zum Hauptinhalt
Ende September und Oktober wurde ebenfalls für kleinere Klassen gestreikt.

© Foto: Paul Zinken/dpa

Kurz vor der Verbeamtungswelle in Berlin: GEW ruft Schulbeschäftigte zum sechsten Streiktag auf

Mit einem erneuten Warnstreik will die Gewerkschaft den Druck auf den Finanzsenator erhöhen. Sie fordert trotz des Lehrkräftemangels einen Tarifvertrag für kleinere Klassen.

Berlins Familien müssen sich erneut auf Unterrichtsausfall einstellen: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kündigte am Donnerstag einen weiteren ganztägigen Warnstreik an. Es wäre der sechste seit Juni 2021, er ist am 25. November mit einer Demonstration und anschließender Kundgebung am Brandenburger Tor geplant. Aufgerufen sind neben den angestellten Lehrkräften auch Sozialpädagog:innen und Schulpsycholog:innen der staatlichen Schulen.

Die Gewerkschaft will mit dem Streik den Druck auf Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) erhöhen, Gespräche über einen Tarifvertrag zum Gesundheitsschutz zu führen. Mit dem Tarifvertrag will sie verbindlich festschreiben, dass die Klassen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen kleiner als bisher werden sollen.

Wesener lehnt die Gespräche mit dem Argument ab, dass die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), zu der Berlin gehört, einen solchen Tarifvertrag nicht dulden würde, weil er das Einfalltor für vergleichbare Regelungen in anderen Bundesländern wäre. Daher werde die TdL Berlin ausschließen, falls der Senat einen solchen Vertrag abschließen würde, lautet die Erwartung. Das aber soll nach den schlechten Erfahrungen nach Berlins letztem langjährigen Ausschluss verhindert werden.

Warum das Streikziel abgelehnt wird

Dass weder Berlin noch die TdL ein Interesse an einem solchen Tarifvertrag haben, hat drei Gründe:

  • Je kleiner die Klassen, desto größer der Personalbedarf. Das ist teuer.
  • Der Lehrkräftemangel wird auf absehbare Zeit bestehen bleiben. Kleine Klassen wären also gar nicht machbar.
  • Je kleiner die Klassen, desto mehr Klassen gibt es und desto größer ist damit der Raumbedarf. Auch er ist knapp – vor allem in Berlin.

Die GEW versucht diese Argumente damit zu entkräften, dass die Umsetzung nicht ad hoc erfolgen müsse. Man wolle nur schon mal die Regelungen vertraglich festschreiben, damit die Politik die Weichen in der Lehrkräfteausbildung und der Schulraumplanung entsprechend stelle. Dafür bekommt sie auch Unterstützung vom Landeselternausschuss.

Wir werden die Forderung der GEW ab sofort unterstützen, um unsere Kinder, aber auch das pädagogische Personal perspektivisch zu entlasten.

Norman Heise, Landeselternsprecher, anlässlich des Warnstreiks am 18. Oktober

Das Argument, dass es jetzt erstmal nur darum gehe, die richtigen Weichen zu stellen, verfängt allerdings weder bei der TdL noch beim Finanzsenator. Denn in jedem Fall käme es zu gewaltigen Mehrkosten. Das zumindest legt die Erfahrung aus dem Gesundheitswesen nahe, wo bereits ein vergleichbarer Tarifvertrag existiert. Dort wird das Verhältnis von Pflegern zu Patienten festgeschrieben. Wegen des Personalmangels, der auch dort herrscht, wird die vorgeschriebene Patientenzahl oft überschritten. Im Gegenzug muss den Mitarbeitern ein Zuschlag gewährt werden.

Streik der Pflegekräfte. Auch hier ging es um die Eindämmung der Arbeitsbelastung.
Streik der Pflegekräfte. Auch hier ging es um die Eindämmung der Arbeitsbelastung.

© dpa / Jörg Carstensen

Das aber wäre mit der TdL nicht zu machen, heißt es, weil es letztlich doch um Zuschläge, also Geld, ginge und damit um ein Feld, das nur die TdL und nicht eines ihrer Mitgliedsländer allein beackern könne. Für Gebilde wie Vivantes oder Charité gilt das nicht, weil sie nicht in der TdL sind. Für die Unikliniken in Nordrhein-Westfalen, die zur TdL gehörten und dennoch eine vergleichbare Regelung wie Charité und Vivantes haben wollten, bedeutete dies, dass sie aus der TdL austreten mussten.

Warum die GEW trotz schwacher Perspektive streikt

Wegen der Abhängigkeit von der TdL gilt der Streik unter erfahrenen Gewerkschaftern als zum Scheitern verurteilt. Es sei also die Frage, „warum die GEW das den Schü.ler:innen dennoch antut“. Dafür werden von Beobachtern mehrere Antworten genannt:

  • Da sich viele Lehrkräfte kleinere Klassen wünschten, wolle die GEW bei aktuellen und potentiellen Mitgliedern punkten, auch wenn der Streik kaum Aussicht auf Erfolg habe.
  • Da etwa 16.000 Lehrkräfte ab dem Jahreswechsel kurz- und mittelfristig verbeamtet werden, und Beamte – zumindest bisher – nicht streiken dürften, sei das jetzt die letzte Gelegenheit, noch genügend Mitglieder auf die Straße zu bringen.
  • Der GEW-Vorstand wolle sich profilieren, weil er durch sein „ungeschicktes Taktieren“ bewirkt habe, dass die GEW mitsamt den Interessen der Schulbeschäftigten auf Jahre nicht mehr im Vorstand des Hauptpersonalrats vertreten sei.

Die GEW selbst nennt andere Gründe für ihre Streikaktivitäten zugunsten kleinerer Klassen. Die Beschäftigten brauchten „eine verlässliche Perspektive für bessere Arbeitsbedingungen“, betont Anne Albers, die Leiterin des GEW-Vorstandsbereichs für Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik.

Anders werde Berlin den Fachkräftemangel nicht beheben „und im Gegenteil immer mehr qualifizierte und motivierte Lehrkräfte verlieren“. Zudem erinnerte die GEW an das Ergebnis einer Befragung unter angestellten Lehrkräften. Diese Befragung habe ergeben, dass die Klassengröße „die wirksamste Stellschraube bei der Senkung der Arbeitsbelastung ist.“

Streikerfahrene Mitglieder wundern sich allerdings über das Vorgehen des Vorstands, lauter einzelne Warnstreiktage aneinanderzureihen: Die GEW laufe Gefahr, dass die Luft raus sei, bevor es zum eigentlichen Erzwingungsstreik komme.

Schon jetzt sei die Streikbeteiligung mit rund 2500 bis 3000 Mitgliedern nicht „berauschend“. Zwar spricht die GEW von 3500 Streikenden, jedoch wusste die Bildungsverwaltung zuletzt nur von rund 2600 Beschäftigten, die von den Schulen als streikend gemeldet worden seien.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false