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Ein leeres Klassenzimmer einer Schule

© picture alliance / dpa/Peter Endig

Update

Nach Nazi-Vergleich: Land Berlin und Lehrer einigen sich auf Kündigung gegen Abfindung

Ein Lehrer hatte in einem Video die Corona-Impfkampagne mit dem Holocaust verglichen. Jetzt hat sich der Senat mit ihm vor dem Arbeitsgericht auf einen Vergleich geeinigt.

| Update:

Im Rechtsstreit um die Kündigung eines Berliner Lehrers wegen seiner Kritik an der Impfpolitik mit einer Anspielung auf Konzentrationslager hat der Senat nachgegeben. In der zweiten Instanz des Berliner Arbeitsgerichts einigten sich der Berufsschullehrer und die Senatsschulverwaltung am Montag nach längeren Diskussionen und Feilschen auf einen Vergleich, allerdings mit Widerrufsrecht. Das teilte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am Montag in einer Mitteilung mit.

Der 62-jährige Lehrer akzeptiert seine Kündigung „aus betrieblichen Gründen“ und erhält 50.000 Euro Abfindung. Die Senatsschulverwaltung erklärt, „dass aus heutiger Sicht die Vorwürfe nicht weiter aufrechterhalten werden“.

Weil es inzwischen eine neue Schulsenatorin in Berlin gibt, hat die Senatsschulverwaltung vier Wochen Zeit für einen möglichen Widerruf des Vergleichs. Sollte das Land Berlin den Vergleich bis zum 12. Juni 2023 nicht widerrufen, „bleibt es bei der Beendigung des Verfahrens zu den im Vergleich vereinbarten Regelungen“, teilte das Arbeitsgericht mit.

Der angestellte Lehrer hatte während der Corona-Pandemie ein Video veröffentlicht, in dem das Tor eines Konzentrationslagers mit der Inschrift „Impfung macht frei“ abgebildet war. Damit nahm er Bezug auf einen Tweet des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der mit der Aussage „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ eine Ausweitung des Impfens ankündigte. In einem weiteren Video behauptete der Lehrer, die Corona-Impfpflicht habe schlimmere Folgen als die Regimes von Hitler, Stalin und Mao.

Nach der Kündigung im August 2021 erhielt der Lehrer Arbeitslosengeld

Das Land Berlin kündigte dem Lehrer im August 2021, weil er die Impfpolitik mit dem Nazi-Regime gleichsetze, den Nationalsozialismus verharmlose und die Opfer missachte. Zudem habe er seine Schüler aufgefordert, ihm im Internet zu folgen. Seitdem erhielt der Mann Arbeitslosengeld. 

Die Anwältin des Senats betonte in der Verhandlung erneut, der Lehrer habe die staatliche Corona-Politik gleichgesetzt mit Nazis und KZs. Das sei nicht vereinbar mit seinen Dienstpflichten zur Aufklärung der Schüler über Staat und Demokratie. Auch eine Gleichsetzung von Impfungen mit den größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts sei schlicht nicht tragbar im Lehrberuf.

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Der Lehrer und sein Anwalt argumentierten, der Senat habe ein „Berufsverbot“ wegen abweichender politischer Meinung verhängen wollen. Der Ruf des Lehrers in der Öffentlichkeit sei „brutal beschädigt“ worden. Er habe nur die Äußerung Söders kritisieren und mit der Nazi-Polemik vergleichen wollen. Das sei durch das Recht auf freie Meinungsäußerung und Kunstfreiheit gedeckt.

„Eine Verharmlosung des Nazi-Regimes liegt völlig fern“, sagte der Anwalt. Im Gegenteil gehe es bei dem Vergleich um eine scharfe und „feinsinnige Sprachkritik“ der Söder-Äußerung und der Corona-Politik wegen Angst vor einem autoritären Staat, der die Grundrechte einschränken würde. Weder der Senat noch das Gericht müssten „die politischen Irrtümer eines Lehrers“ oder dessen „Verschwörungstheorien“ beurteilen, sondern feststellen, ob arbeitsrechtliche Verstöße vorliegen würden, sagte der Anwalt.

Sehr kontroverse Debatten in der Verhandlung

Arbeitsrichter Martin Wenning-Morgenthaler sagte während der Verhandlung, die teilweise von sehr kontroversen Debatten geprägt war, ein mögliches Urteil sei „nicht ganz so einfach“, wie es die erste Instanz entschieden habe. Es gehe um Meinungsfreiheit, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und die Frage, ob für Lehrer andere Regeln gelten würden als für andere Menschen. Der Richter befürwortete dann einen Vergleich.

Der Anwalt des Lehrers forderte zunächst eine Kündigung erst zum Jahresende 2023 und 45.000 Euro Abfindung. Die Senatsseite startete mit einem Angebot einer deutlich früheren Kündigung und 39.000 Euro. Nach einigem Feilschen und Beratungen trafen sich beide Parteien bei dem vorgezogenen Kündigungstermin 2022 und auf Drängen des Richters bei der höheren Abfindungssumme von 50.000 Euro für den Verlust des Arbeitsplatzes.

Zudem soll die Senatsschulverwaltung gegenüber der Staatsanwaltschaft erklären, dass sie kein weiteres Interesse an der Verfolgung einer Strafanzeige gegen den Lehrer wegen Volksverhetzung hat. Dort war schon ein Strafbefehl gegen den Lehrer über 9000 Euro ergangen, der aber noch nichts rechtskräftig ist. (Tsp,dpa)

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