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Eine Kundgebung gegen Neonazis in Berlin-Neukölln.

© imago/Carsten Thesing/Carsten Thesing

Rechtsextreme Anschläge in Neukölln: Ermittler konnten Polizeisoftware teils nicht bedienen

Beim Untersuchungsausschuss zur Anschlagsserie werden erstmals Vertreter der Sicherheitsbehörden angehört. Diese thematisierten auch Ermittlungspannen.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur rechten Anschlagsserie in Berlin-Neukölln hat am Freitag erstmals Vertreter der Sicherheitsbehörden angehört. Der frühere Leiter der Sonderermittlungsgruppe „Bao Fokus“, Andreas M., thematisierte diverse Ermittlungspannen – und wies darauf hin, dass die Ermittler nicht über das nötige Hintergrundwissen verfügt hätten und zum Teil auch die polizeiliche Software nicht bedienen konnten.

M.. sagte, dass die Beamt:innen Ermittlungsergebnisse teilweise lange nicht zusammenführen konnten. So hätten die zuständigen Mitarbeitenden das polizeiliche Fallbearbeitungssystem „Casa“ mangels Schulung nicht nutzen können. „Es gab schlicht niemanden, der das bedienen konnte“, sagte M. Dadurch sei untergegangen, dass der Hauptverdächtige Sebastian T. bereits ein Jahr vor dem Anschlag auf den Linken-Politiker Ferat Kocak dessen Haus ausspioniert hatte. „Es ist bis heute nicht flächendeckend möglich, mit dem System zu arbeiten“, bemängelte M.

Wäre der Vermerk damals angelegt worden, hätten die Staatsschützer den Politiker womöglich bereits lange vor dem Anschlag auf ihn warnen können. Im Februar 2018 hatten mutmaßlich Neonazis sein Auto in Brand gesetzt, das in einem Carport direkt neben dem Haus parkte. Dass die Neonazis den Besitzer eines roten Smarts verfolgten, wussten die Ermittler aus einer Abhörmaßnahme. Hätte man die Namen der drei infrage kommenden Smart-Besitzer mit denen potenziell ausgespähter Wohnadressen zusammengeführt, wären die Ermittler:innen wohl schon früher auf Kocak als potenzielles Opfer gestoßen, sagte M.

Der frühere Staatsschützer Andreas M. erklärte, dass er zunächst durchaus Zweifel an seiner Rolle als Chef der Ermittlungsgruppe gehabt hatte. Auf seine Bedenken sei nicht eingegangen worden. „Es hatte aus meiner Sicht durchaus ein Geschmäckle, dass ein Staatsschützer gemeinsam mit anderen Staatsschützern die Arbeit des Staatsschutzes untersucht“, sagte M. Allerdings sei das Wissen der früheren Mitarbeitenden der Ermittlungsgruppe Resin essenziell für die Arbeit der BAO Fokus gewesen. Diese Gruppe hatte ab 2017 in der Anschlagsserie ermittelt, ihre Mitglieder gingen vollständig in die BAO Fokus über.

M. bemängelt einen fehlenden Wissenstransfer in der Polizei

M. thematisierte verschiedene Ermittlungspannen, die durch die BAO Fokus aufgedeckt worden seien. Er kritisierte auch die Staatsanwaltschaft: Diese habe auf polizeiliche Anregungen für Observationsmaßnahmen teils erst Monate später reagiert und Straftaten erst spät im Gesamtkontext bewertet. Die personelle Ausstattung sowohl der BAO Fokus als auch der EG Resin sei viel zu gering gewesen, sagte M. weiter.

Zudem hätte er sich Ermittler:innen gewünscht, die über jahrzehntelange Erfahrungen in der rechten Szene in Berlin verfügt hätten. „Dieser Wissenstransfer wäre von immenser Bedeutung für die Ermittlungen gewesen“, sagte M. So sei er etwa auf das Nazi-Netzwerk „Nationaler Widerstand“ erst durch eine Abgeordnete der Linken aufmerksam geworden.

Neben dem früheren Staatsschützer M. wurde auch Kristian G. angehört, der die Geschäftsstelle der Expertenkommission zur Anschlagsserie geleitet hatte. Auch die Expertenkommission sollte mögliche Ermittlungspannen in der Anschlagsserie untersuchen. G., Kriminaldirektor, war vor seiner Zeit bei der Kommission vor allem im Bereich organisierte Kriminalität eingesetzt. Außerdem arbeitete er in der Senatsinnenverwaltung als Leiter der sogenannten Arbeitsgruppe Kontrolle Verfassungsschutz. Diese Funktion behielt er auch während der Tätigkeit der Expertenkommission.

Linke wirft Expertenkommission Interessenkonflikte vor

Niklas Schrader, Sprecher der Linksfraktion, sieht darin einen Interessenkonflikt: „Die Sonderkommission wurde als unabhängig und weisungsfrei gepriesen. Wenn der Geschäftsstellenleiter dann aber der verlängerte Arm von Staatssekretär Akmann ist, ist es damit nicht weit her. Insofern ist es nicht überraschend, dass keine umfangreiche und selbstkritische Untersuchung dabei herauskam“, sagte er dem Tagesspiegel.

G. selbst sah seine beiden parallelen Rollen eher als Bereicherung, da sich beide Funktionen ergänzt hätte, betonte er. Er gab an, dass er und die übrigen drei Mitarbeiter:innen der Geschäftsstelle die beiden Expert:innen, Uta Leichsenring und Herbert Diemer, logistisch und auch inhaltlich unterstützt hätten. So hätte er etwa aus seiner Erfahrung als Kriminalpolizist heraus Abläufe und Zuständigkeiten erklären können.

Mit Blick auf die Arbeit der Polizei habe er nicht den Eindruck, dass dort schlampig gearbeitet worden sei, sagte G.. Er teile jedoch die Einschätzung der beiden Expert:innen, wonach vor allem die Kommunikation zwischen Behörden und Betroffenen der Anschläge „nicht optimal“ gelaufen sei.

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