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Ein Objekt, das an einen Schornstein erinnert. Ein Kommentar zur Energiekrise?

© Rafael Horzon / Katrin Schuber / Tagesspiegel

„Möbelgigant, Originalgenie, Apfelkuchentycoon“: Designer Rafael Horzon verkauft in Berlin Möbelstücke ohne Funktion

Rafael Horzon führt seit 30 Jahren die Berliner Kunstszene ad absurdum. Seit Kurzem verkauft er funktionslose Möbel in der Torstraße. Ein Besuch.

Rafael Horzon ist laut eigenen Angaben „Möbelgigant, Originalgenie und Apfelkuchentycoon“, laut Angaben anderer, etwa der Presse, ist er Künstler, Designer und Schriftsteller. Er lehnt diese Bezeichnungen eigentlich ab, was im Prinzip auch ein Indiz für sein Dasein als enfant terrible des Berliner Kunstbetriebs ist. Seit den 30 Jahren führt er die Szene ad absurdum:

In den 90er Jahren eröffnete er die Galerie „berlintokyo“ in der er Werke von vermeintlichen japanischen Künstler:innen ausstellte. In Wahrheit handelte es sich um Alltagsgegenstände aus Horzons Hausstand, die er für viel Geld verkaufte – die Künstler:innen existierten nicht.

Als die Galerie zur „documenta x“ eingeladen wurde, stieg Horzon aus dem Projekt aus: Mit Kunst wolle er nichts zu tun haben. 1999 erfand er ein simples Regal aus Holzplatten, das zum Design-Klassiker avancierte. Zur Eröffnung des dazugehörigen Ladens „Moebel Horzon“ konnten Kund:innen Ikea-Regale mitbringen, welche an Ort und Stelle zersägt wurden.

Horzons Ideen beschränkten sich nicht auf den privaten Raum. In seiner Autobiografie „Das weisse Buch“ ist nachzulesen, dass er plante, sämtliche Fassaden der Hauptstadt mit weißen Belfast-Platten zu verschalen. Auch in die Debatte um das Stadtschloss klinkte er sich ein und schlug 2011 vor, auf dem Gelände eine Glasglocke mit 500 Meter Durchmesser und darin ein Design-Museum zu errichten. 2016 änderte Horzon seine Pläne und warb für die Sprengung des Humboldt Forums und die Errichtung eines „Horzon Towers“ mit 3.500 Stockwerken, welcher sein Mausoleum beherbergen sollte. 

Jüngst hat der 52- oder 54-Jährige (die Angaben unterscheiden sich) seinen neuen Laden „Horzons Raumdekorationsobjekte“ in der Torstraße 94 in Berlin-Mitte eröffnet. In dem verkauft er genau ein Produkt: Das vorgestellte „Raumdekorationsobjekt 001“ kostet laut Horzon „mehrere Tausend Euro inklusive Sockel und Plakette“, das müsse man „nochmal genau durchkalkulieren“. Das Objekt gibt es in Edelstahl oder vergoldet und erinnert an einen freistehenden Schornstein.

Deko-Objekt mit rein optischem Zweck

Eine Anspielung auf die Energiekrise? Wärmen jedenfalls tut es nur das Designherz, denn es hat rein optischen Zweck. Es soll „den Raum bewusst machen“, so Horzon. „Ich finde es traurig, dass man heutzutage in so leeren Räumen wohnt“. Bei den Beweggründen für das Design gibt er sich pragmatisch: „Ich mag runde Formen sehr gerne, deshalb ist das Objekt sehr rund. Der Sockel wiederum ist eckig, da ich eckige Formen auch sehr gerne mag.“

Liest man sein Buch „Das weisse Buch“ (2010) drängt sich der Eindruck auf, dass es Horzon zu einem nicht unwesentlichen Teil bei seinem Eifer, neue Ideen umzusetzen, um die Präsentation und Feier dieser geht. Im Buch werden exzessive Premieren, Eröffnungen und Galas beschrieben.

2022 ist in der Torstraße das Interesse immer noch groß; der Großteil des Publikums scheint aber ruhiger geworden zu sein. Kleinkinder werden durch den Raum getragen, im Hintergrund läuft leise Musik, zu trinken gibt es Apfelpunsch.

An der Wand hängt eine digitale Uhr, die statt der Uhrzeit eine hohe vierstellige Zahl anzeigt, die unaufhörlich steigt. Was es damit auf sich hat? Ein betagtes Ehepaar antwortet mit Selbstverständlichkeit, als Fragesteller kommt man sich direkt doof vor: „Das ist die neue Zeitrechnung.“ Das Publikum von Horzons Happenings in Berlin-Mitte ist vielleicht älter geworden, hat aber nichts an seiner Schlagfertigkeit eingebüßt.

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