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Wie geht es weiter in der Coronakrise? Anne Will und ihre Gäste diskutieren.

© von https://daserste.ndr.de/annewill/index.html

„Anne Will“ zur Coronakrise: Durchdachtes Durchwurschteln ist die Antwort

Über eine Lockerung der Einschränkungen in der Coronakrise möchten Anne Wills Gäste nicht zu laut nachdenken. Das Unaufgeregte tat der Runde gut.

So ganz das Krisenformat sind Talkshows nicht. Da brauchte es schon wirkliche Krawallschachteln auf den Studiosesseln, um auch zum Notstand noch harte Kontroverse geliefert zu bekommen. Aber wer will die schon in solchen Zeiten. Die Krise ist vielmehr die Zeit gepflegten gemeinsamen Nachdenkens über die besten Wege nach draußen. Das kann dann schon mal in gepflegte Langeweile münden.

So verging bei Anne Will am Sonntagabend etwa eine Viertelstunde mit Antworten auf die Frage, ob man schon jetzt darüber nachdenken dürfe, die Ausgangssperren und Shutdowns von Schulen, Behörden, Gaststätten zu lockern. Wills Gäste waren sich fast wortgleich einig: Nachdenken gern, aber vielleicht noch nicht zu laut. Lassen wir die Maßnahmen doch erst einmal wirken. Womöglich war ja sogar der Dissens zwischen der Kanzlerin (nein) und ihrem Düsseldorfer Parteifreund Armin Laschet (ja) eher konstruiert, mit dem Will einen Streit befeuern wollte.

Der Abend unter dem Titel „Der Corona-Ausnahmezustand – wie geht es weiter in Deutschland?“ blieb so gepflegt und kontroversenarm. Aber irgendwann beim Zuschauen merkte man, dass das Entschleunigte, Unaufgeregte dieser Runde gut tat und klüger machte.

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Altmaier verspricht Nachsteuern beim Krisenpaket

Wohltuend schon, dass alle aus den gesetzten Rollen traten. Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, nannte zwar die Zahlen, die sein Institut ausgerechnet hatte. „Ein Shutdown von einem Monat kostet vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts, eine Verlängerung 40 Milliarden, also so viel wie der Verteidigungshaushalt.“  Aber Fuest gab nicht den Heiligen Georg der Unternehmen: „Wir brauchen auf Dauer die Rettung der Wirtschaft und der Gesundheit. Entweder das eine oder das andere – diese Debatte ist falsch.“

Gérard Krause, Leiter der Epidemiologie-Abteilung am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, beobachtet gerade die Ausbreitung von Covid-19. Man könnte ihn für einen natürlich Datenhungrigen halten, aber zum Infektionstracking per Handy sagt er: „Nein, ich bin nicht dafür.“ Es bringe einfach nicht genug, um seine starken Nebenwirkungen zu rechtfertigen, nämlich „dass stark eingegriffen wird in Bürgerrechte, die vor Jahrhunderten erkämpft wurden“.

Und Wirtschaftsminister Peter Altmaier gibt, auch ohne mit bohrenden Vorwürfen konfrontiert zu sein, offen zu, dass das 750-Milliarden-Krisenpaket der letzten Woche berechtigte Wünsche offen lässt, zum Beispiel Haftungszusagen des Staats. „Wenn man etwas schnell macht, dann übersieht man manchmal auch etwas.“ Man werde, wo nötig, „nachsteuern“, sagt er. Versprochen.

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Am ehesten noch blieb Susanne Johna in einer klassischen Talk-Rolle. Die Vorsitzende der Klinikärzte-Gewerkschaft Marburger Bund und Hygienefachfrau wies auf die Schwachstellen im Gesundheitssystem hin. Zentral sei doch die Frage, „wie können wir Personal in den Kliniken wie in Praxen gesund halten? Dafür brauchen wir Schutzmaterial. Das haben wir nicht.“ Das möchte, bitteschön, jetzt an erster Stelle in den Fokus genommen werden.

Bei Altmaier löste Johnas Intervention kurz den Politiker-Pawlow-Reflex aus – alles im Griff, wir arbeiten dran – doch dann übernahm Fuest: Die deutsche Industrie produziere bisher Autos und keine Masken. Die Spezialisierung sei schlecht in Notfällen, daraus sei zu lernen, „das sehen wir“, aber: „Ich fürchte, wir müssen uns da jetzt durchwurschteln.“

„Es kann auch alles noch länger dauern“

Ein gewagtes Wort, wenn es von einem kommt, der wie die andern der Runde, darunter Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), mit im Krisenmanagement der letzten Wochen war. Aber bei Anne Will wurde auch deutlich, dass durchdachtes Durchwurschteln die einzige rationale Antwort auf die Krise sein dürfte. „Auf Sicht fahren“ nannte es Epidemieforscher Krause, im Lichte neuer Erkenntnisse „neu bewerten, ob wir die Strategie ändern müssen“ und sich neuen Einsichten „kontinuierlich anpassen“. Da hätte, so ist herauszuhören, womöglich auch die Strategie von Gesundheitssminister Spahn Platz: „Bremsen und Beschleunigen“. Wobei niemand in der Runde Kavaliersstarts das Wort redete. Das Wiederanfahren der Wirtschaft müsse „sachte“ sein, sagt Krause. Wenn sich dann neue Infektionsherde bildeten, könne man gezielt und lokal intervenieren.

Wie lange das alles dauern wird? Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) nannte im Tagesspiegel am Sonntag den 20. April, Fuest wirft, nebenbei, „Ende Mai“ in die Debatte. Will hakt nach: „Warum Ende Mai?“ Doch ihr Gast korrigiert sich nicht: „Es kann auch noch länger dauern.“

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