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Berlin-Grunewald, April 2023: Ein Polizei-Mitarbeiter steht am Taxi des Getöteten.

© dpa

Getöteter Taxifahrer in Berlin: Der Prozess beginnt – die Familie des Opfers sucht Antworten

Fünf Monate nach dem Tod eines Taxifahrers verhandelt das Landgericht Berlin die Mordanklage gegen den Tunesier Hassem B. Der Angeklagte wird als psychisch krank eingestuft.

Es hätte jeden anderen Taxifahrer treffen können, der am Morgen des 6. April am Bahnhof Südkreuz auf Kunden wartete. Es traf Mustafa A. Mit einem Messer wurde er getötet – wegen zehn Euro. Gegen den geständigen Täter, den 24-jährigen Hassem B., beginnt am Dienstag am Landgericht der Prozess wegen Mordes und Raubes mit Todesfolge. Sechs Verhandlungstage sind angesetzt, auch ein Ex-Profi-Fußballer von Hertha BSC soll als Zeuge aussagen.

Es ist ein Fall, der neben all der Brutalität die Ungewissheit zwischen Leben und Tod offenbart: Jederzeit kann es schnell vorbei sein – durch Zufall. Zur falschen Zeit am falschen Ort? Was wäre wenn? Warum ausgerechnet Mustafa A., 49 Jahre alt, aufgewachsen in Deutschland, zweifacher Familienvater? Das fragen sich auch die Angehörigen. Sie treten als Nebenkläger in dem Prozess auf, lassen sich vertreten vom Anwalt Benedikt Lux.

Taxi fuhr er eher selten – als Zuverdienst

Mustafa A. war Zugdisponent, neben seinem Job bei der Bahn, ab und an, eher selten fuhr er als Zuverdienst das Taxi seines Bruders. So war es auch an diesem Donnerstagmorgen am Südkreuz. Andere Taxifahrer fragte er noch, wo er sich anstellen solle. Er wollte nicht anmaßend sein, Rücksicht nehmen. Hätte er an diesem Tag eine Schicht bei der Bahn gehabt, wäre er kein Taxi gefahren – er wäre wohl noch am Leben.

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Verhandlungstage sind für den Prozess angesetzt

Hassem B. wurde von einem anderen Fahrer noch abgewiesen, wie die Ermittler später herausfanden. Dann stieg der Tunesier bei Mustafa A. ein. Es ging in Richtung Grunewald, die Adresse: ein Hotel. Als das Taxi um 8.30 Uhr in der Brahmsstraße ankommt, greift Hassem B. zu einem Klappmesser und sticht Mustafa A. in den Hals. Aber warum?

Laut den Ermittlungen soll B. einen Zehn-Euro-Schein in der Ablage des Fahrers gesehen haben – und dieses Geld wollte er haben, kaufte sich damit später Essen. Ein Leben für zehn Euro. Das andere Bargeld des Fahrers, weit mehr als zehn Euro, nahm er nicht. Hassem B. war als Kind mit seiner Mutter aus Tunesien geflüchtet, über Lampedusa in Italien kam er nach Belgien. Er ist vorbestraft wegen Diebstahls und anderer Delikte.

Zwei Tage vor seiner Tat in Berlin soll er im belgischer Etterbeek seine Freundin, die 53-jährige Eleonora S. getötet haben – offenbar mit jenem Messer, mit dem er später auch in Berlin zustach. Nach der Tat in Belgien flüchtete er nach Deutschland. Als er Mustafa A. erstochen hatte, stieg er aus dem Taxi und fragte einen Passanten auf Englisch nach dem Weg zu einem Bus. Es war Sami Allagui, einst Profi-Fußballer, der erst im Februar Leiter des Teammanagements bei Hertha BSC geworden war.

Allagui gab den ersten entscheidenden Tipp für die Polizei. Die Ermittler wussten nun, dass B. mit dem Bus fahren wollte, und sicherten das Videomaterial der BVG. B. flüchtete per Fernzug nach Hamburg und weiter nach Flensburg. Dort kontrollierten Polizeibeamte ihn und konnten ihn identifizieren. Den Ermittlern sagte B. später, dass er nach Norwegen und dort ins Kokaingeschäft einsteigen wollte. Ob das stimmt – unklar. B. wird als psychisch krank eingestuft. Im Raum steht vor Gericht die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus.

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