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Die Polizei prüft ein Video mit rassistischem Gegröle vor dem Sylter Lokal.

© dpa/Georg Wendt

Update

„Ekelhaftes Nazi-Gegröle“: Gäste eines Nobellokals auf Sylt singen rassistische Parolen – der Staatsschutz ermittelt

Zur Melodie eines Partyhits von Gigi D’Agostino skandieren die Restaurantbesucher „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“. Der Fall sorgt in der Politik für Kritik.

Die Polizei in Schleswig-Holstein ermittelt nach einem mutmaßlichen rechtsextremistischen Zwischenfall in einer Nobelbar auf der Nordseeinsel Sylt. Wie die Beamten am Freitag mitteilten, wurde ihnen ein entsprechendes Video des Geschehens am Donnerstagabend zugespielt.

Darauf sei zu sehen, wie Menschen zu einem Lied die rechtsextremen Textzeilen „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ sängen. Ebenfalls dokumentiert sei, wie einer der Anwesenden den verbotenen Hitlergruß zeige. Das Geschehen ereignete sich nach den bisherigen Erkenntnissen mutmaßlich am vergangenen Wochenende bei einer Feier auf einer Außenterrasse einer Bar in Kampen, wie die Polizei in Flensburg erklärte.

„Ersten Hinweisen auf beteiligte Personen wird seitens der Polizei nachgegangen.“ In dem Fall ermittelten der Staatsschutz und die Staatsanwaltschaft in Flensburg. Es gehe um Volksverhetzung und die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen.

Zuvor war das in den sozialen Netzwerken kursierende Video, in dem junge Menschen vor einem bekannten Nobellokal auf der Nordsee-Insel Sylt rassistische Parolen grölen, auf große Empörung gestoßen. Das Lokal distanzierte sich in der Nacht zu Freitag von den Gästen und kündigte Konsequenzen an.

In der nur wenige Sekunden langen Aufnahme, die seit Donnerstag in den sozialen Medien viral geht, grölen junge Männer und Frauen zur Melodie des Party-Hits „L'amour Toujours“ von Gigi D'Agostino „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“.

Ein Mann scheint mit seinen Fingern auf der Oberlippe einen Hitlerbart anzudeuten. Die Betreiber des Lokals erklärten auf Instagram zu dem Video, sie seien „tief schockiert“. „Wir distanzieren uns von jeder Art von Rassismus und Diskriminierung.“

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Das Sylter Lokal distanzierte sich öffentlich von den Gästen. „Hätten wir von dem Vorfall gewusst, hätten wir die betreffenden Gäste selbstverständlich des Hauses verwiesen. Es gibt keinen Platz für Rassismus!!!“, schrieben die Betreiber des Lokals auf Instagram. Jeder Gast unabhängig von der Ethnie sei herzlich willkommen.

Die Betreffenden bekämen Hausverbot, hieß es. In einem weiteren Beitrag schrieben die Betreiber, sie hätten nun die Namen „dieser Nazis zugespielt“ bekommen. „Wir werden dieses widerliche Verhalten anzeigen und alle strafrechtlichen Möglichkeiten nutzen!!!“

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Die gesamte Szene am späten Nachmittag des Pfingstsamstag sei von Überwachungskameras mit Ton aufgezeichnet worden, sagte Inhaber Tim Becker der dpa am Freitag. 

Man habe die Namen aller fünf Beteiligten an die Polizei gegeben. Auch die Überwachungsaufnahme sei der Polizei übermittelt worden. Viele der insgesamt rund 300 Gäste hätten auf der Terrasse des Lokals den Party-Hit „L’amour Toujours“ von Gigi D’Agostino ganz normal mitgesungen. Das sei auf der Aufnahme zu hören. 

Auf der Überwachungsaufnahme sei zu sehen, wie einer der Beteiligten die kleine Gruppe mit seinem Handy gefilmt hat. „Das waren wirklich nur diese fünf Leute“, sagte Becker. Ähnliche Vorfälle habe es im Pony bisher nicht gegeben. Eine Konsequenz sei, dass „L’amour Toujours“ künftig nicht mehr gespielt werde.

„Uns war das komplett neu, dass das missbraucht wird.“ Becker befürchtet, dass etwas von dem Vorfall hängen bleiben wird, „auch wenn wir da wirklich aus unserer Sicht nichts für können“. Man werde die Gäste künftig stärker animieren, rassistische Vorfälle den Türstehern zu melden. Normalerweise könnten solche Vorfälle in dem relativ kleinen Lokal Pony nicht unbemerkt bleiben. Pfingsten sei mit der Großveranstaltung eine Ausnahme. Der Vorfall belaste die ganze Insel. „Alle sind traurig, dass das passiert ist“, sagte Becker. „So etwas darf nicht sein.“ Die fünf Beteiligten bekommen nach Beckers Überzeugung nicht nur im Pony lebenslanges Hausverbot. „Auf Sylt brauchen die sich gar nicht mehr blicken lassen. Wir haben ganz viele befreundete Gastronomen.“

Politiker zeigen sich entsetzt

In der Politik sorgte der Fall für Empörung bis hinauf in die Bundesregierung. „Solche Parolen sind eklig“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag vor Journalisten in Berlin. „Sie sind nicht akzeptabel.“ Diesbezüglich dürfe es „kein Vertun“ geben. 

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat den rassistischen Vorfall verurteilt. „Ausländerfeindliche Parolen widersprechen allem, wofür das Grundgesetz steht“, sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin am Freitag. „Wer so etwas grölt, hat nichts aus der Geschichte gelernt.“

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bewertet die Szene als schlimme Verfehlungen. „Was dort zu sehen ist, zeichnet ein Bild von einer schlimmen Wohlstandsverwahrlosung. Gegen solche Taten gehen wir konsequent und mit aller Härte vor, Rechtsextremismus bekämpfen wir mit aller Entschiedenheit“, teilte er am Freitag mit.

In Schleswig-Holstein hätten solche widerlichen Gesänge, Parolen und rechtsextremistisches Gedankengut nichts zu suchen. „Deswegen begrüße ich es sehr, dass der Betreiber des Clubs, die Sylter Gemeinden, Tourismusbetriebe und -verbände sich bereits klar positioniert haben und die Ermittlungen nach Kräften unterstützen. Das sind genau die richtigen Signale, aber jetzt ist es natürlich wichtig, dass strafrechtlich relevante Delikte ermittelt werden und dann mit der ganzen Härte des Rechtsstaats dagegen vorgegangen wird“, so Günther.

Auch andere Mitglieder der Landesregierung Schleswig-Holstein sollen sich entsetzt über den Vorfall geäußert haben, berichtet das „RedaktionsNetzwerkDeutschland“ (RND). Aminata Touré (Grüne), Integrationsministerin von Schleswig-Holstein, forderte dem RND zufolge „strafrechtliche Ermittlungen“. „Das ist kein dummer Jungenstreich, sondern schlimmstes Nazi-Gegröle erwachsener Leute auf offener Bühne. Widerwärtig und ekelhaft. Schämen sollten sie sich!“, sagte sie dem RND.

Die Aufnahmen würden die Landesbildungsministerin Karin Prien (CDU) „anwidern“. Die Bilder seien „ein Zeichen von Wohlstandsverwahrlosung“. Prien fügte dem RND zufolge hinzu: „In Schleswig-Holstein ist kein Platz für Ausländerfeindlichkeit. Ich freue mich, dass die Bar, in der diese Videos gemacht wurden, die Polizei bei den Ermittlungen unterstützen und den Grölenden Hausverbot erteilen will.“

Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hat den Vorfall scharf verurteilt. „Diese unverhohlene „Ausländer-raus-Stimmung“ erleben wir auch in unserer Beratung, Menschen werden diskriminiert und herabgewürdigt“, sagte sie am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Das ist blanker Rassismus, der sich immer weiter in alle Milieus und Altersgruppen hineinfräst und offen ausgelebt wird“, erklärte Ataman.

„Wer Nazi-Parolen wie „Deutschland den Deutschen - Ausländer raus“ grölt, ist eine Schande für Deutschland“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Freitag den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Es stelle sich die Frage, „ob wir es hier mit Menschen zu tun haben, die in einer wohlstandsverwahrlosten Parallelgesellschaft leben, die die Werte unseres Grundgesetzes mit Füßen tritt.“ Die Frage sei auch, welches hasserfüllte Klima solche Leute dazu ermutige, sich so abgrundtief rassistisch in aller Öffentlichkeit zu äußern. „Hier darf es keinerlei schleichende Normalisierung geben“, forderte die Ministerin. Rassisten müssten neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen überall – im Freundeskreis, bei der Arbeit, im Sport – lauten Widerspruch erfahren. „Es ist wichtig, den Mund aufzumachen und gegenzuhalten gegen solchen Menschenhass“, rief Faeser zur Zivilcourage auf. 

Die Co-Chefin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn, hat sich empört gezeigt. „Die Äußerungen dieser faschistoiden Schnösel auf Sylt sind ekelhaft und abstoßend“, sagte Appuhn am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

CSU-Generalsekretär Martin Huber hat die Menschen, die auf der Nordseeinsel Sylt rassistische Parolen gegrölt haben, dazu aufgefordert, sich freiwillig bei den Behörden zu melden. „Die Personen in dem Video sollten sich stellen“, sagte er am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. „Der Vorfall auf Sylt ist schockierend und widerwärtig.“

Hamburger Influencerin feuert Mitarbeiterin nach Rassismus-Eklat

Die Hamburger Influencerin Milena Karl habe einem Bericht des „Hamburger Abendblatts“ zufolge in dem Video eine bei ihr angestellte Person gesehen. Daraufhin habe Karl die Person „mit sofortiger Wirkung“ entlassen. Karl distanziere sich sowohl vom Inhalt des Videos als auch von allen Personen, die in dem Video aufträten.

In dem Video ist zu sehen, wie die Umstehenden singen und wippen, sie haben Gläser mit Getränken in den Händen. An dem Gegröle scheint sich niemand zu stören. Laut „Bild“ soll das Video zu Pfingsten im Lokal Pony in Kampen entstanden sein. (dpa)

Korrekturhinweis: Im Text war zunächst ein von der dpa übernommener Satz zur Urheberschaft des Videos. Die dpa hat diesen Satz in ihrer Meldung inzwischen entfernt, er wurde von uns auch in unserem Text gelöscht.

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