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Bei einer Katastrophenschutzübung 2019 trainieren Sanitäter und Ärzte die Arbeit in einer Rettungsstelle im Falle eines Anschlags.

© Kai-Uwe Heinrich

Exklusiv

„Nahezu täglich melden sich Notaufnahmen ab“: Klinikärzte und Pflegekräfte warnen vor Kollaps in Berliner Rettungsstellen

In Berlins Krankenhäusern fehlt Personal. Fast ein Viertel der Rettungsstellen ist regelmäßig überlastet. Auch schwere Fälle warten zuweilen Stunden auf Hilfe.

Fast ein Viertel der 38 Berliner Rettungsstellen meldet sich im Laufe eines Tages ab, nimmt dann also keine oder nur äußerst wenige Patienten auf. Insbesondere die größeren Notaufnahmen in Mitte, Neukölln und Berlins Nordwesten teilten Feuerwehr und Krankentransporten diesen Sommer mehrfach die Woche mit, für Stunden oder gar bis zum nächsten Tag keine neuen Fälle versorgen zu können.

Das erfuhr der Tagesspiegel von Notärzten und leitenden Pflegekräften diverser Kliniken. In einem Betriebsratsschreiben der Vivantes-Krankenhäuser, die acht Rettungsstellen betreiben, heißt es: Der desolate Zustand der Rettungsstellen erschöpfe und frustriere die eingesetzten Kollegen, „Krankmeldungen“ häuften sich, es gebe „Kündigungswellen“, was den Personalmangel verstärke.

Der Vivantes-Betriebsrat schreibt an die Beschäftigten: „Kann es sein, dass jemand mit einem Herzinfarkt in der Schlange zur Anmeldung der Notaufnahmen kollabiert? Ja!“ Viele Patienten, darunter Bagatellfälle und ernsthaft Erkrankte, müssten „bis zu sechs Stunden“ auf eine Behandlung warten, sagte ein leitender Rettungsstellenbeschäftigter am Donnerstag. Die „derzeitige Hitze“ verschärfe die Not. Die Senatsgesundheitsverwaltung äußerte sich auf Anfrage nicht.

Ärztekammer fordert Notfallversorgung-Konzept vom Senat

„Dass sich nahezu täglich Notaufnahmen abmelden müssen, darf kein Normalzustand werden“, sagt Thomas Werner, der Klinikexperte der Berliner Ärztekammer. „Der Senat muss Konzepte entwickeln, damit die ambulante Notfallversorgung besser organisiert wird.“

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Letzteres bezieht sich unter anderem darauf, dass viele Patienten, die in einer Rettungsstelle vorstellig werden, keine Notfälle sind, die stationär aufgenommen werden müssen. Diese Patienten hätten also meist einen regulären Termin ausmachen können.

Schätzungen zufolge wären 50 Prozent der Patienten in Berlins Rettungsstellen genauso gut von niedergelassenen Ärzten versorgt worden – ein Umstand, der es Klinikbeschäftigten erschwert, ernste Fälle angemessen zu behandeln.

Pflegekräfte bewerben sich aus Rettungsstellen weg

Fast alle Krankenhäuser suchen dringend Personal, die Arbeit in Rettungsstellen gilt als besonders belastend – zumal für diese Abteilungen von den Krankenkassen nur geringe Pauschalen gezahlt werden. Nach Tagesspiegel-Informationen bewerben sich Pflegekräfte, Medizinische Fachangestellte (MFA) und Ärzte verstärkt aus den Notaufnahmen weg, um in Kliniken ohne Rettungsstelle zu arbeiten.

Wie berichtet musste auch der Rettungsdienst der Feuerwehr in diesem Sommer fast täglich den Ausnahmezustand erklären, weil nicht genügend besetzte Notfallsanitäter zur Verfügung standen. Die Feuerwehrgewerkschaft beklagte, der Rettungsdienst müsse immer wieder zu Bagatellen ausrücken, statt sich auf die schweren Fälle zu konzentrieren.

Klinikleiter, Senat und Mediziner warben deshalb dafür, sich mit kleineren Leiden an niedergelassene Ärzte zu wenden. Die für die Praxen zuständige Kassenärztliche Vereinigung betreibt dazu eine Bereitschaftsdienst-Hotline unter 116117. Die Krankenhäuser stehen nicht nur wegen Personalmangels, sondern auch wegen Lieferengpässen unter Druck. In einigen Kliniken sind OP-Utensilien knapp, weshalb Eingriffe verschoben wurden.

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