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Einfach losradeln? Das klappt mit der neuen Bahncard leider nicht.

© K. Kleist-Heinrich

Neue Bahncard für Berlin: Der pure Bahnsinn

Mobilität aus einer Hand: Das soll die neue Bahncard 25 mobil plus bieten. Doch was kann die neue Bahncard? Tagesspiegel-Redakteur Matthias Meisner hat den Test - und abschreckende Erfahrungen - gemacht.

Von Matthias Meisner

„Alles auf eine Karte“ heißt das Motto für das Pilotprojekt. Zum ersten Mal sollen vier verschiedene Arten der Fortbewegung mit nur einer Plastikkarte genutzt werden können: Leihräder, Leihautos, die BVG-Monatskarte und die traditionelle Bahncard will die Deutsche Bahn aus einer Hand anbieten. Die Bahncard 25 mobil plus mag gut gemeint sein. Doch der Praxistest zeigt: Sie ist nicht gut gemacht.

Die Hauptstadt-Bahncard kostet 79 Euro, 18 Euro mehr als eine normale Bahncard 25. Das hört sich zunächst fair an, denn mit dem Kauf versprochen werden Fahrtguthaben für die Leihräder von Call a bike und die Carsharing-Autos von Flinkster, insgesamt auf das Jahr gerechnet ein „Preisvorteil“ von 300 Euro.

Schnell aber ergeben sich Probleme, wenn der Käufer schon Kunde ist, etwa bei Flinkster oder Call a bike. Im konkreten Fall: Der Neukunde nutzt bereits die Leihautos der Bahn im Lokaltarif für Berlin. Als Vielfahrer zahlt er zehn Euro Grundgebühr im Monat. Dafür kann er die Autos zu günstigen Stundensätzen mieten. Bevor er sich die neue Bahncard kauft, ruft er bei der Servicezentrale der Carsharing-Firma in Halle (Saale) an und fragt, ob sein Vertrag mit dem neuen Angebot kombiniert werden kann. Die Antwort ist positiv. Also, auf zum Bahnhof Friedrichstraße – und die Karte gekauft, zunächst nur in vorläufiger Variante auf Papier.

Die böse Überraschung gibt es schon zwei Tage später: Flinkster registriert den Kauf – und berechnet dem überraschten Kunden nun für seine Auto-Buchungen fünf statt wie bisher zwei Euro pro Stunde. Protest führt zu einem längeren E-Mail-Wechsel. „Schnellstmöglich“, heißt es aus Halle, werde die Sache geklärt. Eine Woche später: „Ihre Anfrage wurde bereits durch zwei Abteilungen bearbeitet“, eine „abschließende Auskunft“ komme demnächst. Nach zwei Wochen gibt die Bahn-Tochter eine „eventuelle Fehlinformation“ zu. Sie richtet „als kleine Entschädigung ein Fahrtguthaben von einmalig 15 Euro ein“ – ein Zwanzigstel des versprochenen Preisvorteils. Zugleich falle aber das versprochene Fahrtguthaben von 300 Euro weg.

Ein Besuch beim Stadtbüro, das Flinkster und Call a bike an der Schönhauser Allee unterhalten, hilft nicht weiter. Dort spricht der Mann am Schalter zwar von „Kuddelmuddel“. Parat hat er aber nur den Hinweis, dass sich das Fahrtguthaben für die Leihräder womöglich retten lasse, wenn sich der Kunde, der früher mal Bahnräder ausgeliehen hat, ein zweites Handy zulegt. Denn: Für jedes Kundenkonto werde eine eigene Mobilfunknummer benötigt. Genau lasse sich das klären, wenn die Plastikkarte da ist.

Sie ist aber nicht da. Laut Produktbeschreibung wird die endgültige Karte „in der Regel“ binnen neun Tagen geliefert. In der Post ist sie auch nach mehr als drei Wochen noch nicht. Das bewahrt immerhin davor, die Bahncard gegen Zuzahlung zu einer BVG-Umweltkarte zu machen und damit auch Tram, Bus, U- und S-Bahn zu fahren. Das nämlich ist womöglich gar keine so gute Idee: Denn der Kunde könnte diese Umweltkarte dann zwar an Freunde oder Verwandte ausborgen, im selben Zeitraum aber selbst keine Autos ausleihen und auch keine rabattierte Bahnreise unternehmen.

Weitere Nervereien drohen laut Kleingedrucktem, wenn ein Fahrscheinkontrolleur im Berliner Stadtgebiet kein funktionierendes Lesegerät für die Bahncard dabeihat. Dann wird diese zur Prüfung eingezogen – bei Zugfahrten muss der Reisende nachlösen und dann die Fahrkarten einschicken. Nicht die Bahn entschädigt ihn für diesen Aufwand, es ist umgekehrt: Dem Reisenden werden für den Antrag auf Erstattung seiner Auslagen sieben Euro in Rechnung gestellt.

Sowieso möchte der Kunde die Bahncard, die er in Plastikform noch gar nicht hat, nun gern loswerden. Flinkster bedauert Unklarheiten und Missverständnisse: „Es war bzw. ist nicht unsere Absicht, Sie zu verärgern.“ Wegen einer Erstattung der 79 Euro möge sich der Kunde an den Bahncard-Service wenden. Dieser antwortet, dass Aktionskarten „von jeglichem Umtausch oder der Erstattung ausgeschlossen“ seien. Einige Tage später trifft die Karte ein. Es stellt sich heraus: Nichts funktioniert, weder die Ausleihe von Rädern noch von Autos. Auf Anfrage verspricht die Bahn, die Sache „schnellstmöglich“ zu klären.

Zum Start vor zwei Wochen war die Rede von „neuen Konzepten für eine zukunftsweisende CO2-freie Mobilität“. Bezuschussen lässt sich die Bahn ihr Hauptstadtexperiment vom Bundesverkehrsministerium. Das hat für das Forschungsprojekt Be Mobility 2.0 in der Region Berlin/Potsdam mehr als fünf Millionen Euro im Etat. Die Bahn schwärmt von einem „tollem Testmarkt“, die Berliner hätten eine „zukunftsweisende Einstellung zur Mobilität“. Eine Sprecherin versichert, man sei „mit der Resonanz auf unsere neue intermodale Mobilitätskarte in Berlin sehr zufrieden“. Die Verkaufszahlen lägen „im Plan“. Konkrete Angaben aber gibt es nicht.

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