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Innenministerium verbietet Compact-Magazin: Als die Polizei klingelte, stand Elsässer im Morgenmantel da
Polizeieinsatz im brandenburgischen Falkensee und an anderen Orten: Das Bundesinnenministerium verbietet das Medienunternehmen des Rechtsextremisten Jürgen Elsässer.
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Prorussische Propaganda, Pro-AfD-Kampagnen und Revolution von rechts: Das Bundesinnenministerium hat am Dienstag – wenige Monate vor den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern – das Medienunternehmen Compact des rechtsextremistischen Publizisten Jürgen Elsässer verboten. Polizisten rückten am Dienstagmorgen am Firmensitz und Elsässers Wohnhaus im brandenburgischen Falkensee (Havel) an, um das Verbot durchzusetzen, Beweismittel und Vermögen sicherzustellen.
Um 6 Uhr klingelten Beamte an Elsässers Haustür vor den Toren Berlins, der 67-Jährige öffnete im Morgenmantel. In Brandenburg waren mehr als 200 Beamte der Landespolizei und der Bundespolizei im Einsatz. Sie durchsuchten acht Wohnungen und Büros, darunter auch in Werder (Havel), Panketal und Groß Kreutz. Weitere Durchsuchungen gab es in Sachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt. Dort war auch das Rittergut Nöbeditz des Ex-AfD-Politikers André Poggenburg in Stößen bei Naumburg (Saale) betroffen.
Das Magazin richte sich aggressiv-kämpferisch gegen die verfassungsmäßige Ordnung, heißt es in der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums. Das Verbot untersage jede Fortführung der bisherigen Tätigkeiten, Verstöße dagegen sind Straftaten. Neben der Firmenzentrale und Elsässers Wohnung wurden auch Wohnungen von „führenden Akteuren“ und „wesentlichen Anteilseignern“ durchsucht, darunter sollen auch betuchte Finanziers im Hintergrund sein.
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Bei der Razzia sollte neben Dokumenten und Datenträgern auch das Vermögen der Compact-Magazin GmbH beschlagnahmt werden. Die Beamten suchten nach Tagesspiegel-Informationen größere Summen Bargeld. Befürchtet wird, dass Elsässer das Geld sonst beiseiteschafft. Erst am Sonntag hatte Elsässer in einem Spendenaufruf verkündet, dass das Unternehmen nun wieder ein Konto bei einem Geldinstitut habe. Im Frühjahr hatte die Mittelbrandenburgische Sparkasse Compact das Konto gekündigt, Grund war eine Spendenkampagne für eine AfD-Wahlkampfbühne.
Compact sei ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstagmorgen. Das Magazin hetze auf unsägliche Weise gegen Juden, Menschen mit Migrationsgeschichte und die parlamentarische Demokratie. „Unser Verbot ist ein harter Schlag gegen die rechtsextremistische Szene. Das Verbot zeigt, dass wir auch gegen die geistigen Brandstifter vorgehen, die ein Klima von Hass und Gewalt gegenüber Geflüchteten und Migranten schüren und unseren demokratischen Staat überwinden wollen“, sagte die Innenministerin. „Unser Signal ist ganz klar: Wir lassen nicht zu, dass ethnisch definiert wird, wer zu Deutschland gehört und wer nicht.“
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) bezeichnete Compact als „Hass und Hetze in Hochglanz“ und Plattform der Demokratiefeinde, die die freiheitliche Gesellschaft zerstören wolle. „Rechtsextreme Verschwörungstheorien, Aufrufe zum Sturz der Demokratie und die permanente Verbreitung russischer Desinformationskampagnen sind die Eckpfeiler der täglichen Compact-Propaganda. Damit ist nun Schluss“, sagte Stübgen. „Compact-Kanäle werden abgeschaltet, Compact-Inhalte werden gelöscht und Compact-Einnahmen werden konfisziert.“

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„Es ist der schlimmste Eingriff in die Pressefreiheit in Deutschland seit der Spiegelaffäre 1962“, sagte Elsässer am Dienstag. „Hier wird versucht, Compact zu zerschlagen. Das ist eine Maßnahme, wie man sie aus der DDR oder aus dem Dritten Reich kennt.“ Elsässer warf Faeser faschistische Methoden vor. Compact habe sich strafrechtlich nie etwas zuschulden kommen lassen, sei aber eine Bedrohung „für die gleichgeschaltete, diktatorische Ordnung“ gewesen und eine Gefahr „für die Herrschenden“. Das Verbot richte sich indirekt auch gegen die AfD.
Seit 2020 wurde Compact vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und vom Verfassungsschutz Brandenburg als Verdachtsfall beobachtet. Ende 2021 stuften beide Behörden das Unternehmen als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik ein.
Brandenburgs Verfassungsschutzchef Jörg Müller hatte damals gesagt, Compact bediene sich der vollen Klaviatur extremistischer Positionen. „Das Reichsbürger-Milieu, QAnon-Anhänger und vor allem Rechtsextremisten bekommen hier ihren ideologischen Nährboden“ – und Elsässer habe „die Funktion eines Milieumanagers“, der diverse extremistische Positionen in der Gesellschaft anschlussfähig machen wolle.
Verfassungsschutz bescheinigt Elsässer „devote Moskau-Ausrichtung“
Nach Angaben der Behörden stellt Compact die Legitimität des Grundgesetzes offen infrage. Hinzu kommen Umsturzfantasien. Compact-Chef Elsässer gilt als zentrale Figur für die Vernetzung der Neuen Rechten und des rechtsextremistischen Spektrums. Elsässer stehe für Rechtsextremismus, Antisemitismus und Reichsbürgerfantasien, sagt ein Verfassungsschützer. „Früher war Elsässer Linksextremist. Seine devote Moskau-Ausrichtung hat er über die Jahre und all seine extremistischen Schwenks hinweg immer beibehalten.“
Tatsächlich begann Elsässer seine Karriere in kommunistischen Gruppen. Er schrieb für linke Blätter wie „Junge Welt“, „Neues Deutschland“ und „Konkret“. Schließlich beschwor er eine Querfront von links und rechts, eine „Volksfront“ gegen das „angloamerikanische Finanzkapital“ zur „Nationalisierung des Finanzsektor“. Von da war es nicht mehr weit, bis er einer der einflussreichsten Köpfe der „Neuen Rechten“ und Compact zum Sprachrohr der Bewegung wurde – bis hin zu Querdenkern und Reichstagsstürmern in der Coronapandemie.
Der Brandenburger Verfassungsschutz warnte, dass Compact wegen seiner relativ großen Reichweite zu „gesellschaftlichen Verwerfungen und zur politischen Destabilisierung in Deutschland beitragen kann“. Zum Invasionskrieg Russland in der Ukrainer verbreite das Magazin „gezielt Desinformation“ und mache sich „teilweise die Propaganda der russischen Regierung zu eigen“. Zitiert wird Elsässer etwa mit den Worten: „Ich bin kein Putin-Versteher, sondern ich bin ein Putin-Unterstützer.“ Er forderte auch „gemischte deutsch-russische Bataillone“, die „an der Oder“ Deutschland „gegen die Polen verteidigen“ sollen. Erst am Wochenende veröffentlichte Compact ein Interview mit der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharow.

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Im Februar verhängte der Marktführer im deutschen Bahnhofsgroßhandel einen Verkaufsstopp für das Magazin. Doch Elsässer gab sich stets selbstbewusst. Erst im April informierte die Compact-Magazin GmbH das Amtsgericht Potsdam darüber, dass ihr Eintrag im Handelsregister ergänzt werden müsse. Denn der Gesellschaftervertrag wurde geändert. Geschäftsführer Elsässer als Mehrheitsgesellschafter und der Verleger Kai Homilius hatten beschlossen, dass der Zweck der Firma nicht mehr nur die Herausgabe des seit 2010 erscheinenden Compact-Magazins sei – zuletzt mit einer monatlichen Auflage von 40.000 Exemplaren.
Vielmehr gehe es der Firma auch um weitere „Publikationen und die Organisation von damit in Zusammenhang stehenden Veranstaltungen und Filmproduktionen“. Tatsächlich betreibt Elsässer auch einen YouTube-Kanal, wochentags strahlte er das Online-TV-Format „Der Tag“ aus. Bei Telegram hat Compact mehr als 50.000 Abonnenten.
Nach eigenen Angaben hat Compact inzwischen sogar ein „TV-Büro in Moskau“. Für „Compact-TV“ arbeiteten, so heißt es in dem am Sonntag veröffentlichten Spendenaufruf, inzwischen mehr Mitarbeiter als für die Print-Magazine.

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Laut Verfassungsschutz verbreitet Compact antisemitische, rassistische, geschichtsrevisionistische und verschwörungsideologische Inhalte. Zudem agitiere das Unternehmen gegen die parlamentarische Demokratie. Es instrumentalisiere verschwörungsideologische Erzählungen politisch, „um staatstragende Institutionen und das Konzept einer offenen, pluralistischen Gesellschaft zu diskreditieren“.
So wird die demokratische Ordnung regelmäßig als „Diktatur“ und „Regime“ bezeichnet. Elsässer selbst sagte einst über seine Medienfirma: „Aufgabe der oppositionellen Medien ist es, zum Sturz des Regimes beizutragen, und dabei gehen wir Schulter an Schulter.“
Elsässer wünschte sich „ein“ DDR – das „Deutsche Demokratische Reich“
Tatsächlich gibt es weite Überschneidungen in der Neuen Rechten, etwa zu Martin Sellner, Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung in Österreich, aber vor allem auch zu AfD. Verschiedene Akteure aus dem rechtsextremistischen Spektrum bekommen durch Compact breite Wirkung. Seit einigen Jahren warnt der Verfassungsschutz deshalb vor einer Entgrenzung des Rechtsextremismus.
Im vergangenen Jahr träumte Elsässer von einem „Deutschen Demokratischen Reich“ (DDR) in Ostdeutschland, abgespalten vom Westen der Bundesrepublik. Den AfD-Rechtsextremisten Björn Höcke wünschte er sich als „Reichskanzler“.
Wegen der bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg fährt Compact längst eine Kampagne für die AfD. Darunter ist eine Veranstaltungsreihe namens „Die blaue Welle“. Ein besonderer Termin war für den 27. Juli auf dem „Rittergut“ von Ex-AfD-Mann Poggenburg in Sachsen-Anhalt mit bekannten Rednern geplant.
Angekündigt war Sellner, der zu Jahresbeginn mit seiner Idee von einer massenhaften „Remigration“ von Ausländern für Schlagzeilen gesorgt hatte, aber auch der AfD-Politiker Maximilian Krah, der wegen einer Korruptions- und Spionageaffäre bei der Parteispitze in Ungnade fiel. Auch die „blaue Welle“ wurde nun verboten.

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In seinem Compact-Shop vertreibt Elsässer nicht nur seine Magazine, sondern auch Bücher, etwa von Martin Sellner. Aber auch über „Pflanzliche Notnahrung – Survivalwissen für Extremsituation“, „Freie Waffen für den Eigenschutz“ oder „Die 88 besten Fleischgerichte aus dem Reich“. Die Zahl 88 ist ein Code für „Heil Hitler“. Auch für die frühe ideologische Schulung von Kindern ist etwas dabei: „Der kleine Fisch schwimmt gegen den Strom. Das andere Kinderbuch“. Es sei für „rebellische Menschen“.
Im Buchshop gibt es „Die 88 besten Fleischgerichte aus dem Reich“
Elsässer bietet auch Münzen an. Für 74,95 Euro gibt es den „Höcke-Taler“ mit dem Konterfei des AfD-Politikers. Eine halbe Unze Silber ist das und nach aktuellem Kurs 14 Euro wert. Der Taler soll einen „bedeutenden Patrioten“ ehren, der bei der Landtagswahl in Thüringen die „politische Wende“ bringen könnte, das wäre ein „Durchbruch für Deutschland“.

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Aber, so fantasiert Compact, der Taler sei nicht nur ein „patriotisches Bekenntnis“, er könne auch stabile Kapitalanlage sein. „In Zeiten der Inflation und unseriöser Staatsfinanzen behält oder steigert das Edelmetall seinen Wert. Und wer weiß: Wenn der Euro kollabiert, könnte er zur Währung eines echten Freistaates werden.“
Zu Ehren von US-Präsident Donald Trump hat Elsässer nach dem Attentat auf den Republikaner eine „Compact-Heldenmedaille“ prägen lassen. Andererseits gibt es auch die Silbermedaille „Druschba“ für die deutsche russische Freundschaft. USA und NATO wollten Deutsche und Russen wieder aufeinander hetzen, heißt es in der Produktbeschreibung – „welch‘ ein Verbrechen“. Auf der Internetseite des Shops gibt es eigens die Rubrik: „Ami go home“.
Laut Innenministerium propagiert Compact ein „völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept“, das „ethnisch Fremde aus dem Staatsvolk ausschließen will“. Zudem bediene sich die Medienfirma einer „Widerstands- und Revolutionsrhetorik und nutzt gezielte Grenzüberschreitungen ebenso wie verzerrende und manipulative Darstellungen“. Dazu zählten auch antisemitische Inhalte, etwa Verschwörungserzählungen „von einer omnipotenten jüdischen Finanzelite“.
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