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KRIMI: Der Pazifist und die Tellermine

Jörg Hubes letzter Auftritt – als Fernseh-Kommissar im Münchner „Polizeiruf 110“

Dieser 25. Münchner „Polizeiruf 110“ ist trotz seines etwas infantilen Titels „Klick gemacht“ in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Da ist zum einen die beklemmende Aktualität. Während sich die Nachrichten wegen der Fehlinformationen und Vertuschungen über das verheerende Bundeswehr-Bombardement zweier Tanklastzüge im afghanischen Kundus mit 142 Todesopfern überschlagen, setzt der Film genau dort, in Afghanistan, ein und fragt mit bohrender Intensität: Wäre im April 2008 der Tod dreier deutscher Soldaten auf der vermeintlich sicheren „Südroute“ vermeidbar gewesen? Im Vorfeld eines Ministerbesuchs hatte Oberleutnant Ralf Darkow (Dirk Borchardt) einem Bundeswehr-Konvoi diesen Weg durch scheinbar befriedetes Gebiet befohlen – nicht zuletzt, um eine Erfolgsmeldung und damit gute Publicity zu generieren. Doch der Konvoi fiel einem Sprengstoffanschlag der Taliban zum Opfer. Nur zwei Soldaten überlebten und kehrten zu ihren zwischen Wut und Fatalismus schwankenden Familien zurück, darunter der schwer verletzte Fahrer, der nun im Rollstuhl sitzt.

Ein halbes Jahr später wechselt die düstere Szenerie vom Hindukusch ins friedliche Voralpenland, in dem der Krieg undercover längst angekommen ist. Oberleutnant Darkow wird eines Nachts brutal niedergeschlagen und entführt, als er und seine Frau Inge (Anna Schudt) von einer Kasernenfeier heimkehren. Der Täter habe eindeutig Bundeswehrstiefel getragen, erinnert sich Frau Darkow: „Schließlich putze ich solche Stiefel seit zehn Jahren.“ Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, denn der oder die Täter haben Darkow in einen kahlen Novemberwald gebracht und auf eine Tellermine mit Entlastungszünder gestellt – sobald er sich bewegt, droht er in die Luft zu fliegen.

In seiner wachsenden Panik wird der Oberleutnant von einer Kamera mit Stativ gefilmt. Dieses Video geht via Internet ans Verteidigungsministerium in Berlin. Er solle endlich gestehen, wer die Schuld am Tod der drei Kameraden trage, herrscht eine vermummte Gestalt Darkow an und verschwindet im Unterholz. „Ich wünsche meinem Film, dass er die Leute berührt, anregt nachzudenken und ein bisschen kritischer auf die Berichterstattung zu gucken“, sagt Drehbuchautor Christian Jeltsch, der sich zunächst mit dem posttraumatischen Belastungssyndrom bei Soldaten im „Friedenseinsatz“ befasste. Auch der neue Münchner Kriminalhauptkommissar Friedrich Papen (Jörg Hube), Nachfolger des Duos Tauber/Obermaier, glaubt dem offiziellen Bericht des Untersuchungsausschusses nicht, in dem von einem Fehler im Funkverkehr die Rede ist. „Die zur Wahrheit wandern, wandern allein“, zitiert der bekennende Pazifist Papen den Dichter Christian Morgenstern. Die perfide Mine mit Entlastungszünder nennt der stille große Bayer „wahre Ingenieurskunst“. Diese hintersinnige Bemerkung ruft dem Zuschauer sogleich Jörg Hubes wunderbare Darstellung des Ingenieurs Otto Wohlleben in Edgar Reitz’ „Heimat“ ins Gedächtnis: der Ingenieur, der im Zuge des „Reichsautobahn“-Baus in den Hunsrück kam und dort seine Liebe Maria fand.

Jörg Hube, der am 22. November 1943 in Neuruppin geboren wurde und sich als den „ältesten Altbayern“ bezeichnete, da die Mark Brandenburg im 14. Jahrhundert zeitweise ein bayerisches Herzogtum war, starb im Juni dieses Jahres. Im „Polizeiruf 110 – Klick gemacht“ (Regie: Stephan Wagner) gab der vielseitige Schauspieler, Regisseur und Kabarettist seinen Einstand als Hauptkommissar. Dass diese Premiere, in der Hubes sensibles Spiel von der ersten Minute an in den Bann zieht, zu seiner Abschiedsvorstellung wurde, ist nicht nur für die Zuschauer traurig, sondern auch für Stefanie Stappenbeck. Als überzeugte Soldatin Uli Steiger unterstützt sie Papens Nachforschungen und löst folgenreich ihren Vaterkonflikt. Wie gerne hätte man den milde grantelnden „Brandner Kasper“ und die forsche Potsdamerin weiter zusammen ermitteln sehen.

„Polizeiruf 110“, ARD, 20 Uhr 15

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