet neues Förderprojekt für die digitale Film-Produktion

Zwei Millionen gibt es ab August für die Macher visueller Spezialeffekte. Die Branche hofft, langfristig konkurrenzfähig zu werden.

Was haben das täuschend echte Känguru in der Verfilmung der „Känguru-Chroniken“, das Konzert-Publikum in „Gundermann“ über den Liedermacher Gerhard Gundermann und die historische Kulisse der preisgekrönten Serie „Babylon Berlin“ gemeinsam?

Sie alle wurden nicht gefilmt, sondern nach Dreharbeiten virtuell hinzugefügt, mithilfe digitaler Bildgestaltung am Computer. Sogenannte Computer Generated Imagery (CGI) und Visual Effects (VFX) werden neben der klassischen Filmproduktion immer wichtiger.

Die Berliner Firma „Rise FX“ aus Kreuzberg ist mit ihren digitalen Gestaltungen weit über die Grenzen der Hauptstadt bekannt geworden: Sie hat etwa für „Babylon Berlin“, aber auch für die erste von Netflix in Deutschland entwickelte, produzierte und gedrehte Serie „Dark“ optische Effekte entwickelt.

Am Mittwoch stellten Bürgermeisterin und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), der Chef der Berliner Senatskanzlei, Christian Gaebler und die Geschäftsführerin des Medienboard Berlin-Brandenburg, Kirsten Niehuus, im Charlottenburger Kino Delphi Lux ein neues Förderprogramm vor, das die Arbeit von Firmen wie „Rise FX“ in Berlin in Zukunft unterstützen wird. Zwei Millionen Euro jährlich stehen im Rahmen des Sonderprogramm „Digitale Film-Produktion“ zur Verfügung.

Praktischer Nutzen gewinnt durch Corona an Bedeutung

Pop setzt große Hoffnungen in das neue Förderprogramm: Nach dem Lockdown in der Filmproduktion sei dies jetzt der „richtige Zeitpunkt“, den Drehstandort Nummer eins auch in diesem Bereich zu stärken. Und Corona hätte gezeigt, dass visuelle Bildeffekte großen praktischen Nutzen hätten, etwa weil große Komparsengruppen nicht nötig seien, sondern Menschenmengen digital erschaffen werden könnten.

Es gehe nicht nur darum, Arbeitsplätze zu sichern, sondern auch immer mehr zu erschaffen, schließlich sei die digitale Filmproduktion ein „wachsendes Segment“.

Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin Filmförderung Medienboard Berlin-Brandenburg, Ramona Pop, Bürgermeisterin und Senatorin für Wirtschaft, und Christian Gaebler, Chef der Berliner Senatskanzlei bei der Vorstellung des neuen Förderprogrammes.
Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin Filmförderung Medienboard Berlin-Brandenburg, Ramona Pop, Bürgermeisterin und Senatorin für Wirtschaft, und Christian Gaebler, Chef der Berliner Senatskanzlei bei der Vorstellung des neuen Förderprogrammes.

© Medienboard Berlin-Brandenburg

Die Stärkung der Branche ist nicht nur aufgrund der durch Corona entstandenen Schwierigkeiten nötig. In den vergangenen Jahren sind viele Filmschaffende nach den Dreharbeiten für die Postproduktion nach Stuttgart und München weitergezogen, weil in diesen Städten bereits Förderstrukturen für digitale Filmproduktion vorhanden sind. Davon berichtet Florian Gellinger, der Mitgründer von „Rise FX“ ist.

Seine Firma etwa hätte aus diesem Grund Standorte in den beiden Städten eröffnen müssen, weil es internationale Auftraggeber dorthin gezogen hätte, erzählt er. Für die Serie „Dark“ habe seine Firma die Effekte für die erste Staffel noch in Berlin produziert, für die zweite und dritte Staffel aber sei man in den Süden Deutschlands gegangen.

Über Berlin sagt Gellinger: „Es war die letzten Jahre ein Albtraum.“ Nun erhoffe man sich, hochspezialisierte Mitarbeiter verstärkt für die Arbeit in der Bundeshauptstadt zu gewinnen – und zwar dauerhaft.

Berlin bald auf Augenhöhe mit Montreal und London?

Staatskanzleichef Christian Gaebler betonte bei der Vorstellung des Programms, es gehe nicht darum, sich in einen „ruinösen Bieterwettbewerb mit anderen deutschen Standorten“ zu begeben. Vielmehr wolle man für den Standort Deutschland insgesamt werben. Die Branche selbst ist sehr international, Arbeitssprache ist in der Regel Englisch.

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Die Infrastruktur für virtuelle Bildgestaltung ist besonders stark in Montreal (Kanada), Bangalore (Indien) und – in Europa – vor allem in London. Dabei sei es eigentlich ein riesiger Vorteil, wenn die Firmen für digitale Filmproduktion nicht nur in derselben Zeitzone, sondern auch in unmittelbarer Nähe zu den Drehorten arbeiten würden, sagen Branchenvertreter. Und Berlin ist ein beliebter Drehort.

Mit Blick auf London haben die Verantwortlichen eine Hoffnung: Mit dem neuen Förderprogramm möchte man nach dem Brexit einen Teil der bislang dort tätigen Szene nach Berlin locken. „Wir würden den Firmen gerne eine neue Heimat bieten“, sagt Notker Schweikhardt, Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin und Sprecher für Kulturpolitik und Kreativwirtschaft in der Grünen-Fraktion.

Er hat die Umsetzung der neuen Förderung von Anfang an unterstützt. Schweikhardt schwärmt von der parteiübergreifenden Anstrengung, die Mittel für das Förderprogramm bereitzustellen. Zwar sei man eigentlich in Berlin „zu spät dran“. Trotzdem hofft er auf einen positiven Effekt.

Brandenburg könnte kommendes Jahr nachziehen

Dabei klingt die Anzahl der Firmen, die sich ab August auf die Förderung bewerben können, zunächst recht klein: zehn bis 15 Firmen seien derzeit antragsberechtigt, schätzt Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin des Medienboard Berlin-Brandenburg, das als staatliches Unternehmen die Förderung umsetzen wird. Obwohl die Mittel zunächst nur für Berlin gelten, hofft Niehuus, dass Brandenburg im kommenden Jahr nachziehen wird.

Zunächst werden sich allerdings nur in Berlin ansässige Firmen um einen Zuschuss bewerben können, der 20 Prozent der hier anfallenden Herstellungskosten, maximal jedoch 500.000 Euro umfasst. Das Geld brauchen die Firmen dabei weniger für Technik als für die „goldenen Kälber“, wie „Rise FX“-Mitgründer Florian Gellinger sie nennt: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus einer grünen Wand, vor der Schauspieler Aufnahmen machen, Gründerzeitgebäude erschaffen können oder einen real aussehenden Drachen.

Dass ausländische Filme und Serien oftmals erfolgreicher sind als deutsche, liegt offensichtlich auch an virtuellen Bildeffekten, die den veränderten Sehgewohnheiten entsprechen. Gellinger findet, die Förderung sei deswegen enorm wichtig, damit Berlin im internationalen Wettbewerb „visuell konkurrenzfähig“ werde.

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