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Da ist das Ding: Raed Saleh, Franziska Giffey, Kai Wegner und Stefan Evers präsentieren den schwarz-roten Koalitionsvertrag.

© picture alliance/dpa/Monika Skolimowska

Zu viel versprochen: Berlins teuerste Koalition aller Zeiten

CDU und SPD haben ein kostspieliges Regierungsprogramm vorgelegt. Doch vieles bleibt vage – und zum wichtigsten Berliner Thema fällt auch diesem Senat nichts Neues ein.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Berlin wirkt auf den ersten Blick wie ein etwas zu lang geratener Wunschzettel. Auf den 135 Seiten wimmelt es nur so von „will“ und „wollen“, von „prüfen“ und „streben“, von Absichtserklärungen und Bemühenszusagen. Und auch im Kern ist die Vereinbarung durchsetzt von dem Anspruch, dem eigenen Leitgedanken gerecht zu werden: „Ein Regierungsprogramm für alle“ soll es sein. Das ist noch keiner Koalition je zuvor je gelungen.

Bei genauerem Hinsehen offenbart sich dann, wie das „Miteinander“ und der „Zusammenhalt“ in der Hauptstadt der Gegensätze erreicht werden soll: nicht durch Kompromisse, sondern durch ein entschlossenes „sowohl als auch“. Hier soll für alle etwas dabei sein.

Selbst bei genauerer Analyse findet sich tatsächlich wenig, was der Aufregung wert ist: Strittige Themen wie die Enteignungsfrage oder die Bebauung des Tempelhofer Feldes werden zur Entscheidung oder Umsetzung entweder in die Zeit nach der nächsten Wahl verschoben oder, wie die Verlängerung der Stadtautobahn, gar nicht erst erwähnt beziehungsweise dem Bund überlassen. Nur in Details blitzt hier und dort noch das abziehende Wahlkampfgewitter auf.

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Aber wer allen gefallen will, läuft Gefahr, es am Ende niemandem recht zu machen. CDU und SPD behaupten, hier „das Beste für Berlin“ aufgeschrieben zu haben. Aber wie „das Beste“ zu erreichen ist, darüber steht verdächtig wenig im Koalitionsvertrag. Auch was „gerecht“ für Schwarz-Rot bedeutet, bleibt weitgehend unklar – dennoch steht das Versprechen einer gerechten Politik auf jeder zweiten Seite.

Vieles bleibt deshalb im Vagen, von einigen Miniaturen mal abgesehen. „Für die Stahlbootflotte der Wasserschutzpolizei schaffen wir ab 2024 jährlich ein neues Stahlboot an“ lautet einer der wenigen Sätze, die aus dem Texteinerlei herausragen. Das ist zwar schön für die Stahlbootflottenkapitäne der Wasserschutzpolizei, die meisten Menschen in Berlin haben aber ganz andere Probleme. Wie die genau gelöst werden sollen, bleibt einstweilen offen.

Selbst zwischen den Zeilen versteckt sich wenig Konkretes. Klar ist allerdings: Das ist der teuerste Koalitionsvertrag, den Berlin je gesehen hat. Zusätzliche Milliarden für den Klimaschutz, zusätzliche Milliarden für den Wohnungskauf, zusätzliche Milliarden für die Bildung, zusätzliche Milliarden fürs Personal – so stolpert die Stadt über ein „Sondervermögen“ nach dem anderen in die nächste Finanzierungskrise. Das Versprechen, „spätestens zum Doppelhaushalt 2028/29 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu verabschieden“, geht diese Koalition dann ja auch schon nichts mehr an.

Nur dreieinhalb Jahre Zeit haben CDU und SPD bis zur nächsten Wahl, im Gesetzgebungsverfahren bei komplexen Themen oft ein Wimpernschlag. Da ist es schon ziemlich verblüffend, was sich die Koalition alles vornimmt. Das gilt für die inhaltliche Breite, das gilt ebenso für die Spitze. Nichts spricht dagegen, sich höchste Ziele zu setzen.

So wollen CDU und SPD die Metropolenregion Berlin „zu einem der bedeutendsten Wirtschafts-, Technologie- und Innovationsstandorte Europas weiterentwickeln.“ Das allerdings nicht sofort, sondern „im nächsten Jahrzehnt“ – wörtlich genommen also irgendwann zwischen 2030 und 2040.

Wichtiger wäre, sich jetzt darauf zu konzentrieren, was dafür die Grundlage wäre: eine effiziente Verwaltung ohne Behördenpingpong und organisierte Unzuständigkeit. Doch ausgerechnet bei diesem Thema wirkt die Vereinbarung seltsam blass. Die Passagen dazu wiederholen nur, was seit langem bekannt ist.

Es lässt sich kaum noch zählen, wie oft in den vergangenen Jahrzehnten von allen möglichen Koalitionen bereits versprochen wurde, „eindeutige Verantwortlichkeiten und eine klare Aufgabenverteilung zwischen Senats- und Bezirksebene“ festzulegen. Aber nachlesen lässt sich, dass CDU und SPD genau das schon einmal bei einer Koalitionsklausur beschlossen haben: vor genau dreißig Jahren, im März 1993. Der Koalitionsvertrag lässt nicht erkennen, wie und warum es diesmal gelingen sollte.

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