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Geteiltes Leid: Lilja zeigt Britta Fredrich Videos, die ihr Mann von Bombeneinschlägen in ihrer Heimat gefilmt hat.

© Foto: Tagesspiegel/ Sophie Peschke

Krieg und Freundschaft: Wie eine geflohene Ukrainerin und ihre Tochter in Pankow unterkamen

Die Berlinerin Britta Fredrich hat eine ukrainische Mutter mit ihrer Tochter aufgenommen. Durch ihre Mitbewohnerinnen erfährt sie von den Traumata des Krieges – und lernt von ihrer Stärke. Ein Video-Portrait.

Britta Fredrich hat Besuch bekommen, auf den sie sich gefreut hat: Lilja und ihre Tochter Anastasiia sind für einen Nachmittag zu ihr nach Pankow gekommen. Bis vor einigen Wochen hatten die beiden noch in Fredrichs Wohnung gewohnt. Zu dritt sitzen sie jetzt am Wohnzimmertisch und spielen ein Gesellschaftsspiel. Sie lachen miteinander, wirken unbeschwert. Gemeinsam vergessen sie für den Moment all das, was rund 1400 Kilometer entfernt von ihnen passiert. Und was der Grund dafür ist, dass sie sich kennen.

Lilja, 42, und Anastasiia, 13, die ihre Nachnamen lieber nicht nennen wollen, sind vergangenes Jahr aus der Ukraine geflüchtet – und kamen nach ihrer Ankunft in Berlin bei Britta Fredrich unter. „Wir haben nicht sofort beschlossen zu gehen“, erinnert sich Lilja auf Ukrainisch an den Kriegsausbruch. Die Leute seien am 24. Februar 2022 in Massen geflüchtet und es habe schreckliche Staus gegeben. Ihre Familie sei zunächst im Luftschutzkeller geblieben: „Das war sehr laut und es gab ständig Gerüchte, dass im Bezirk schon Panzer unterwegs seien. Das war so beängstigend, und irgendwann hielten wir es nicht mehr aus und stiegen ins Auto.“ Den Ehemann und ihre Katze ließen sie in Kiew zurück.

Im Video: Krieg und Freundschaft

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Ihre Flucht führte Mutter und Tochter durch die Slowakei und Tschechien, im März kamen die beiden in Berlin an. Über die Nachbarschafts-Plattform „Nebenan.de“ hat Lilja Britta Fredrich gefunden. Die Berlinerin bot ein leer stehendes Zimmer an, das ehemalige Kinderzimmer ihrer erwachsenen Tochter.

Genauso könnte es mir auch ergehen. Insofern war es für mich klar, dass ich helfen wollte.

Britta Fredrich

„Mir ging das wirklich ganz nahe“, erinnert sich Fredrich an die Zeit vor rund einem Jahr. „Am einen Tag macht man sich noch Sorgen um seine Arbeit, und am nächsten Tag geht es um das eigene Leben und um das der Menschen, an denen man hängt. Genauso könnte es mir auch ergehen. Insofern war es für mich klar, dass ich helfen wollte.“

Sie suchen Ablenkung: Um sich von den Schreckensnachrichten aus der Ukraine abzulenken, spielen Britta Fredrich (links), Lilja (rechts) und Anastasiia das Spiel „Dixit“.

© Tagesspiegel/Sophie Peschke

Es gab ein erstes Treffen, dann die Schlüsselübergabe: „Wir haben kurz geredet, vielleicht zwanzig, dreißig Minuten. Dann hat mir Britta einfach die Schlüssel gegeben und das war’s. Und beim nächsten Mal kamen wir dann schon mit unseren Sachen hierher.“

Lilja (rechts) und Anastasiia (links) haben im ehemaligen Kinderzimmer von Britta Fredrich gewohnt.

© Foto: Tagesspiegel/ Sophie Peschke

Drei Monate leben Lilja und Nastja bei Britta.Fredrich. Eine intensive Zeit, in der die Gastgeberin das Kriegsgeschehen nun aus nächster Nähe miterlebt. Lilja erreichen Schreckensnachrichten aus der Ukraine, ihr Ehemann schickt Videos von Einschlägen in der früheren Wohngegend: „Die Videos hat Lilja mir gezeigt, sicher auch aus dem Wunsch heraus, das mit mir zu teilen und weil es schwierig war, das auszuhalten. Da hat man ein schlechtes Gewissen dafür, in Sicherheit zu sein, während die Menschen, die man liebt, es nicht sind“, sagt Britta Fredrich.

Wenn die dunklen Gedanken überwiegen

Die beiden Frauen unterstützen sich gegenseitig, lernen voneinander und freunden sich an: „Lilja hat mir zum Beispiel erzählt, dass sie die Einzige in ihrem Bekanntenkreis ist, die keine Psychopharmaka nimmt“, sagt Fredrich und wirkt beeindruckt. Sie wisse, dass die meisten geflüchteten Ukrainerinnen Beruhigungsmittel nehmen würden. Zwar sind sie in Sicherheit, doch oftmals haben sie in der Ukraine oder auf der Flucht Traumatisches erlebt. „Lilja hat ihre eigene Art und Weise, damit umzugehen. Wenn die dunklen Gedanken überwiegen, geht sie los und schaut sich etwas Neues an. Das ist eine persönliche Stärke von ihr. Daran werde ich mich erinnern, wenn ich selbst mal in einer schwierigen Situation sein sollte.“

Mittlerweile hat Lilja eine eigene Wohnung für sich und ihre Tochter gefunden und ist bei Britta ausgezogen. Trotz allem ist ihr Blick auf die Umstände ein positiver: „Vielleicht hatten all diese Herausforderungen, durch die wir gehen mussten, einen Grund. Wenn wir diese Schwierigkeiten nicht gehabt hätten und sofort eine Wohnung gefunden hätten, hätte ich Britta nicht kennengelernt.“

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