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Wer den Laden während der Coronakrise am Laufen halten muss, hat Anspruch auf Notbetreuung seiner Kinder.

© Kitty Kleist-Heinrich

Liste systemrelevanter Berufe erweitert: Mehr Plätze für die Kinderbetreuung

Mehr Berufsgruppen werden in der Liste berücksichtigt, doch es gibt Probleme bei der Auslegung. Juristen sehen sich nicht ausreichend berücksichtigt.

Die gute Nachricht zuerst: In Berlin haben ab sofort mehr Eltern Anspruch auf die Notbetreuung ihrer Kinder in Kita oder Schule. Seit Mittwoch gilt eine neue Liste der sogenannten systemrelevanten Berufe mit Anspruch auf Betreuung. Nun darf sein Kind in die Kita bringen, wer zum betriebsnotwendigen Personal bei der Bundesagentur für Arbeit oder dem Jobcenter, den Gesundheits- und Ordnungsämtern der Bezirke, dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten sowie im Fahrdienst oder den Leitstellen von BVG oder S-Bahn Berlin gehört oder dort Schlüsselfunktionsträger ist.

Außerdem berücksichtigt sind Mitarbeiter von stationären Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, des regionalen Sozialen Dienstes sowie ausgewählter Dienste der Bundeswehr. Für alle gilt: Es reicht aus, wenn ein Elternteil in einer dieser Berufsgruppen arbeitet, um Anspruch auf Notbetreuung der Kinder zu haben.

Juristen offenbar außen vor gelassen

Die schlechte Nachricht: Offenbar gibt es Probleme bei der Auslegung der neuen Liste, weil darin nicht alle, sondern nur einzelne vom Anrecht auf Notbetreuung erfasste Berufsbezeichnungen aufgelistet sind. Tagesspiegel-Informationen zufolge gab es am Mittwoch mindestens einen Fall, in dem einer Richterin mit Verweis auf die neue Liste die Betreuung ihres Kindes zunächst verwehrt wurde. Am Ende eines längeren Gesprächs durfte sie ihr Kind zwar in der Kita abgeben, allerdings auf Bewährung.

Neuerdings dürfen auch Mitarbeiter der Ordnungsämter ihre Kinder in der Notbetreuung unterbringen, sofern sie zum betriebsnotwendigen Personal gehören oder Schlüsselfunktionsträger sind.
Neuerdings dürfen auch Mitarbeiter der Ordnungsämter ihre Kinder in der Notbetreuung unterbringen, sofern sie zum betriebsnotwendigen Personal gehören oder Schlüsselfunktionsträger sind.

© imago images/Seeliger

In Justizkreisen zog der Fall schnell Kreise, landete schließlich beim Gesamtrichterrat. Auch der hatte Probleme beim korrekten Erfassen der Liste aus der Bildungsverwaltung, kontaktierte den von ihm zuletzt heftig kritisierten Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und sprach in einer ersten Stellungnahme von einem „Eingriff in die Gewaltenteilung“.

Wenn Richter und Mitarbeiter der Gerichte ihren Anspruch auf Notbetreuung verlören, drohe selbst der Notbetrieb an den Berliner Gerichten zusammenzubrechen, warnte ein Vertreter des Richterrats. Man gehe „wohlwollend“ davon aus, „dass wir einfach nur vergessen wurden“, hieß es weiter. Von einem „schlechten Scherz“ war die Rede.

Sebastian Brux, Sprecher der Justizverwaltung, zeigte sich überrascht von dem Vorgang. Er erklärte, sein Haus habe von der neuen Liste der Senatsverwaltung für Bildung keine Kenntnis. Auch ihm sei unklar, warum Richter, Staatsanwälte und Gerichtsmitarbeiter darauf nicht explizit erwähnt seien.

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„Die Liste schafft nicht mehr Klarheit, als wir bislang hatten“, sagte Brux, lobte aber gleichzeitig die bislang komplikationslose Inanspruchnahme der Notbetreuung für Angehörige der Justiz. Brux erklärte, die Bildungsverwaltung sei bereits kontaktiert und um Ergänzung der Liste gebeten worden.

Aus Richterkreisen hieß es, auch der Justizsenator selbst habe sich um Klärung bemüht. Behrendt wiederum war zuletzt aus der Richterschaft heraus immer wieder kritisiert worden und war unter Druck geraten. Anlass dafür ist ein Streit zwischen Gesamtfrauenvertretung der Justiz und Richterrat auf der einen sowie Behrendt auf der anderen Seite.

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Dabei geht es um eine Novelle des Landesgleichstellungsgesetzes, der zufolge die Gesamtfrauenvertreterin künftig nicht mehr an Sitzungen des Präsidialrats beteiligt werden soll. Diese protestiert unter anderem deshalb, weil Frauen in der Justiz bei Beförderungen noch immer unterrepräsentiert sind.

Iris Brennberger, Sprecherin der Bildungsverwaltung, reagierte gelassen auf den Wirbel um die neue Liste systemrelevanter Berufe. Im gesamten Verlauf der Corona-Maßnahmen sei es nicht zur Reduzierung von Anspruchsberechtigten gekommen, weshalb auch Richter sowie deren Geschäftsstellen als Teil der Zwei-Eltern-Regelung weiter Anspruch auf Notbetreuung hätten.

Sie erklärte weiter, aktuell kämen acht Prozent aller Kita-Kinder in die Notbetreuung. Aufgrund der Systemrelevanz der Berufe ihrer Eltern wäre rund zwölf Prozent anspruchsberechtigt.

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