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Die Löcher für die Dübel werden per Hand gebohrt

© Jörn Hasselmann

Drei Kilometer neue Schienen: Berliner Stadtbahn bleibt auf Jahre eine Baustelle

In diesem Jahr fahren fünf Wochen keine Fern- und Regionalzüge auf der Stadtbahn – in den nächsten Jahren gehen die Bauarbeiten weiter. Am Dienstag zeigte die Bahn, wie viel Handarbeit nötig ist.

Die Berliner Stadtbahn ist eine der am stärksten befahrenen Bahnstrecken Deutschlands. Deshalb trifft es immer besonders viele Fahrgäste, wenn gebaut werden muss. Nach zweiwöchiger Sperrung sollen ab Donnerstag wieder Regional- und Fernzüge fahren. Doch diese gute Nachricht ist von kurzer Dauer, schon am 9. Juni beginnt die nächste Sperrpause zwischen Hauptbahnhof und Ostbahnhof. Dann werden wieder alle Regionalzüge vorzeitig enden, der RE1 zum Beispiel schon in Charlottenburg oder am Ostbahnhof. Auch in dieser zweiten Phase müssen Fahrgäste in die S-Bahn umsteigen. Denn die S-Bahn hat zwei eigene Gleise, auf denen nicht gebaut wird.

Am Dienstag zeigte Bahn-Projektleiter Marcus Schattschneider, wie viel Handarbeit erforderlich ist. Zwei Dutzend Arbeiter bohren mit der Hand Löcher und stopfen in diese Dübel, damit die neue Schiene befestigt werden kann. Derzeit werden zwischen Hauptbahnhof und Friedrichstraße die Schienen ausgetauscht, 3200 Meter insgesamt. Schienen tauschen, das ist Alltag seit Erfindung der Eisenbahn.

Doch auf der Stadtbahn ist alles anders. Hier liegen die Gleise in einer sogenannten Festen Fahrbahn, quasi in einem Betonbett. Bei der Sanierung der Stadtbahn 1997/1998 war diese Technik mit dem Argument eingebaut worden, dass sie wartungsärmer sei als das herkömmliche System mit Schotter und Schwellen. Damit lagen die Ingenieure ziemlich daneben.

Ausweichen auf die S-Bahn.
Ausweichen auf die S-Bahn.

© Jörn Hasselmann

Bei Inspektionen hatte die Bahn im September 2022 Schäden an rund eintausend Befestigungspunkten dieser Festen Fahrbahn entdeckt. Diese seien „nicht vorhersehbar“ gewesen, müssen aber aus Sicherheitsgründen schnell behoben werden. Diese Befestigungen werden in diesem Jahr auf dem östlichen Abschnitt erneuert. Der westliche Abschnitt zwischen Hauptbahnhof und Charlottenburg soll im kommenden Jahr folgen. „Wir zahlen Lehrgeld“, hatte der regionale Konzernbevollmächtigte  Alexander Kaczmarek bei der Vorstellung des Bauprogramms im Februar geklagt. Probleme mit der Konstruktion gibt es auch anderswo, im vergangenen Jahr war die Schnellstrecke nach Hamburg monatelang gesperrt, dort wurde die „Feste Fahrbahn“ wieder durch das alte System ersetzt.

Neue Technik, ohne Zulassung

Auf der Stadtbahn, die innerstädtisch auf gemauerten Viadukten verläuft, scheidet das wegen des Umfangs der Arbeiten aus. Auf normalen Strecken können Gleisbauzüge eingesetzt werden, die vollautomatisch vorne das alte Gleis aufnehmen und hinten das neue verlegen. Wie Schattschneider sagte, wird nun erneut eine neue Technik eingebaut, für die es noch nicht einmal eine Zulassung durch das Eisenbahnbundesamt gibt. Auf dem Abschnitt werde es künftig monatliche „Sonderinspektionen“ geben, um zu überprüfen, ob die Dübel halten.

Es ist nicht der einzige Konstruktionsfehler auf der Stadtbahn. Aufgeschoben um mehrere Jahre ist derzeit die Sanierung der sogenannten „FÜK“ am Hauptbahnhof, also den Fugen, mit denen die zahlreichen Brücken am Hauptbahnhof miteinander verbunden sind. FÜK ist die Abkürzung für Fahrbahnübergangskonstruktion und für Pendler noch auf viele Jahre der Grund für lange, weitere Sperrungen. Am 2006 eröffneten Hauptbahnhof wurden die falschen FÜKs eingebaut. Bereits kurz nach Eröffnung hatte sich herausgestellt, dass die Fugen den Belastungen nicht standhalten und die Schrauben sich lockern. Deshalb gilt seit 2011 am Hauptbahnhof für Regios und ICE ein Tempolimit.

Das sind die Bauvorhaben der Deutschen Bahn 2023
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© Rita Boettcher

Testweise wurden 2019 zwei der 38 Fugen erneuert. Es stellte sich heraus, dass die Arbeiten immens kompliziert und langwierig sind. Problem ist, dass die FÜK sowohl in Fernbahngleisen als auch bei der S-Bahn eingebaut wurden. Derzeit nennt die Bahn intern die Jahre 2024 bis 2027 für den Tausch der fehlenden 36 Fugen. Die echten, großen Sperrungen stehen dem Hauptbahnhof also noch bevor.

Natürlich ist die Stadtbahn nicht die einzige Baustelle der Bahn. Noch bis Juli wird zwischen Berlin und Eberswalde gebaut, im August zwischen Charlottenburg und Griebnitzsee.

Alle fünf Minuten rollt ein Zug über die beiden Fern- und Regionalbahngleise der Stadtbahn. Diese ist vor 140 Jahren gebaut worden und hat viele enge Kurven. Die Schienen und die Fahrbahn verschleißen dadurch schneller. „Vorübergehende Sperrungen und größere Einschränkungen lassen sich deshalb leider nicht vermeiden“, warnt die Bahn vorsichtshalber.

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