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Landgericht Berlin

© imago/STPP

Rechte Anschlagsserie in Berlin-Lichtenberg: Angeklagter gibt Hitlergruß und Drohschreiben zu

Im Prozess um eine Reihe von Kellerbränden hat Leon S. gestanden, Drohschreiben verfasst zu haben. Es gab auch Pläne für Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte.

„Das ist eine Kriegserklärung an den Staat!“, war handschriftlich auf Zetteln zu lesen, die nach einem Brand am 5. August 2022 in der Nachbarschaft entdeckt wurden. Darunter an einem Jugendclub, den der Angeklagte Leon S. jahrelang besucht hat, sowie in einem Wahlkreisbüro des CDU-Abgeordneten Danny Freymark.

Am dritten Verhandlungstag um die Brandserie richten die Strafverteidiger von Leon S. aus, ihr Mandant räume ein, Urheber der Drohbriefe zu sein. Eine extra beauftragte Schriftsachverständige wurde wieder abbestellt. Zudem gesteht er, in einem anderen Fall den Hitlergruß gezeigt zu haben.

Beschuldigte wollen nicht aus Zeugen aussagen

Mehrere Kellerbrände in Hohenschönhausen werden als Teil einer rechten Anschlagsserie betrachtet. Das Landeskriminalamt ermittelt weiter gegen Leon S. und weitere Verdächtige. Diese machten am dritten Prozesstag von ihrem Recht Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Laut Zeug:innenaussagen wollten die Beschuldigten die Ausländer in dem Haus verscheuchen.

Die Forderungen in dem Schreiben: „Islamisierung und Inflation stoppen“. Sollte den Forderungen nicht nachgekommen werden, „wird Berlin weiter brennen. Wir sind im Besitz von Kriegswaffen.“ Auf der ersten Seit steht: „viel Spaß beim Löschen“.

Wer hat die Brände gelegt?

Hat Leon S. auch die Brände gelegt? Seine Verteidiger plädiert weiter auf unschuldig. Zudem räumt sein Mandant lediglich ein, die Schreiben verfasst zu haben – nicht, sie an Jugendclub und Abgeordnetenbüro abgelegt zu haben. In den Schreiben wird laut Polizei ein Zusammenhang zu den Bränden in Hohenschönhausen hergestellt. Bei einem Feuer in der Randowstraße waren sämtliche Versorgungsleitungen beschädigt worden. Mieter:innen lebten wochenlang ohne Strom und Wasser. Der Schaden wird auf rund 500.000 Euro beziffert.

Am dritten Verhandlungstag waren Polizist:innen geladen, die bei den Wohnungsdurchsuchungen des Angeklagten sowie der Beschuldigten dabei waren. Ein leitender Kriminalbeamter berichtet, dass bereits seit September 2022 eine Telefonüberwachung aktiv war. Zudem wurde verdeckt ermittelt.

Es habe Hinweise gegeben, dass Leon S. mit zwei anderen plane, eine Unterkunft für Geflüchtete anzugreifen. Daher seien die Durchsuchungen kurz vor Silvester durchgeführt worden. In den Wohnungen seien Bauteile für Waffen mit Gummigeschossen sowie Schutzausrüstung gefunden worden.

Wollten sich die rechten Jugendliche als Polizisten ausgeben?

Der Haftbefehl gegen Leon S. begründet sich aus einer Aussage zur Ukraine. Demnach bestand Fluchtgefahr. Vor Gericht konnte dazu nicht näher eingegangen werden, da diese Aussagen nicht verwendet werden sollen: Der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt noch 19, der Prozess wird in der Jugendkammer geführt. Den Haftbefehl aufheben wollte der zuständige Richter jedoch nicht.

Ein anderer Polizist berichtet von einer „Art Sturmwaffe“, die da auf dem Tisch gelegen habe. Es habe so ausgesehen, als würde daran herum gearbeitet. Es sei jedoch keine scharfe Waffe gewesen. Seine Kollegin berichtet von der Telefonüberwachung: Demnach sollen einer der Verdächtigen und Leon S. geplant haben, sich nach Bränden als Polizisten auszugeben. Leon S. hatte einen Polizeipullover.

Berliner Linke fordert lückenlose Aufklärung

Zudem geht aus der Überwachung hervor, dass der Angeklagte und ein weiterer Beschuldigter zusammen in der Gegend unterwegs waren, in der zeitgleich kleinere Brände an Mülltonnen und Gebüschen auftraten. „Wir sind bei den Ermittlungen weiterhin mit der Auswertung des beschlagnahmten Materials beschäftigt“, sagte die Kriminalbeamtin. Es seien sehr viele Datenträger bei den vier Beschuldigten sichergestellt worden. Im Juni geht der Prozess weiter.

Beunruhigend ist, dass hinter der rechten Gewalt erneut mehrere Personen, womöglich organisierte Gruppen stehen

Ferat Koçak, Sprecher für antifaschistische Politik und Strategien gegen Rechts der Linken-Fraktion im Abgeordnetenhaus

Die Berliner Linke fordert eine lückenlose Aufklärung der Taten sowie der Motivationen. „Beunruhigend ist, dass hinter der rechten Gewalt erneut mehrere Personen, womöglich organisierte Gruppen stehen“, sagt Ferat Koçak, Sprecher für antifaschistische Politik und Strategien gegen Rechts der Linken-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

„Dass in Lichtenberg nun gegen vier Tatverdächtige Verfahren laufen, beweist einmal mehr, dass wir uns im Zusammenhang mit rechtem Terror von der üblichen Einzeltäter-Erzählung verabschieden müssen“, sagte Koçak. Die Linke erwartet von der Innen- und der Justizsenatorin „eine kontinuierliche und proaktive Unterrichtung“ zu den Ermittlungen im Innen- und Justizausschuss.

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