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Eine Auszubildende arbeitet am in einer Ausbildungswerkstatt für Mechaniker im ABB Ausbildungszentrum in Berlin.

© picture alliance / Bernd von Jut / Bernd von Jutrczenka

Wer nicht ausbildet, soll zahlen : Arbeitsenatorin Kipping will Abgabe für Unternehmen ohne Lehrstellen

Ein Gutachten erlaubt dem Land Berlin, Unternehmen ohne Ausbildungsplätze eine Abgabe zahlen zu lassen. Senatorin Kipping will die Umlage jetzt einführen.

Die Berliner Arbeitssenatorin Katja Kipping (Linke) sieht den Weg frei für eine Abgabe für Berliner Unternehmen, die keine oder zu wenige Ausbildungsplätze anbieten. Ein von der Sozialverwaltung in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten attestiert dem Land Berlin in diesem Bereich nun Gesetzgebungskompetenz.

Am Freitag stellte die Senatorin gemeinsam mit dem Rechtswissenschaftler Ulrich Battis das Gutachten vor, der die Prüfung unter anderem vorgenommen hatte. Sie freue sich riesig, dass die erste Hürde auf dem Weg zu einer Ausbildungsplatzumlage auf Landesebene genommen sei. „Auf dieser Grundlage können wir nun weiterarbeiten“, sagt Kipping.

Bei der angestrebten Umlage geht es konkret darum, dass Unternehmen einen gewissen Prozentsatz ihres Einkommens in einen Fonds einzahlen sollen. Betriebe, die Ausbildungsplätze anbieten, können dann aus diesem Fonds Geld für die Ausbildungskosten bekommen. Wer keine Ausbildungsplätze anbietet, ist also im Nachteil.

Ziel ist, mit dieser Regelung Unternehmen dazu zu bewegen, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Denn das ist dringend nötig: In Berlin gibt es nach Angaben des Bundesagentur für Arbeit mehr Menschen, die eine Ausbildung suchen, als Plätze.

Senatorin hofft auf mehr Plätze und Gerechtigkeit zwischen Unternehmen

Mit der Umlage sollen nach Angaben Kippings nicht nur neue Ausbildungsplätze entstehen, sondern auch Gerechtigkeit unter den Betrieben geschaffen werden. Es gebe etwa Handwerksbetriebe, die viel ausbildeten, denen aber andere Betriebe später die jungen Kräfte wegschnappten – ohne Geld in deren Ausbildung investiert zu haben. Das sei ungerecht.

Kipping kündigte an, Eckpunkte einer künftigen Regelung bis zu einer möglichen Wiederholungswahl Ende Februar im Fachausschuss des Abgeordnetenhauses vorstellen zu wollen. Das Gesetzgebungsverfahren könne dann nach der Wahl beginnen.

SPD, Grüne und Linke hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, eine „zweckgebundene Ausbildungsplatzabgabe“ zeitnah zu schaffen. Das juristische Gutachten wurde angefordert, um zu klären, ob das Land überhaupt eine solche Abgabe gesetzlich Regeln darf – oder dies doch Aufgabe des Bundes ist.

Bund scheiterte mit zwei Versuchen

Rechtswissenschaftler Battis stellte am Freitag klar, dass aus seiner Sicht keine Zweifel bestünden, dass Berlin Gesetzgebungskompetenz habe. Der Bund habe bereits zwei Versuche für eine Abgabe unternommen, die gescheitert seien – einer am Widerstand der Wirtschaft, einer aus technischen Gründen.

Da der Bund dies nicht geregelt habe, könne nun das Land gesetzliche Vorgaben machen. Hintergrund der Frage ist, dass Bundesrecht vor Landesrecht gilt. Das hatte etwa dazu geführt, dass der Berliner Mietendeckel für nicht rechtens erklärt worden war.

Nur rund jedes zehnte Unternehmen beteiligt sich an der Ausbildung in der Hauptstadt.

Nele Techen, stellvertretende Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Berlin-Brandenburg zeigte sich am Freitag erfreut über die juristische Einschätzung. Der Verband fordert die Umlage seit langem. „Nur rund jedes zehnte Unternehmen beteiligt sich an der Ausbildung in der Hauptstadt.

Zudem ist in keinem Bundesland der Anteil der Auszubildenden an der Gesamtzahl der Beschäftigten so gering wie in Berlin“, sagte Nele Techen, stellvertretende Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg. Deswegen müsse die Umlage kommen. Es gehe um eine solidarische Finanzierung der Ausbildungskosten.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin hingegen kritisiert die Pläne für eine Umlage. „Mit der geplanten Ausbildungsumlage versucht der Senat wieder einmal Probleme von morgen mit Instrumenten von gestern zu lösen“, sagte Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin.

Statt einer bürokratischen Umlage, die nichts bringe, sollte Berlin die Ausbildungsoffensive im Koalitionsvertrag zügig umsetzen, forderte er. Über 25 Prozent der Betriebe würden zusätzlich ausbilden, wenn eine angemessene Ausbildungsfähigkeit gegeben wäre.

Auch die Fraktionen von CDU und FDP halten von einer Ausbildungsplatzumlage nichts. Eine solche Regelung gerade in der jetzigen Situation wäre fatal für Berliner Unternehmen, sagte die FDP-Abgeordnete Maren Jasper-Winter, Sprecherin für berufliche Bildung ihrer Fraktion. Der Senat müsse stattdessen ins Bildungssystem investieren.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Gräff, sagte dem Tagesspiegel, es mache ihn fassungslos, dass nach Corona in einer existenziellen Energiekrise die Idee einer Ausbildungsplatzumlage verfolgt werde. Die Unternehmen selbst hätten bereits ein eigenes Interesse daran, auszubilden.

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