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Arbeiter gehen in der Nähe des Wracks der Antonov AN-225 "Mriya" auf dem Flughafen Hostomel am Stadtrand von Kiew, Ukraine, spazieren.

© dpa/Lukas Coch

Ein Zwilling für die legendäre An-225 „Mriya“: Die größte Transportmaschine der Welt soll wieder abheben

Am 27. Februar zerstörten russische Angreifer die An-225 „Mriya“, ein Wunderwerk der Technik. Die Ukrainer wollen eine neue - auch mit deutscher Hilfe.

Sie ist ein technisches Wunderwerk, einzigartig in der Weltluftfahrt – und ein Symbol der Ukraine. Es handelt sich um die An-225 „Mriya“, das größte Transportflugzeug der Welt. Einst wurde es im Antonov-Werk in Kiew gebaut. Schon die Namen sind sprechend: „Mriya“ ist ukrainisch für „Traum“, der Codename auf Deutsch lautet „Kosak“. eine inoffizielle Zwischenstellung zwischen Ritter und Adligem in der mittelalterlichen Ukraine.

Lange war das Flugzeug im Einsatz, es stellt fast 500 Flugrekorde auf, darunter 240 Weltrekorde – bis russische Angreifer am 27. Februar die An-225 Mriya zerstörten. Sie war damals auf einem Flugplatz in der Stadt Gostomel, 37 Kilometer von der ukrainischen Hauptstadt entfernt, stationiert.

Gostomel und sein Flughafen waren eines der Hauptziele der russischen Streitkräfte in der Region Kiew. Es gab heftige Kämpfe um die Stadt. Nach der Einnahme durch die Russen war die Stadt 35 Tage lang besetzt.

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Doch der Traum vom größten Flugzeug der Welt lebt fort. Schon unmittelbar nach der Befreiung von Gostomel Anfang April 2022 sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij, dass die Ukraine ein neues Mriya-Flugzeug bauen und es dem Andenken aller im Krieg gefallenen Piloten widmen müsse. Ein Projekt zur Wiederherstellung des Flaggschiffs der ukrainischen Luftfahrt wird jetzt mit ausländischen Partnern entwickelt.

Die AN-225 absolvierte ihren Erstflug im Jahr 1988. Die Hauptaufgabe des Flugzeugs war der Transport verschiedener Teile der Trägerrakete Energia und des Raumschiffs Buran. Diese Teile wurden in den Unternehmen der zentralen Regionen der UdSSR hergestellt. Die Endmontage sollte auf dem Weltraumbahnhof Baikonur erfolgen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde das Programm eingestellt.

2002 startete der erste kommerzielle Flug

Die „Mriya“ stand in einem Hangar, bis sie Anfang der 2000er Jahre von der staatlichen Gesellschaft Antonov Airlines zu einem Transportflugzeug umgebaut wurde. Die „Mriya“ absolvierte ihren ersten kommerziellen Flug am 31. Januar 2002 von Stuttgart in das Königreich Oman und beförderte 187,5 Tonnen Lebensmittel für das dort stationierte US-Militär.

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Die „Mriya“ wurde hauptsächlich für den schnellen Transport von sperrigen Hilfsgütern für die Opfer von Naturkatastrophen eingesetzt. Während der Covid-19-Pandemie beförderte das Flugzeug große Mengen an Schutzmasken, Schutzanzügen, Schutzbrillen, Desinfektionsmitteln und Atemgeräten in die ganze Welt. Bereits am 26. Januar dieses Jahres hatte das staatliche Antonov-Werk von der Nato den Vorschlag erhalten, ukrainische Transportflugzeuge, Personal des Flughafens Gostomel, Besatzungen und Ersatzteile zum Flughafen Leipzig zu evakuieren – wegen einer drohenden russischen Invasion.

Am 24. Februar sollte die Maschine eigentlich abheben

Der Flughafen Leipzig ist ein langjähriger Partner der ukrainischen Kollegen. Trotz des Angebots blieb die „Mriya“ in ihrer Basis in Gostomel. Dort musste eines seiner sechs Triebwerke repariert werden. Alle Arbeiten wurden am 23. Februar um 22 Uhr abgeschlossen. Der Flug nach Leipzig war für den Nachmittag des nächsten Tages geplant. Am 24. Februar war es jedoch zu spät, um abzuheben: In der Region Kiew fanden Kämpfe statt. Aufgrund ihrer Größe war die „Mriya“ auf dem Radar gut sichtbar, so dass sie bei einem Flugversuch wahrscheinlich zerstört worden wäre.

Mike Quigley, Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses, steht vor dem ausgebrannten Wrack der Antonov An-225 Frachtmaschine.

© dpa/Efrem Lukatsky

Laut Dmitry Antonov, Kommandant der An-225 und leitender Pilot der Antonov Airlines, wurden „50 Prozent der Flugzeuge, die während der Erstürmung von Gostomel in andere Länder flogen, gerettet“. Jetzt sind sie dauerhaft in Leipzig stationiert.

Von dort aus führt die Fluggesellschaft internationale kommerzielle Frachtflüge durch. „Vorrang haben Flüge für die ukrainische Regierung, die Nato/EU im Rahmen des Salis-Programms und humanitäre Einsätze“, so der Pilot, der die geretteten Antonov- Frachtflugzeuge vom deutschen Flughafen aus steuert. Dort konnte der Tagesspiegel mit ihm sprechen.

Dmitry Antonov ist nicht verwandt mit dem berühmten Flugzeugkonstrukteur Oleg Antonov, nach dem das Werk und die Fluggesellschaft benannt sind. Der Nachname Antonov ist in der Ukraine sehr beliebt. Allein bei Antonov Airlines sind zehn Namensgeber beschäftigt. Vier von ihnen arbeiten jetzt in Leipzig. Antonov Airlines erwartet dort über einen Zeitraum von zwölf Monaten 385 Flüge mit 1 270 Landungen.

Die zerstörte Maschine kann nicht wiederaufgebaut werden

Die Wiedereröffnung des Flughafens bei Kiew wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Der Wiederaufbau wird erst nach dem Krieg beginnen. Wie Luftfahrtportale unter Berufung auf eine Präsentation des Unternehmens in Wien berichten, sind die Vorbereitungen für eine vollwertige Basis für Antonov Airlines im Gange.

Es wird erwogen, Ersatztriebwerke, Ersatzteile, Spezialausrüstung, Techniker, Flugpersonal und wichtiges Büropersonal von der Ukraine nach Deutschland zu transportieren. Die zerstörte „Mriya“ indes kann nicht wiederhergestellt werden.

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Das Flugzeug verfügt jedoch über eine zu 60 Prozent gebaute Zwillingsmaschine. Deren Standort wird erst nach dem Krieg bekannt gegeben. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurden die Bauarbeiten am Zwilling eingestellt. Schon im Jahr 2016 interessierten sich chinesische Investoren der Aerospace Industry Corporation of China für die Fertigstellung von Mriya-2. Sie planten auch die Aufnahme der Serienproduktion des Modells, doch das ging nicht über die Unterzeichnung eines Memorandums hinaus.

Die Kosten werden bis auf eine Milliarde Dollar geschätzt

Nun hat die Bergung des Flugzeugs für die Ukraine Vorrang. Eine Kommission des Staatsunternehmens „Antonov“ plant die Realisierung des Projekts. Dabei stellen sich vor allem finanzielle Probleme: Da es sich bei dem Flugzeug um ein einzelnes Exemplar handelt, können sich die Kosten nach Schätzungen auf 500 Millionen bis zu einer Milliarde Dollar belaufen. Für die Ukraine wäre das unter den gegenwärtigen Umständen unerschwinglich.

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Dmitry Antonov, sagt, das Flugzeug sollte am besten eine Kopie der ersten Dream sein, um die Kosten für die Entwicklung und Erprobung der neuen An-225 zu minimieren. „Gleichzeitig sollte die neue Version moderne Komponenten enthalten, die die Aerodynamik nicht beeinträchtigen. Konstrukteure sollten die Technologie moderner Flugzeuge wie Boeing 787 Dreamliner, Airbus A380 und A350 berücksichtigen.“

Die Ukraine werde sich um die Unterstützung von Airbus, Boeing, Bombardier und Embraer bemühen.

Kann sie mit moderneren Giganten konkurrieren?

Einige Ersatzteile für die „Mriya“ sind so einzigartig, dass die Konstrukteure exklusive Bestellungen bei führenden Flugzeugherstellern aufgeben müssen. Da die Teile nicht in Massenproduktion hergestellt werden, erhöhen sich die Kosten erheblich. „Die Hauptfrage, die sich bei der Planung der Restaurierung des Mriya- Flugzeugs stellt, ist, ob dieses Projekt wirtschaftlich tragfähig ist“, sagt Dmitry Antonov.

Es gibt viele Skeptiker, die argumentieren, dass der Neubau eines einzigartigen Flugzeugs wirtschaftlich ineffizient ist. Es ist schwer vorstellbar, wie die neue Mriya beschaffen sein muss, um mit den modernen Giganten Boeing und Airbus zu konkurrieren.

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„Die kommerzielle Nische der An-225 ist der Transport von großen Lasten, die nicht zerlegt oder getrennt werden können. Hier hat die ,Mriya’ keine Konkurrenten“, sagt Antonov. Es müsse eine zusätzliche Nische für das Flugzeug in der Raumfahrtindustrie gefunden werden – genau dafür war die „Mriya“ in der Entwurfsphase gedacht.

„Die Entwicklungen in der Raumfahrttechnologie und die Kommerzialisierung von Raketenstarts werden die Aufträge für den Transport von sperrigen Gütern und sogar für den Start von Raumfahrzeugen aus der Luft ankurbeln“, sagt Antonov.

Ein britischer Milliardär schaltet sich ein

Offenbar teilt der britische Milliardär und Geschäftsmann Richard Branson, Gründer der Virgin Group, die Ansicht, dass die Mriya wiederhergestellt werden muss. Während seines Besuchs in der Ukraine traf er unlängst mit ukrainischen Abgeordneten zusammen und erörterte die Nachkriegshilfe für die Ukraine.

Später schrieb Branson in seinem Blog: „Ich hoffe, dass das Erbe der Mriya erhalten bleib“. Ein Sprecher der Virgin Group teilte mit, Branson prüfe, was für die Wiederherstellung erforderlich sei. Irgendwann, so die Hoffnung in der Ukraine, wird die zweite Mriya, der zweite Traum, in Erfüllung gehen – und abheben.

Die Autorin arbeitete vor Kriegsbeginn als Chefredakteurin des Politik- und Wirtschaftsmagazins „Intelmag“.
Sie gehört zum Team des ukrainischen Journalistenprojektes des Tagesspiegels.

Yulia Valova

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