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Karl Klammer, die freundliche Büroklammer aus dem alten Office.

© Microsoft

Einst von allen gehasst: Nervensäge Karl Klammer aus Office ist zurück – aber diesmal in schlau

Der vermeintliche Helfer trieb bis zu seiner Abschaltung Office-Anwender in den Wahnsinn. Nun ist er zurück – als KI-Tool. Ein Grund zur Freude?

Die Älteren werden sich erinnern: Damals, lange vor TikTok, Smartphones und Social Media, war es ganz schön einsam auf den Bildschirmen dieser Republik. Auf den Röhrenmonitoren flimmerte Windows 98 oder XP, und Internetverbindungen waren in den Neunzigern und zur Jahrtausendwende kein Standard.

Die ganz modernen unter den Nutzern hatten Browser-Chatrooms und ICQ, um soziale Nähe auf dem Bildschirm zu spüren – aber dem Rest blieb nur Karl Klammer.

Mehr als 20 Jahre vor dem KI-Boom der Gegenwart war diese freundlich dreinblickende Cartoon-Büroklammer ihrer Zeit weit voraus. Karl Klammer war ein digitaler Assistent, den Microsoft in seine Office-Produkte ab Version 97 einbaute. Er funktionierte ohne Internetverbindung und bot verlässlich seine Dienste an, wann immer wir in Office die ersten Worte ins leere Dokument tippten.

Karl Klammer: Er wollte doch nur helfen ...

© Microsoft

Karl Klammer fragte uns, ob wir Hilfe brauchen, er wollte mit Ratschlägen zur Seite stehen – und entpuppte sich schnell als das nervigste aller Desktop-Elemente, bis dieser Titel irgendwann an ungefragt aufploppende Werbefenster im Internetbrowser weitergereicht wurde.

Karl Klammer: Nicht mal bei Microsoft konnten sie ihn leiden

Karl Klammer meinte es gut mit uns, war aber oft überhaupt nicht hilfreich. Ja, wir hätten ihn in den Optionen von Word deaktivieren können. Aber bis sich das herumsprach, klickten wir den Assistenten tausendfach weg. Mit jedem Mal stieg die Wut auf dieses eigentlich so liebenswürdig aussehende Störelement, das selbst bei Microsoft intern als „TFC“ („the fucking clown“, „der verdammte Clown“) bezeichnet worden sein soll.

2001 wurde Karl Klammer von Microsoft standardmäßig deaktiviert, doch das reichte noch nicht. 2007 wurde er sogar vollständig aus Office-Anwendungen entfernt. Karl Klammer musste sterben.

Karl Klammer ist jetzt eine KI

Es vergingen mehr als 15 friedliche Jahre. Inzwischen nennen wir Programme „Apps“ und ein App-Anbieter namens FireCubeStudios hat das Tool „Clippy“ veröffentlicht. So heißt Karl Klammer auf Englisch. Man kann sich „Clippy“ im Microsoft-Store herunterladen – und den Helfer damit wiederbeleben.

Wobei Karl ganz und gar nicht mehr der alte ist. Karl hat gelernt. Karl ist eine Künstliche Intelligenz.

Hinter „Clippy“ nämlich steckt die Technik von OpenAI GPT 3.5, wie der Anbieter im App-Store schreibt. Das heißt: Karl Klammer dürfte unsere Fragen nun so gut beantworten und unsere Anweisungen jetzt so präzise ausführen, wie nie zuvor. Anders formuliert: Er wird endlich tun, was er damals schon tun sollte, aber nicht tat, als wir vor dem Windows-98-Screen frustriert auf die klobige Tastatur eingedroschen haben.

Karl Klammer ist wieder da. Im Jahre 2023. Zu einer Zeit, in der der Hype um Künstliche Intelligenz die Wohnzimmer, Büros und Medienhäuser dieser Republik erreicht hat. Zu einer Zeit, in der sich die Politik fragt, welche Grenzen sie einer potenziell unkontrollierbaren Technik setzen will.

2023 ist das Jahr, in dem mehrere Experten eindringlich vor den Folgen der neuen Technik gewarnt haben. Geoffrey Hinton, der bei Google für Künstliche Intelligenz zuständig war, hat seinen Job gekündigt. Er will mit KI nichts mehr zu tun haben.

Und plötzlich ist Karl Klammer wieder da. Er sieht aus wie früher, ist nun aber viel, viel schlauer. Er will uns endlich so helfen, wie er es früher nie konnte. Damals haben wir über ihn geschimpft, uns über ihn lustig gemacht und ihn weggeklickt. Aber eine Künstliche Intelligenz wird doch bestimmt nicht nachtragend sein…

… oder?

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