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Ein Mann hält auf der Hanfparade 2023 am Berliner Alexanderplatz ein Schild mit der Aufschrift „Karl mach schneller“

© IMAGO/Jürgen Held

Horror-Szenario für Kiffer: Keine Chance, legal an Gras zu kommen – für viele Monate

Seit 1. April mag das Kiffen in Deutschland an bestimmten Orten erlaubt sein. Doch wo soll man das Gras eigentlich herbekommen? Fakt ist: Wer nicht selbst anbaut und sich ans Gesetz halten will, wartet noch lange.

Wer in Deutschland kiffen und Cannabis legal beziehen will, muss unter die Gras-Gärtner gehen. Seit 1. April darf man, unter bestimmten Auflagen, Cannabis zum Eigenkonsum anbauen. Das Problem dabei: Der Umgang mit den Pflanzen dürfte manche abschrecken.

„Boah, wie kompliziert, wenn man einfach nur einen durchziehen will“, schrieb „Tagesspiegel“-User xb13 unter einen unserer Cannabis-Artikel, wo ein anderer User Tipps zum Züchten der Pflanzen gab – Stichwörter sind „Lichtwechsel in der Blütezeit“ und „Luftfeuchtigkeit“, um Schimmel zu vermeiden.

Andere Menschen im Internet wiederum beschreiben den Cannabisanbau als nicht besonders kompliziert. So oder so gilt: Es braucht in jedem Fall Geduld, bis aus den Samen (die man im Internet kaufen darf) ein Joint geworden ist. Grob kann man mit drei Monaten von Beginn bis zur Ernte rechnen.

Wer also Anfang April mit der Aussaat begonnen hat, kann im Sommer ernten, um sich dann bei hoffentlich bestem Wetter und an einem erlaubten Ort einen Dübel aus eigenem Anbau reinzufahren. Aber was ist mit Kiffern ohne grünen Daumen? Sie müssen sogar noch deutlich geduldiger sein, jedenfalls wenn sie nicht (weiterhin) zum Dealer gehen wollen.

Kaufen, verschenken, einführen? Geht alles nicht

Denn die Möglichkeiten zum legalen Bezug von Cannabis sind auch nach der Gesetzesänderung bis auf den Eigenanbau nicht vorhanden. Die aus Amsterdam bekannten „Coffeeshops“ wird es in Deutschland auf absehbare Zeit nicht geben und auch sonst darf Cannabis nirgendwo verkauft werden.

Die Einfuhr ist ebenfalls nicht erlaubt. Der Zoll „warnt daher Konsumentinnen und Konsumenten zur Vermeidung von strafrechtlichen Konsequenzen ausdrücklich davor, im Ausland erworbenes Cannabis nach Deutschland einzuführen“. So klingt es, wenn die Vorstellung eines fröhlichen Einkaufstrips nach Amsterdam in feinstem Beamtendeutsch zunichtegemacht wird.

Menschen wie „Tagesspiegel“-User xb13 können nicht mal auf die Geschenke von Gras-affinen Hobbygärtner hoffen, sofern letztere sich ans Gesetz halten. Cannabis aus dem privaten Eigenanbau darf nicht an Dritte weitergegeben werden. Die Weitergabe ist strafbar. Außerdem muss der Cannabisbauer mit „geeigneten Sicherheitsvorkehrungen“ dafür Sorge tragen, dass Dritte keinen Zugriff auf Cannabis, Cannabispflanzen und Cannabissamen haben. Ob das Auge des Gesetzes allerdings zusieht, wenn in privater Runde die Lunte wandert, ist eine andere Frage.

Die Anbauvereine und ihr Kampf mit der Bürokratie

Aber was ist mit den Anbauvereinigungen, die Cannabis züchten und bis zu 50 Gramm monatlich an ihre Ü-21-Mitglieder abgeben dürfen? Auch hier ist zumindest Geduld vonnöten.

Die Cannabis-Clubs können laut Gesetz erst in knapp drei Monaten ihre Arbeit aufnehmen. Und wer sich nun vorfreudig einen dicken roten Joint in den 1. Juli des Kalenders malt, hat wiederum die deutsche Bürokratie unterschätzt.

Mal abgesehen davon, dass man erst mal Clubmitglied werden muss, um Cannabis zu beziehen, handelt es sich beim Stichtag 1. Juli um ein eher theoretisches Startdatum. Jeder Club braucht eine behördliche Genehmigung zum Anbau. Wie Sprecher Keno Mennenga vom Club-Dachverband Mariana Cannabis gegenüber dem „Tagesspiegel“ einschätzte, werden sich die meisten Behörden überhaupt erst ab dem 1. Juli mit den Genehmigungen befassen – frühestens. An diesem Tag treten die Vorschriften für Anbauvereinigungen inklusive der Erlaubnispflicht in Kraft.

Wann die einzelnen Cannabis-Clubs tatsächlich mit der Aussaat beginnen können, hängt also davon ab, wie schnell Anträge ab dem 1. Juli bearbeitet werden. In Berlin, der Hauptstadt des Behörden-Pingpongs, ist aktuell beispielsweise nicht mal geklärt, welche Stelle überhaupt für die Anträge zuständig ist.

Auf einen positiven behördlichen Bescheid folgen noch die Aussaat, ein mehrmonatiges Pflanzenwachstum und schließlich Ernte sowie Ausgabe des Cannabis an geduldige Kiffer mit Clubausweis.

Erst wenn draußen die Blätter fallen, kommt das Gras in die Tüte

Daher erscheint folgende Prognose wahrscheinlich: Bis die amtlich abgesegnete Cannabis-Saat zur erntereifen Pflanze und schließlich zum Joint im Munde eines gesetzeskonformen Konsumenten geworden ist, dürften in Deutschland bereits die Herbstblätter fallen.

Sollte man also bis dahin vielleicht doch selbst zum Cannabisbauer werden? Jedenfalls der eingangs bereits zitierte „Tagesspiegel“-User xb13 sieht das offenbar skeptisch. „Das macht doch kein Schwein, die Leute werden weiterhin zu Dealern und nach Holland fahren.“

Hinweise zur Suchtberatung: Im Internet, per Telefon und vor Ort gibt es unterschiedliche Angebote. Die Caritas bietet kostenfreie Suchtberatung per Mail, Chat oder in Beratungsstellen an. Die „Sucht & Drogen Hotline“ (01806 313031) bietet telefonische Beratung, Hilfe und Informationen durch Fachleute aus der Drogen- und Suchthilfe (Kosten: 0,20 Euro pro Anruf aus dem deutschen Festnetz und aus dem Mobilfunknetz). Auch das „Nottelefon Sucht“ kann man anrufen (neun Cent pro Minute Festnetz/Mobil). Fast jede Stadt verfügt über unterschiedliche Beratungsstellen, zu denen man hingehen kann (Suche per Postleitzahl oder Ort).

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