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Das STEMO - ein Rettungsfahrzeug - Stroke-Einsatz-Mobil für verbesserte Schlaganfallversorgung ist ein Gemeinschaftsprojekt von Charitè und Berliner Feuerwehr.

© Doris Spiekermann-Klaas/TSP

Update

Machtwort von Michael Müller: Schlaganfall-Rettungswagen bleiben in Berlin bis 2021 erhalten

Der Regierende Bürgermeister stellt sich gegen den Innenausschuss: Mit einem Machtwort setzt Michael Müller zwei Jahre Verlängerung für die „Stemo“ durch.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat zur Zukunft der Schlaganfall-Rettungswagen ein Machtwort gesprochen. Er habe "unmissverständlich deutlich gemacht, dass das Projekt bis mindestens 2021 weitergeführt wird", sagte Regierungssprecherin Claudia Sünder am Dienstag dem Tagesspiegel.

Müller, in dessen Senatskanzlei auch das Wissenschaftsressort angesiedelt ist, befinde sich dazu weiterhin mit den beiden beteiligten Senatsverwaltungen für Gesundheit und Inneres im Gespräch. Für eine Entscheidung über die weitere Zukunft des Projekts soll auch das Ergebnis des Evaluationsprozesses hinzugezogen werden, sagte Sünder.

Damit stellt sich Müller gegen die Entscheidung des Innenausschusses des Abgeordnetenhauses vom Montag. Der hatte im Zuge der Beratungen des Doppelhaushaltes 2020/21 beschlossen, das Projekt einzustellen. Mit Müllers Machtwort dürften die Koalitionäre die Entscheidung des Innenausschuss nun im Hauptausschuss wieder revidieren.

CDU-Fraktionschef Burkard Dregger sagte, es sei erfreulich, dass sich Müller seiner Forderung anschließe, die Spezialfahrzeuge zu erhalten. „Nur kommt sein Machtwort viel zu spät, die Linke tanzt ihm auf der Nase herum, in dem sie den Streich-Beschluss verteidigt. Wer hat in dieser Chaos-Regierung das Sagen?“

Bislang gibt es drei Stroke-Einsatz-Mobile, kurz „Stemo“. Das Berliner High-Tech-Projekt, gestartet im Jahr 2011, findet inzwischen weltweit Nachahmer. Die Fahrzeuge sind mit Computertomographen, Mini-Laboren und Telemedizin ausgestattet.

Im Etatentwurf des Senats waren drei Millionen Euro für Einsatz und Betrieb veranschlagt. Immerhin 12.000 Berliner erleiden jedes Jahr einen Schlaganfall. Doch auf Antrag der rot-rot-grünen Koalition im Ausschuss sollte der Posten gestrichen werden. Zur Begründung hieß es vom Innenausschuss-Mitglied Wolfgang Albers (Linke), es gebe keinen Nachweis dafür, dass Schlaganfallpatienten in Berlin durch die Stemo bessere Chancen hätten.

Feuerwehr gegen Weiterbetrieb

Innenausschuss-Mitglied Tom Schreiber (SPD) befand: Die Innenpolitiker der Regierungskoalition seien aus fachlichen Gründen gegen das Projekt: „Wer der Basis den Rücken stärken will, braucht mehr Rettungswagen in der Fläche.“

Die Innenpolitiker der Koalition hatten mit der Feuerwehr einen Deal ausgehandelt: Die Geld sollte in neue Rettungswagen und mehr Personal für die Feuerwehr investiert werden, um die Anfahrtszeiten wieder auf acht Minuten zu verkürzen.

Auch die Führung der Feuerwehr hat sich gegen den Weiterbetrieb ausgesprochen. Sie verweist auf hohe Betriebskosten, die Anfälligkeit der Fahrzeuge, Personalausfälle und die fehlende Finanzierung durch Krankenkassenverbände.

Die Innenpolitiker der Koalition hatten mit der Feuerwehr einen Deal ausgehandelt: Die Geld sollte in neue Rettungswagen und mehr Personal für die Feuerwehr investiert werden, um die Anfahrtszeiten wieder auf acht Minuten zu verkürzen.

Gesundheitsverwaltung und GdP für Stemo-Projekt

Lena Högemann, Sprecherin von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), sagte, die Gesundheitsverwaltung könne „die geplante Einstellung der Stemos nicht gutheißen“. Das Projekt sollte wie geplant wissenschaftlich evaluiert werden – dafür sei der Weiterbetrieb bis 2021 nötig. Die Mobile seien eine „sinnvolle Ergänzung“ zu den Schlagfall-Spezialabteilungen an Kliniken.

Der Wissenschaftsexperte der Linksfraktion, Tobias Schulze, erklärte, das Projekt und die Erkenntnisse hätten auch Bedeutung über Berlin hinaus für strukturschwache Regionen. Schulze sprach sich dafür aus, wegen der wissenschaftspolitischen Bedeutung das Stemo-Projekt fortzusetzen und dennoch mehr übliche Rettungswagen anzuschaffen.

Auch Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei, die für die Beschäftigten der Feuerwehr aktiv ist, sprach sich für die Fortsetzung des Projekts aus. "Wir freuen uns, dass der Senat mehr Rettungswagen auf die Straße bringen möchte, sie können aber die Stemos nicht ersetzen. Durch diese Fahrzeuge wurde die Einleitung der Behandlung von unblutigen Schlaganfällen um ein Vielfaches beschleunigt, was letztlich ein besseres und schnelleres Outcoming - weniger Folgeschäden und kürzere Rehabilitation- zur Folge hat", sagte Jendro.

"Wir haben in Berlin zwar noch eine gute Krankenhausdichte, die den schnellen Transport in eine Stroke-Unit ermöglicht, die Abläufe in den Krankenhäusern aber sind zu langatmig", sagte der GdP-Sprecher weiter. "Der Faktor Zeit ist bei einem Schlaganfall die entscheidende Komponente. Je eher eine entsprechende Behandlung eingeleitet wird, umso größer ist die Chance, möglichst wenig Gehirnpotential zu verlieren."

Charité findet Zahlen von Innenausschuss und Feuerwehr nicht nachvollziehbar

Die Charité als medizinischer Betreiber hatte die Entscheidung des Innenausschusses kritisiert: „Die Evaluation ist noch nicht abgeschlossen, sodass gar keine aussagefähige Bewertung vorliegen kann“, sagte Heinrich Audebert vom Centrum für Schlaganfallforschung. Es habe Einigkeit mit der Innenverwaltung und der Feuerwehr bestanden, dass die Evaluation abgeschlossen werden müsse.

Audebert nannte die Zahlen von Linksfraktion und Feuerwehr nicht nachvollziehbar. Von 12000 Berliner Schlaganfallpatienten könnten 1200 pro Jahr bei einem Gefäßverschluss im Gehirn per Thrombolyse behandelt werden – die Hälfte davon durch die Stemo.

Durch die schnelle Behandlung schon in den Spezialfahrzeugen könnten die Folgen wie Sprachstörung oder Lähmung gemindert werden. Wegen Organisationsmängeln beim Einsatz der drei Wagen hätten bis Frühjahr noch keine validen Daten vorgelegen.

Belastbare Daten könnten erst seit Mai 2019 erfasst werden. Für die Neurologie, ein Exzellenzcluster an der Charité, sei das Projekt zugleich eine Möglichkeit, neue Therapiestrategien zu entwickeln. Auch werde derzeit günstigere Diagnosetechnik für die Stemo entwickelt.

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