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Sportlich. Das Fußballstadion im Jahn-Sportpark.

© imago/Schöning

„Mit Hilfe vom rechten Rand“: Pankower SPD nutzt AfD-Stimmen für Beschluss zum Jahn-Sportpark

„Handstreich“ in Pankow: Die SPD "überrumpelt" Linke und Grüne und bringt ein Abrissvotum zum Jahn-Stadion durch - auch dank der AfD.

Von Christian Hönicke

Am Ringen um die Zukunft des Jahn-Sportparks droht die rot-rot-grüne Zählgemeinschaft in Pankow zu zerbrechen. Linke und Grüne warfen der SPD Vertrauensbruch vor und stellten die künftige Zusammenarbeit infrage. "Das war eine miese Nummer der SPD", erklärte Grünen-Fraktionschef Oliver Jütting. Er warf der SPD vor, sie habe „kein Problem damit gehabt, sich durch Stimmen vom rechten Rand unterstützen zu lassen“.

Was war passiert? Die SPD forderte auf der Bezirksverordnetenversammlung am Mittwoch überraschend von den restlichen Bezirksverordneten ein klares Bekenntnis zu den Umbauplänen samt Stadionabriss ihres Sport- und Innensenators Andreas Geisel. Der SPD-Beschlussantrag lautete, die BVV solle "den Umbau des Friedrich-Ludwig-Jahn Sportparks zu einem Inklusionssportpark mit dem Neubau eines auf dem Gelände integrierten inklusiven Stadions" befürworten und unterstützen. Und tatsächlich wurde der Antrag angenommen.

Regierungspartner "schwer und nachhaltig verärgert"

Denn neben der SPD stimmten CDU, FDP und AfD-Politiker für den "Inklusionssportpark" und die darin inkludierte moderne zweitligafußballtaugliche Arena. Die eigentlichen SPD-Partner Grüne und Linke positionierten sich allerdings fast geschlossen dagegen. Vor allem in der Frage, ob das alte Stadion wirklich abgerissen werden soll, sehen sie noch erheblichen Klärungsbedarf.

"Schwer und nachhaltig verärgert" über den "Handstreich" der SPD zeigte sich Linken-Fraktionsschef Matthias Zarbock. "Dass die SPD das mit so einer Mehrheit durchzockt, schockiert mich." Man sei vom politischen Partner "ignoriert, vorgeführt und überrumpelt" worden. Die SPD bemühte sich am Tag danach, die Sache als "normalen politischen Vorgang" darzustellen. "Wir haben dieses Thema jetzt über ein Jahr debattiert und es war an der Zeit, die Kernfrage auf den Punkt zu bringen", sagte Fraktionschef Roland Schröder.

Die Mehrheit sei "ein bisschen ungewöhnlich", räumte Schröder immerhin ein. Aber dass er die Zählgemeinschaft zugunsten einer laut Zarbock "fragwürdigen Mehrheit" unter Beteiligung der AfD aufgekündigt habe, wies Schröder zurück: "Man kann aus dem Beschluss nicht konstruieren, dass wir mithilfe der AfD eine Mehrheit erreicht haben. Es hätte auch ohne die AfD-Stimmen gereicht." Er werde "immer darauf achten, dass Mehrheiten nur unter den demokratischen Parteien gebildet werden".

Die erste Abstimmung musste wiederholt werden

„Das stimmt nicht“, entgegnete Hannah Wettig, die Sprecherin der Grünen-Fraktion. Tatsächlich seien die Stimmen von aktuellen und ehemaligen AfD-Fraktionsmitgliedern hier "das Zünglein an der Waage" gewesen. Anhand der BVV-Sitzverteilung war zumindest vorher klar, dass es auf jede Stimme ankommen würde. Der Block aus Linken und Grünen war wegen Krankheiten zahlenmäßig dezimiert; SPD, CDU und FDP waren mit zusammen 22 Stimmen jedoch nur marginal in der Überzahl. Dem Votum der acht AfD-Politiker (von denen drei nicht mehr offiziell der Pankower Fraktion angehören) konnte also entscheidende Bedeutung zukommen.

Wettig verwies darauf, dass Grüne und Linke den SPD-Antrag zur Beratung in die zuständigen Ausschüsse überweisen wollten. Bei der ersten Abstimmung dazu gab es auch eine Mehrheit mit einer Stimme - allerdings musste sie wiederholt werden, weil Schröder das Votum anfocht. Seine Stimmabgabe hatte nicht funktioniert. "Höchst merkwürdig" nannte Jütting den Vorgang - beim gleichen Fall im April sei die Abstimmung nicht wiederholt worden.

[Der Artikel stammt aus dem aktuellen Pankow-Newsletter von Christian Hönicke. Den können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Nach Aussage von Wettig entschieden sich beim zweiten Wahlgang dann zwei ehemalige und jetzige AfD-Fraktionsmitglieder um und stimmten gegen eine Überweisung: "Sie haben hier das Potenzial für Zwietracht gewittert.“ Das BVV-Büro konnte dies auf Nachfrage nicht genau rekonstruieren, die beiden Abstimmungen seien innerhalb weniger Sekunden erfolgt. Bei der zweiten wurde die Überweisung jedenfalls mit der Mehrheit von einer Stimme unter Beteiligung der AfD abgelehnt, eine sofortige Abstimmung über den SPD-Antrag wurde nötig – mit bekanntem Ausgang. „Die SPD hat die rechten Stimmen dankend angenommen, Herr Schröder saß grinsend da und hat sich gefreut“, so Wettig.

Eine „irrlichternde SPD“ erkannte die „fassungslose“ Grünen-Fraktionschefin Cordelia Koch. Man wundere sich schon länger über das Verhalten der SPD, „das sieht manchmal sehr nach großer Koalition aus – eine große Koalition, die nur mit den Stimmen der AfD funktioniert. Denn Linke und Bündnisgrüne haben gemeinsam fünf Stimmen mehr als SPD und CDU.“

Linke stellen Zukunft der Zählgemeinschaft in Frage

Auch die Linken stellen nach dem Knall um den Jahn-Sportpark ausdrücklich die Zukunft der rot-rot-grünen Zählgemeinschaft in Pankow in Frage. "Das ist ein Bruch von vereinbarten Regeln bei einem nicht unerheblichen Thema“, kritisierte Fraktionschef Zarbock. „Es wird Gespräche geben, und wir müssen dann sehen, ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit noch möglich ist."

Parallel dazu übergab die "Bürgerinitiative Jahn-Sportpark" am Mittwoch ihre Petition mit mehr als 5000 Unterschriften an die Senatssportverwaltung. Im dazugehörigen Offenen Brief an Senator Geisel fordert die Initiative, die umstrittenen Umbaupläne zu überarbeiten. Vor "planlosen Abrissen" müssten "die Möglichkeiten eines Bestandserhalts (...) durch einen interdisziplinären Gestaltungswettbewerb" sorgfältig geprüft werden. Auch der Bedarf an einem "Stadion für Profifußball" sei zu prüfen: "Ein solches Stadion wird weder von den ansässigen Vereinen noch vom Inklusionssport benötigt." Die konkurrierende, von den Sportverbänden initiierte Petition zum Umbau des Sportparks errang etwa 7000 Stimmen.

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