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Der Ex-Deutsche Bahn-Chef und Ex-Air Berlin-Chef Hartmut Mehdorn rammten im September 2006 den Spaten symbolisch in den schlammigen Schönefelder Sandboden.

© dpa

Untersuchungsausschüsse BER und Staatsoper: Wie die Wahrheit im Berliner Sumpf versinkt

Ob BER oder Staatsoper: Rot-Schwarz stutzte Untersuchungsberichte zurecht. Das darf sich nicht wiederholen. Ein Gastbeitrag.

Berlin und Großbauprojekte – das will nicht zusammenpassen. Wenn der Senat baut, werden Kostenrahmen gesprengt und Fristen gerissen. Milliarden wurden so schon im märkischen Sand versenkt. Und keine Besserung in Sicht?

Woran öffentliche Bauvorhaben scheitern und wer dafür verantwortlich ist, versuchen wir Grüne als Oppositionsfraktion inzwischen fast regelmäßig mit parlamentarischen Untersuchungsausschüssen herauszufinden. Egal ob Tempodrom, Spreedreieck, Howoge, BER oder die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden – die Opposition kann Untersuchungsausschüsse per Minderheitenrecht einfordern.

Doch das „schärfste Schwert der Opposition“, wie diese Gremien auch genannt werden, ist stumpf und schartig geworden. Die in Berlin herrschende politische Mehrheit zeigt sich inzwischen erstaunlich kreativ im Behindern der Aufklärungsarbeit. Es wird um Zeugen und den Vernehmungszeitpunkt gefeilscht, Terminpläne werden in die Länge gezogen.

Böse Überraschung zum Schluss

Und wenn die Arbeit im Untersuchungsausschuss doch einvernehmlich verläuft, wie es bei der Staatsoper der Fall war, kommt die böse Überraschung zum Schluss. Denn der Abschlussbericht wird bislang von der Regierungsmehrheit bestimmt und verabschiedet. Im vorliegenden Abschlussbericht zur Kostenexplosion bei der Staatsoper hat dies zu grotesken, politisch motivierten Veränderungen des Berichtentwurfs geführt – und Ähnliches beim BER.

Während der Aufarbeitung der geplatzten Flughafeneröffnungen und der milliardenschweren Mehrkosten hat uns die Verhinderungstaktik der Regierungskoalition sprachlos gemacht. So fand die abschließende Vernehmung der beiden hauptverantwortlichen Berliner Vertreter im Aufsichtsrat, Klaus Wowereit (SPD) und CDU-Innensenator Frank Henkel, schon Mitte 2015 und damit ein Jahr vor (!) Ausschussende statt, um unnötige Kritik im Wahljahr 2016 zu vermeiden. Und der Abschlussbericht? Wurde von der großen Koalition derart weichgespült, dass die Verantwortlichkeiten und die Rolle der Berliner Vertreter in Gesellschafterversammlung und BER-Aufsichtsrat kaum mehr erkennbar sind.

So versinken wichtige Erkenntnisse geräuschlos im Berliner Sumpf.

Die Grünen-Politikerin und stellvertretende Vorsitzende des Untersuchungsausschusses der Staatsoper, Sabine Bangert.
Die Grünen-Politikerin und stellvertretende Vorsitzende des Untersuchungsausschusses der Staatsoper, Sabine Bangert.

© dpa

Rund 120 Änderungsanträge

Bei der Staatsoper haben SPD und CDU den vom Ausschussbüro nüchtern erarbeiteten Abschlussbericht mit rund 120 (!) Änderungsanträgen zurechtgestutzt und uminterpretiert – die drei Oppositionsfraktionen hatten nur knapp 30 Änderungsvorschläge.

Plötzlich lesen wir nichts mehr von kollektivem Versagen und Verantwortungslosigkeit der Regierenden oder von strukturellen Problemen. Es findet sich auch nichts mehr davon, dass es bei Kosten- und Terminsetzungen Druck von „oben“ gab und Warnungen der Verwaltung in den Wind geschlagen wurden.

Nein, nun liest man von nicht enden wollenden Wünschen der Staatsoper; vom schwierigen Baugrund und von maroden Gebäuden und vergisst dabei, dass die Oper bereits Anfang 2000 kurz vor dem Entzug der Betriebsgenehmigung stand – wegen baulicher Mängel. Man liest von unvorhersehbaren Risiken während der Bauphase und vergisst, dass es vorher keinerlei Risikoabschätzungen und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen gegeben hatte.

Die Regierungskoalition hat sachliche Untersuchungsergebnisse nicht nur verschleiert und verfälscht. SPD und CDU zeigen auch, dass sie weder die Arbeit des Untersuchungsausschusses respektieren noch bereit sind, Lehren für künftige Bauvorhaben zu ziehen. Dabei wäre gerade dies in Berlin bitter nötig.

Es gibt kein Minderheitenrecht

Das Problem ist, dass die Abstimmung über den Abschlussberichten kein Minderheitenrecht vorsieht. Der Opposition wird lediglich zugebilligt, ihre Erkenntnisse aufwendig in einem zusätzlichen Bericht – dem Sondervotum – anzumerken.

Untersuchungsausschüsse werden nicht zum Zeitvertreib eingesetzt. Eine ehrliche Sachaufklärung und fundierte Empfehlungen sind jedoch unmöglich, wenn die Regierungskoalition das Ergebnis mit ihrer Mehrheit beliebig bestimmen kann.

Wir sollten deshalb darüber diskutieren, die Verhältnisse umzukehren und das Minderheitenrecht der Opposition auf das Verfassen und Verabschieden der Abschlussberichte auszuweiten. Der Regierungsmehrheit stünde es dann frei, ihre Sichtweise in fantasievollen Sondervoten darzustellen – aber eben nicht mehr im Fazit des Untersuchungsausschusses. Nach Abschluss der Arbeit sollten zudem die untersuchten Unterlagen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Das betrifft besonders Dokumente, die während der Arbeit des Ausschusses keiner Vertraulichkeit unterlagen.

Wir Grüne sind überzeugt: Nur durch große Transparenz wird sichergestellt, dass die tatsächlichen Ergebnisse von Untersuchungsausschüssen in die öffentliche und politische Diskussion gelangen und die Lehren für verantwortungsbewusstes Handeln gezogen werden. Denn auch an der Lernfähigkeit der Politik bei der Planung und Umsetzung von Großprojekten zeigt sich, wie zukunfts- und entwicklungsfähig unsere Stadt ist.

Sabine Bangert

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