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Von August an müssen Kunden von BVG und S-Bahn noch mehr Geld in die Fahrscheinautomaten werfen.

© dapd

Teure Zeitkarten: Bei BVG und S-Bahn lohnt sich Treue nicht

Ein Langzeitvergleich zeigt: Durch die Tariferhöhungen werden seit Jahren vor allem Stammkunden geschröpft. Wien dagegen macht die Jahreskarten deutlich billiger.

Die Fahrpreiserhöhung für Busse und Bahnen zum 1. August ist nicht mehr aufzuhalten, nachdem der von Politikern aus Berlin und Brandenburg dominierte Aufsichtsrat des Verkehrsverbundes VBB sie am vergangenen Donnerstag beschlossen hat. Ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass es auch anders geht. Und Berechnungen des Tagesspiegels ergeben, dass auf lange Sicht die Berliner Fahrpreise weit stärker gestiegen sind als die Inflationsrate – und zwar vor allem für die Stammkunden von BVG und S-Bahn.

Auch in Wien ändern sich in diesem Jahr die Preise für die „Öffi-Tickets“. Doch während nur Einzel- und Wochenfahrkarten teurer werden, sinken die Preise für Monats- und Jahreskarten drastisch: Das Monatsticket wird mit künftig 45 Euro rund zehn Prozent billiger, der Preis für die Jahreskarte sinkt sogar um fast 20 Prozent auf 365 Euro. Wer seine Jahreskarte vor Mai kauft oder schon hat, soll die Differenz anteilig erstattet bekommen. Die rot-grüne Wiener Stadtregierung rechnet zunächst mit Mehrkosten von 25 bis 30 Millionen Euro. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) spricht von einer „politischen Entscheidung“, mit der der Anteil der ÖPNV-Nutzung von zurzeit 36 auf 40 Prozent gesteigert werden soll. Um den Andrang zu bewältigen, bekommt die meistfrequentierte U-Bahn-Linie zusätzliche Wagen und Takte ins Umland sollen verdichtet werden.

Der Verkehrsclub VCD lobt diese Strategie als vorbildlich – zumal der Anteil der Bus- und Bahn-Nutzer in Wien schon jetzt weit über dem von Berlin liegt. Hier müssen sich die Fahrgäste weiter in verkürzte S-Bahnzüge quetschen und täglich aufs neue überraschen lassen, welche Linien planmäßig fahren. Am Sonntag beispielsweise fuhr wegen Personalmangels die S 47 wieder nur nach Schöneweide statt zur Hermannstraße. Am Abend wurde auch noch die teilweise parallel fahrende S 45 eingestellt, und auf der südlichen S 25 fiel jeder zweite Zug aus. Und das, obwohl ohnehin viel weniger Züge unterwegs waren, weil statt der Ringbahn zwischen Ostkreuz und Schönhauser Allee baubedingt Ersatzbusse fuhren.

VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz bezeichnete die Berliner und Brandenburger Preissteigerung um durchschnittlich 2,8 Prozent als „moderat“, zumal laut VBB die Inflationsrate seit der letzten Erhöhung bei 3,2 Prozent lag und die Kraftstoffpreise – ein großer Posten für die Betreiber von Bussen – noch viel stärker gestiegen sind. Konkret reichen die Preiserhöhungen im VBB von 0,7 Prozent fürs jährlich abgebuchte Abo im Tarifgebiet AB bis zu 7,1 Prozent für den ermäßigten Einzelfahrschein, ebenfalls im Tarif AB. Konstant bleiben nur die Preise für die Kurzstreckentickets.

Doch ein langfristiger Vergleich zeigt, dass – ungeachtet aller Kritik auch von Politikern – vor allem die Stammkunden geschröpft werden: Der Preis der Monatskarte fürs Berliner Stadtgebiet (AB) stieg seit 2002 um 38 Prozent. Die Jahreskarte AB wurde um 33 Prozent teurer, der Einzelfahrschein dagegen nur um 14 Prozent. Durch Kauf einer Viererkarte ist dieses Standardticket sogar zum selben Preis zu bekommen wie vor zehn Jahren. Beim Tarifgebiet BC sind sowohl Einzel- als auch Monats- und Jahrestickets um etwa 34 Prozent teurer geworden. Beim Tarif ABC (Berliner S-Bahn-Netz) kosten die Einzelfahrscheine bald 29 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Bei Monatskarten sind es 37 Prozent und bei Jahreskarten sogar 42 Prozent mehr. Zum Vergleich: Die Inflation in Deutschland seit 2002 summiert sich laut Statistischem Bundesamt auf 17 Prozent. Zugleich stiegen die Löhne bundesweit nur um elf Prozent. Als Trost bleibt, dass Autofahrer nicht besser dran sind, denn die Spritkosten sind zwischenzeitlich um fast zwei Drittel gestiegen.

Wie sensibel die Berliner auf die Fahrpreise reagieren, hat die S-Bahn-Krise gezeigt: Trotz beispielloser Einschränkungen gewann das Unternehmen 2010 tausende neue Fahrgäste, die sich – angelockt von zwei Gratismonaten – für Jahresabos entschieden. Auch die BVG profitierte vom Entschädigungspaket der S-Bahn: Die Zahl ihrer Stammkunden mit Abo stieg um fast zehn Prozent.

Die Einnahmen werden innerhalb des Verkehrsverbundes aufgeteilt, wobei BVG und S-Bahn die Schwergewichte unter den 40 Mitgliedsunternehmen des VBB sind: Mit zusammen 719 Millionen Euro nahmen sie 2010 rund 70 Prozent der gesamten Fahrgelderlöse des VBB ein. Bei der S-Bahn entsprachen die Ticket-Einnahmen mit 190 Millionen Euro etwa der – ausfallbedingt gekürzten – Zuzahlung vom Land Berlin. Die von deutlich mehr Passagieren genutzte BVG dagegen nahm laut ihrer Bilanz mit 529 Millionen Euro mehr als doppelt so viel Fahrgelder ein wie sie vom Land erhält.

Nach Auskunft des Fahrgastverbandes Igeb würde die BVG zehn Millionen Euro jährlich allein durch konsequente Vorrangschaltungen für Busse und Trams an Ampeln sparen.

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